Von Georg Krix
Als Einleitung
Unter den wenigen ungarndeutschen Zeitschriften besteht – inhaltlich gesehen – ein großer Unterschied. Man darf eigentlich alle als GUT bezeichnen, freilich nur aus einem bestimmten Blickwinkel gesehen. Da gibt es welche, die sich nur mit den Ereignissen und Nachrichten einer bestimmten Ortschaft befassen, andere wieder sind eben mehr regionaler Bedeutung. Doch gibt es auch eine „Neue Zeitung”, die als Sprachrohr des gesamten Ungarndeutschtums hochgepriesen wird und als solche bekannt ist. Und es gibt noch das „Sonntagsblatt” des Landesvereins Jakob-Bleyer-Gemeinschaft, das leider nur vierteljährlich erscheint und auch wenig bekannt ist (da es von amtlicher ungarndeutscher Seite auch nicht bekannt sein soll, d.h. einfach totgeschwiegen wird). Auch diese zwei Letzteren sind – wie vorhin schon gesagt – GUT, jedoch mit großem Unterschied. Macht uns die Neue Zeitung überwiegend mit der glänzend dargestellten und hochgepriesenen (Schein)Existenz der Volksgruppe bekannt, so erfahren wir aus dem Sonntagsblatt eben dessen Gegenteil, die wahre Lage der Volksgruppe und die schädliche Ausstrahlung von Schönfärberei und Wichtigtuerei / Selbstbelügung. Zum Deutschen Kalender der Landesselbstverwaltung ist – meiner Meinung nach – die Bezeichnung „Märchenbuch“ zutreffend.
Zur Merkwürdigkeit
Ich lese den Artikel „Unsere Scheinexistenz dient nur dem Anschein einer Zukunft” (Nr. 4/2019 auf Seite 13) nun schon zum dritten Mal und bewundere immer mehr die klare/reale Darstellung des Autors hinsichtlich Sein und Werden unserer dahinsiechenden ungarndeutschen Volksgruppe. Dabei stelle ich mir doch gleichzeitig auch die Frage: Wie viele ungarndeutsche Landsleute lesen wohl diese Zeilen und wie viele verstehen die darin gemachten Feststellungen (manchmal bloß Andeutungen) bzw. wie viele machen sich auch Gedanken darüber? Bestimmt gibt es einige (vielleicht sogar auch viele?), denen dieser Artikel zu Herzen geht, was jedoch – leider – nicht bemerkbar ist, da keine Reaktion, keine Kommentare zu lesen und keine ’Likes’/„Gefällt mir”-Angaben (wie auf Facebook allgemein) zu sehen sind.
Die Arbeit (Maßnahmen?) der Deutschen Selbstverwaltung/en, das theatralische Auftreten der Kulturgemeinschaften wird von amtlich/öffentlicher Seite in den ungarndeutschen Medien nicht kritisiert/beanstandet, ganz im Gegenteil: nur Jubel und Beifall (?!), was wirklich den Anschein ergibt, dass alles bestens ist und wir – d.h. die ungarndeutsche Volksgruppe – sich einer glänzenden Gegenwart erfreut und einer hoffnungsvollen Zukunft entgegengeht.
Ich verweise hier auf einen ebenfalls im selben Sonntagsblatt (auf den Seiten 4-8) erschienenen Artikel/Reisebericht von Richard Guth über einen Ausflug / eine Studienfahrt der JBG nach Siebenbürgen/Sieweberjen mit dem Vorschlag, das darin beschriebene Dasein des beinah verschwundenen Rumäniendeutschtums als Grundlage einer Beurteilung bzw. Gegenüberstellung mit der Lage der ungarndeutschen Volksgruppe zu nehmen. Hier muss ich wieder einen Satz aus dem Schreiben des Herrn Sawa (SB –Seite 14) zitieren: …Dabei wäre es nötig eine Bestandsaufnahme unser selbst vorzunehmen, um jene Punkte auszuarbeiten, die unserer heutigen Zeit gerecht ein Bestehen für eine Volksgruppe ermöglichen…
Ja! Eine Bestandsaufnahme!
