Fastenzeit – die Zeit des Verzichts und Betens vor Ostern. In vielen Religionen ist das Fasten ein fester Bestandteil des Glaubens. Man fastet, um Opfer zu bringen. Christus fastete vor seinem Tod 40 Tage lang für die Vergebung der Sünden der Menschen. Seither ist diese Zeit in unserer christlichen Religion verankert, und es gibt von der Kirche vorgegebene Vorschriften, denen wir folgen sollten, wie zum Beispiel: freitags Verzicht auf den Fleischverzehr in der Fastenzeit usw. Diese Vorschriften sollen uns an das Leiden Christi erinnern und uns näher zu seiner Aufopferung für die Sünden der Menschheit bringen.
Als Kind verbrachte ich Ostern immer bei meinen ungarndeutschen Verwandten in Pari (Komitat Tolnau) und hörte viel von meiner Uroma über die Notwendigkeit und den guten Zweck der Fastenzeit. Es ging nicht nur um die physische Seite der Fastenzeit, sondern auch um die seelische. Unsere Opfergabe bringt uns näher zu Gott und erfüllt uns mit Freude – das erlernte ich in einem österlichen Gottesdienst in Pari. Als die Prozession am Karsamstag vorbei war, schnitten wir fröhlich den Osterschinken auf, und die Zeit des Verzichts war vorbei.
Aber wie fastet man heutzutage? Hat das noch einen Sinn, auf etwas zu verzichten? Viele sind nicht mehr gläubig. Sollten sie trotzdem fasten? Meine Antwort ist ja. Nicht nur der Verzicht auf ein Konsumgut kann mit dem Fasten in Verbindung gebracht werden, sondern auch die Veränderung gewisser Gewohnheiten.
In der Fastenzeit faste ich auch, und zwar verzichte ich auf den ungestörten, endlosen Genuss der sozialen Medien und der Unterhaltungsmöglichkeiten, die mir mein Smartphone bietet. Ich nahm mir vor, mein Smartphone möglichst oft in der Tasche zu lassen, um einen freien Raum für meine Gedanken zu schaffen. Diese Art des Fastens ist neu, aber mein Ziel schwebt vor meinen Augen. Meines Erachtens waren meine Urahnen viel glücklicher, da sie nicht unter Zeitdruck lebten. Sie erfuhren erst Tage später, was in der Welt geschah, nicht so schnell wie heute. Die ständige Erreichbarkeit der Informationen und Nachrichten kann einen negativen Effekt auf unser Leben haben.
Wie schon geschrieben, ist es eine besondere Art des Fastens, aber heutzutage haben wir andere Möglichkeiten für die Opfergabe. Eine Gewohnheit zu verändern, kann nicht nur als Opfer verstanden werden, sondern diese Zeit zwischen Aschermittwoch und Karfreitag kann auch für persönliche Veränderungen genutzt werden.
Bei meinem Versuch geht es darum, dass ich meine Bildschirmzeit täglich auf 90 Minuten einschränke und dabei nur dreimal pro Tag ans Handy gehe. Mein Ziel ist es, den Zwang nach der sofortigen Reaktion oder das ständige Surfen im Netz zu regulieren und dabei mehr von meiner Umgebung wahrzunehmen. Darüber hinaus führt die ständige Beschäftigung mit dem Handy zu einer beschränkten Wahrnehmung der Außenwelt und zu einem Leben in einer digitalen Welt mit digitalen Kontakten. Die Welt unseres Smartphones und die dadurch angebotenen Möglichkeiten fesseln uns einfach auf den Bildschirm. Mal piept es, mal vibriert das Handy, und wir wollen sofort von unserer Gegenwart auschecken und schauen, wer was geschrieben hat. Das kann privat oder beruflich sein. Darüber hinaus entwickeln wir den Drang, ständig antworten zu müssen.
