Deutschsprachige Seelsorge ist keine Selbstverständlichkeit (mehr). Zumal die Katholische Kirche sich in der Vergangenheit stets als verlässlicher Partner der staatlichen Assimilationsbestrebungen erwies, sei es im religiösen wie im schulischen Bereich. Dennoch gab es in der Vergangenheit Seelsorger – „unseres Volkes Söhne” -, die sich für sprachliche Belange der Deutschen in Ungarn einsetzten und sogar in den dunklen Nachkriegsjahren unerschütterlich das deutschsprachige religiöse Leben pflegten (nicht zuletzt war ja der Dialekt Teil des Alltags, viele der Älteren sprachen kein Ungarisch). Nach dem Ableben der Muttersprachlergeneration – was Gemeindemitglieder und Geistlichkeit gleichermaßen betrifft – sowie aufgrund der demografischen Entwicklung wie auch vor dem Hintergrund gravierender Veränderungen in der Religionsausübung der Bevölkerung bedarf es umso mehr regionaler Lösungen. Das Erzbistum Kollotschau-Ketschkemet stellt zweifelsohne einen Fackelträger dieser Bewegung dar, aber auch im Bistum Fünfkirchen blickt die deutschsprachige Heilige Messe unter Beteiligung von Gläubigen aus der ganzen Diözese auf eine lange Tradition zurück (auch wenn sie nur noch einmal im Monat gefeiert wird).
In diese Traditionslinie reiht sich nun das Komitat Komorn-Gran ein, das kirchenrechtlich drei Bistümern untersteht: dem Erzbistum Gran-Budapest, dem Bistum Raab und der Diözese Stuhlweißenburg. Die erste Heilige Messe fand im Dom zu Gran statt und wurde von der Deutschen Komitatsselbstverwaltung organisiert. „Wir beabsichtigen die Organisation den Gemeinden zu überlassen, stehen aber mit Rat und Tat an ihrer Seite. Die Einladungen werden an die örtlichen Nationalitätenselbstverwaltungen (DNSVW) verschickt und auch im Facebook veröffentlicht. Wir haben den DNSVW vorgeschlagen, mit der örtlichen Kirchengemeinde jeweils eine Vereinbarung zu treffen, dass der Pfarrer in der örtlichen Messe die Termine mit dem dazugehörigen Aufruf verkündet. Aus manchen Ortschaften kommen dann die Gläubigen mit Kleinbussen zur Messe”, erzählt Eva Baudendisztl-Waldmann, Vorsitzende der Deutschen Komitatsselbstverwaltung Gran-Komorn.
Auch in der Kulturstrategie spiele das deutschsprachige Religionsleben eine wichtige Rolle – dabei ist man nach Worten der Leiterin der Strategiegruppe bestrebt, „immer mehr religiöse Anlässe auf Deutsch anzubieten, von den Heiligen Messen bis zu Kirchenkonzerten.” Tarian, Ort der zweiten Schwabenmesse auf Komitatsebene, sei die einzige Gemeinde, in der es regelmäßig deutsche Messen gefeiert würden, was aber nicht sehr bekannt sei. Wenn überhaupt, dann singe man in den meisten Gemeinden lediglich auf Deutsch oder bete ein deutsches Gebet. „Ziel der Initiative ist, dass immer mehr Kirchengemeinden sich trauen, deutschsprachige Gottesdienste (oder andere Feste) zu feiern, die deutschsprachige Religiösität wiederzubeleben, und dass die Pfarrer sehen, dass die Leute der Messe auch auf Deutsch folgen können. Viele der Teilnehmer sagen, dass sie alles verstanden haben, und die Antworten gingen auch, mithilfe der ausgelegten Broschüren, die dank der Arbeit von Ladislaus Sax aus Tscholnok, Leiter der Kirchensektion des Landesrates, entstanden”, berichtet Eva Baudendisztl-Waldmann.
Neben dem Engagement der Gemeinden und der Gläubigen kommt es aber auch auf die Geistlichkeit an – und das ist aus Sicht von Baudendisztl-Waldmann ein kritischer Punkt: „Wir haben uns vorgenommen, dass die ganze Messe auf Deutsch laufen soll, auch die Predigt. Leider sind die meisten Pfarrer der Meinung, dass die Predigt auf Ungarisch sein sollte, damit das alle verstehen. Hinzukommt, dass viele Seelsorger zwar Deutsch sprechen, aber eher unsicher sind. Mit Dr. Csaba Török hatten wir Glück in Gran, er hat sich sehr gefreut, nach 25 Jahren endlich wieder deutsch zelebrieren zu können. In Tarian zelebrierte Pfarrer Bernhard Kollmann von der Deutschsprachigen Katholischen Gemeinde St. Elisabeth Budapest, ein gebürtiger Österreicher. Wir haben Ideen, welche Pfarrer wir bei den Diözesen ansprechen könnten, und wollen den Gemeinden auch dabei helfen, geeignete und bereitwillige Pfarrer zu finden.”
Bezüglich der bisherigen Erfahrungen zeigt sich die Organisatorin zufrieden: Demnach kämen die Leute gerne, nicht zuletzt wegen den „guten Gesprächen” im Anschluss an die Messen. Auch der volle Kalender für das laufende Jahr 2025 zeige das Interesse – im Sommer habe man sich sogar doppelt eingetragen als Austragungsort.
Geplant ist nach Baudendisztl-Waldmanns Worten, eine Liedersammlung herauszugeben und landesweit zu verbreiten. Auch das Problem der (fehlenden) deutschsprachigen Pfarrer müsse gelöst werden – man versuche eine Auswahl an geeigneten Priestern zu präsentieren, um den Gemeinden Vorschläge machen zu können.