Im April wählt Ungarn ein neues Parlament, und das kann Veränderungen für die Nationalitäten des Landes bedeuten. Einerseits gibt’s eine große Chance, dass durch die deutsche Liste ein vollberechtigtes Mitglied des Parlaments gewählt wird, das die Interessen der Ungarndeutschen und anderer Minderheiten in der Ungarischen Nationalversammlung vertreten kann. Anderseits kandidieren sich viele Parteien, die verschiedenen Meinungen über die Lage der ungarländischen Nationalitäten haben. Aus diesem Grund hat die Redaktion des Sonntagsblattes so entschieden, dass wir 4 Fragen an diejenigen ungarischen Parteien schicken, die möglicherweise Abgeordnete ins Parlament schicken werden. Alle Parteien haben die Fragen ausführlich beantwortet. Wir werden die Antworten bis zur Wahl in einer ausgelosten Reihe auf unserer Webseite veröffentlichen. Die Liste sieht folgend aus:
Momentum
Jobbik
Die fünfte Partei ist die DK (Demokratische Koalition):
Erste Frage: Gegenwärtige Lage der Minderheiten
Die Lage der ungarländischen Nationalitäten hat sich in den letzten sechs Jahren ein wenig verschlechtert. Für jede gesetzlich anerkannte Nationalität besteht die Möglichkeit Selbstverwaltungen auf lokaler und Landesebene zu bilden, die die Interessensvertretung der jeweiligen Nationalität und die Aufsicht über ihre kulturellen und schulischen Institutionen übernehmen. Bis auf wenige Ausnahmen besteht für sie die Möglichkeit des Schulunterrichts in der Muttersprache, bei den Ausnahmen (wie z. B. bei den Armeniern) ist dies auf deren geringe Zahl und fehlende Nachfrage zurückzuführen. Der Pflege ihrer Sprache und Kultur steht nichts im Wege, aber oft ist es so, dass wegen des fehlenden Gebrauchs der Nationalitätensprache in der Familie die Pflege der Sprache den Minderheitenbildungseinrichtungen obliegt, die naturgemäß nicht die in Ungarn geläufige sprich gesprochene Form der Sprache unterrichten, sondern die Standardsprache des Mutterlandes.
Zweite Frage: Verbesserungsvorschläge
Die ungarische Verfassung, die 2012 in Kraft getreten ist, erklärte jedoch die ungarische Sprache zur offiziellen und schützenswerten Sprache, wohingegen sie im Falle der Nationalitätensprachen lediglich deren Schutz und das Recht der Nationalitäten auf den Gebrauch ihrer Sprachen deklarierte. Was keine Aufnahme gefunden hat, ist, dass die Nationalitätengemeinschaften Teil der Volkssouveränität sind. Sie enthält weder die allgemeine Deklaration des Minderheitenschutzes noch die Gewährleistung der kollektiven Teilnahme an der res publica. Das Nationalitätengesetz schreibt im Falle der Wahl der Nationalitätenselbstverwaltungen eine Registrierung der Wahlbeteiligten vor, und diese registrierten Wähler verlieren das Recht, bei den Parlamentswahlen für eine Parteiliste zu stimmen. Besonders schmerzlich ist die Auflösung des unabhängigen Amters des Minderheitenombudsmanns.
Dritte Frage: Parlamentarische Vertretung
Die Vorschrift über die obligatorische parlamentarische Vertretung der Minderheiten wirft verfassungsrechtliche Fragen auf. Ein Lösungsansatz ist die gegenwärtige Praxis, wonach für die Wahl des Nationalitätenvertreters der Wahlbürger sein Zweitstimmrecht (Parteienliste) opfert. Die andere Möglichkeit, wonach die Angehörigen von nationalen Minderheiten neben den Direktkandidaten und den Parteilisten für einen eigenen Nationalitätenvertreter stimmen können, verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Man müsste auch die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass die jeweiligen Nationalitäten anstelle eigener parlamentarischer Abgeordneter Fürsprecher wählen, die auf den Parlamentssitzungen ein Beratungs-, aber kein Stimmrecht besäßen.
Vierte Frage: Zweisprachigkeit im Alltag
Die Lage der Ungarndeutschen hinsichtlich Sprache, Bildung und Kultur ist unter allen Nationalitäten vielleicht die beste. Aber bei ihnen besteht die Gefahr, dass die traditionelle Mundart(en) immer mehr vom Hochdeutschen verdrängt werden, und auch sie treffen die oben genannten verfassungsrechtlichen Veränderungen.
Foto: www.24.hu