Zur Fragestellung könnten die in Siebenbürgen gemachten Erfahrungen (bitte den Reisebericht von Herrn Guth nochmal, ja öfters zu lesen!) die Grundlage geben:
Lage/die ungarndeutsche und rumäniendeutsche (Sicc!) Volksgruppe in Zahlen – gestern und heute Geschichtlicher Rückblick
Wie ist es mit dem Sprachgebrauch?
Wie fungieren die Bildungseinrichtungen?
Medien, Schulen, Kulturgruppen?
Wie verhält sich die Kirche?
Angaben zu Gegenwart und Zukunft Menschen verschiedener Nationalität unter sich
u.a.m.
Also einige richtungsweisende Fragen, die in Details ausgearbeitet werden sollten! Antworten darauf hat Herr Sawa in seinem „merkwürdigen” Artikel bereits angedeutet. Eine klare Antwort sind jedenfalls die abschließenden Sätze des Artikels: „… der Fortbestand als Nationalität kann nicht erzwungen werden. Die Bemühung alleine auf dem Bildungsweg es zu schaffen, ist zum Scheitern verurteilt, denn das Bestehen als Volksgruppe ist / kann nicht ein Schulfach sein – selbst wenn man dabei Erfolge erzielen kann. Die „Zugehörigkeit” als solche ist nämlich viel weniger eine kognitive als eine emotionale Erscheinung: Die Gemeinschaft ist mehr eine erlebbare als eine erlernbare Sache. Dennoch hat all das mit Erziehung zu tun: durch unser eigenes Beispiel…”
Sehr richtig ! Das eigene Beispiel – die Erziehung!
Doch wenn wir betrachten, dass seit Kriegsende heute bereits die vierte Generation im Aufwachsen ist und wir feststellen müssen, dass seither die deutsche Volksgruppe Ungarns sich im Gleitflug befindet und bis heute völlig ihr Gleichgewicht verloren hat: Wo die deutschen Eltern selber ihre (eigentlich) ererbte Muttersprache (oft auch den Namen) verloren haben, da ist eine deutsche Erziehung in der Familie – mit wenigen lobenswerten Ausnahmen – schon gar nicht mehr möglich. Fällt also diesbezüglich die Familie aus, so kann/könnte es für deutsche Erziehung nur noch eine Stütze geben: eine vorbildliche deutsche Schule. Die fehlt uns jedoch heute! Sie müsste erst wieder geschaffen werden! Eine Aufgabe, die mit der heute üblichen und hochbewerteten „Übernahme der Erziehungsstätten in die Trägerschaft der ungarndeutschen Selbstverwaltungen” nicht gelöst wird/gelöst werden kann. Ja, deutsche Kindergärten, deutsche Schulen, Lehranstalten zur Bildung von deutschen (nicht zu verwechseln mit ’deutschsprachigen’) Lehrern und Priestern heißt die Forderung, für die sich der ehemalige „Deutsche Verband” bereits vor 40-50 Jahren wiederholt stark gemacht, die Regierung und Partei bestürmt hat. Diesbezügliche Maßnahmen sind seit der politischen Wende und der Schaffung deutscher Selbstverwaltung vor 25-30 Jahren so von ungarischer wie auch ungarndeutscher Seite hochgelobt, jedoch unbedeutend und erfolglos für ein Erwachen deutschen Selbst- und Volksbewußtseins sowie zur Stärkung einer deutschen Identität und zur Wiedergewinnung der deutschen Muttersprache völlig ungeeignet.
Zusammenfassend: Die Lage ist katastrophal. Eine deutsche Zukunft aussichtlos? Vielleicht ja – aber doch nicht! Es lebe die Hoffnung! Mut und Zuversicht verheißen auch Stärke. Also, eine Bestandsaufnahme über Lage der Volksgruppe ist nötig, um auf die damit errungenen Ergebnisse sich stützend entsprechende Maßnahmen und eine schlagkräftige Strategie aufstellen zu können. Doch dazu bräuchte man wohlgesinnte, opferbereite, streitbare Menschen – einen jungen Jakob Bleyer!