Hier kommt aber die Beschreibung meines Experiments. Am Anfang meines Experiments staunte ich über meine hohe Bildschirmzeit: 3,5 Stunden täglich. Was? Das kann doch nicht wahr sein. Bin ich abhängig von meinem Smartphone? Hat es Macht über mich?, fragte ich mich. Dann setzte ich die oben angegebenen Ziele fest, um die Fastenzeit für die Veränderung dieser Gewohnheit zu widmen. Mein Versuch fängt schon gut an, und ich kann mich an meine Regeln halten. Meine Bildschirmzeit minimiert sich allmählich. Ein Glücksgefühl, wie beim Handynutzen: Wenn es piepst, schaut man sofort aufs Handy und hat meistens ein Glücksgefühl, da unser Körper Dopamin ausschüttet. Genau dieses Gefühl möchte ich mit dem Erreichen meiner Zielsetzung erleben. Das Glücksgefühl, nicht mehr ständig aufs Handy zu schauen und mich von meinem Handy unabhängiger zu fühlen. Mein Experiment läuft gut, und ich stelle schon schnell fest, wie effektiv man mit ein bisschen Selbstdisziplin wieder Kontrolle über sein Smartphone gewinnen kann. Dadurch, dass ich nicht mehr zwangsmäßig auf das Piepen meines Handys reagieren will, nehme ich wieder meine Umgebung wahr. Erstaunlich finde ich auch, dass ich mehr Qualitätszeit mit meinen Kindern verbringe. Die handylose Zeit wirkt sich besser auf meine Konzentration aus, und ich merke, wie fokussiert ich die Tätigkeiten ausführen kann.
Jetzt stellt sich die Frage, ob die digitalen sozialen Kontakte unter meiner eingeschränkten Handyzeit leiden oder nicht. Ich benutze immer noch soziale Medien und lese online Artikel, aber dabei versuche ich, irgendwie einen Rahmen für den ständigen Nachrichtenkonsum zu schaffen, sodass meine Freunde doch nicht vernachlässigt werden.
Es sind nur noch wenige Tage bis Ostern, aber einiges kann ich schon jetzt als Benefit meines „Fastens“ feststellen, die mich überzeugen, dass diese Veränderung für immer beibehalten werden soll.
Am Anfang verspürte ich Entzugserscheinungen, aber nach ein paar Tagen gewöhnte ich mich an das beschränkte Handynutzen. Als großes Plus überkam mir ein Gefühl der Freiheit. Ich habe nicht mehr den Drang, sofort reagieren zu müssen. Ich weiß, dass ich im Laufe des Tages sicherlich antworte. Dadurch bleibt auch mehr Zeit frei – erstaunlich. Diese Zeit nutze ich fürs Buchlesen, das mich mit positiven Gedanken erfüllt und glücklich macht. Darüber hinaus komme ich zur Besinnung, was ein wichtiger Bestandteil der Fastenzeit ist.
Ein wichtiger Faktor ist meine Entschleunigung. Ich bin nicht mehr so müde, da ich mich nicht ständig auf die bevorstehenden „Online-Aufgaben“ konzentrieren muss. Wenn ich eine Tätigkeit ausführe, bin ich vom Handy auch nicht abgelenkt. Meine Konzentration lässt sich verbessern.
Aber eines muss ich feststellen: Ich kann nur teilweise auf das Handy verzichten, da es mein Arbeitsmittel ist und dadurch mein Leben erleichtert. Ohne mein Handy dauert es, einen Beitrag zu verfassen, auch länger, da ich an meinem Computer arbeite. Aber dadurch, dass ich mein Handy eingeschränkt benutze, kann ich privates und berufliches besser teilen.
Zum Schluss möchte ich alle Leser/innen ermutigen, sich Gedanken über ihr eigenes Handynutzen zu machen und vielleicht mit dem Gedanken zu spielen, die online verbrachte Zeit zu reduzieren und deren Vorteile am eigenen Leib zu erfahren. Vielleicht fassen einige Leser/innen das in der nächsten Fastenzeit ins Auge.