Der Fluch des Geldes

Der Fluch des Geldes

Vor langen, langen Zeiten lebte einmal ein Ehepaar, ich weiß nicht, wann und wo so mir meine Großmutter erzählte. Sie hatten ein kleines Töchterlein, das sie noch auf dem Arm trugen. Und alles um ihr Haus strahlte vor Sauberkeit, ebenso der Weingarten am Rande des Dorfes, in den sie jeden Tag arbeiten gingen.

Auf dem Acker vor dem Weingarten war ein Kreuzweg. Einmal, in einer Johannisnacht, sahen sie dort um Mitternacht ein blaues Feuer brennen. Die Frau war sehr neugierig und sagte zu ihrem Mann: „Du, Mann! Sehen wir uns dieses eigenartige Feuer näher an!”
Der Mann dachte ebenso. Da ihr Töchterlein noch nicht eingeschlafen war, nahmen sie es mit. Als sie das Feuer erreichten, sahen sie in hellem Schein eine große Öffnung in der Erde. Eine lange Leiter führte hinab. Die Frau begann zu flüstern:
„Du, Mann! Ich steige hinunter und sehe nach, was da so hell glänzt,”
Darauf erwiderte der Mann auch ganz leise: „Nun gut, steige hinunter, wenn du meinst. Aber zuvor gib mir die Kleine!”
Er rief sein Töchterchen, die Kleine aber wollte nicht kommen. Die Frau, die schon sehr neugierig war, kletterte mit dem Kind auf dem Arm in die Höhle. Als sie unten angelangt war, rief sie dem Mann zu: „Oh, Mann! Wie viele schöne Sachen hier sind, Silber, Gold – so was Schönes! Sag, was soll ich machen?”
Da der Mann sich die Sache überlegte und nicht gleich antwortete, rief sie wieder hinauf:
“Wirf schnell einige Körbe herunter, damit ich sie fülle!”

Der Mann lief zum Presshaus und brachte drei Körbe. Dann band einen Strick an die Henkel der Körbe und ließ sie in die Grube hinunter. Die Frau setzte ihr Töchterchen unten auf eine eiserne Truhe, dann raffte sie das Gold mit beiden Händen in die Körbe. Als der dritte Korb schon oben war, hörte der Mann plötzlich ein Sausen. Nicht nur ein Sausen, sondern auch ein lautes Knurren. Er rief zu seiner Frau hinunter: „Komm herauf!”
Auch die Frau hörte das Sausen und das Knurren, und auch dachte, es sei besser, möglichst schnell aus der Grube zu kommen. Sie hatte schon den Rückweg angetreten, als ihr das Töchterchen einfiel. Die Frau blickte zurück, sah aber einen großen Hund. Er kam aus einer Kammer und lief gerade auf sie zu. Aus seinem weit geöffneten Rachen spieß er Feuer. Die Frau erschrak und eilte die Leiter hinauf. Drei Sprossen nahm sie auf einmal. Glücklich gelangte sie oben an, aber in dem Augenblick, in dem sie hinaus trat, schloss sich die Erde, und das Kind blieb in der Grube.

Die Frau weinte und jammerte um ihr Kind. Nirgends fand sie Ruhe. Sie ging zum klügsten alten Mann des Dorfes und klagte ihm, was sie dort unten gesehen hatte und dass ihr Kind unten geblieben war. Zum Beweis zeigte sie ihm einige Goldstücke. Darauf sagte der Alte:
„Du bist unter einem glücklichen Stern geboren! Geh in einem Jahr am Johannistag um Mitternacht hinaus, die Flamme wird wieder dort sein. Dann wirst du schon sehen, was geschieht!”

Nach einem Jahr gingen sie wieder zum Kreuzweg. Der Alte hatte recht, denn um Mitternacht brannte die blaue Flamme wieder, und die Erde tat sich auf. Die Frau stieg hinunter, suchte ihre Tochter, fand sie aber nirgends. Da stand auf einmal ein Zwerg vor ihr.
„Suchst du dein Töchterchen?”– fragte er die Frau.
„Ja!”, antwortete sie.
„Nun, das geht aber nicht so leicht! sagte der Zwerg.”
„Die Goldstücke haben wir gar nicht angerührt, seitdem wir unser Töchterchen verloren haben.” – erwiderte die Frau.
„Das ist etwas anderes! Deine Tochter ist hier im anderen Zimmer, aber hineinzukommen ist nicht leicht!” – machte der Zwerg die Frau aufmerksam. „Neun Hunde sind dort an der Wand angebunden. Jeder Hund hat auf dem Rücken eine taschenartige Öffnung, darin ist Geld. Die Hunde fletschen schrecklich die Zähne, du aber habe keine Angst! Geh mutig dorthin, nimm von jedem Hund ein Geldstück, vom neunten aber neun!”

Das sagte der Zwerg, dann verschwand er. Die Frau ging nun hinein. Alles war so, wie es der Zwerg gesagt hatte. Die Hunde standen dort, alle in einer Reihe; sie waren angebunden und knurrten wie toll. Die Frau ging zum ersten, zum zweiten, zu einem jeden der Reihe nach. Sie schnappten nach ihr; trotzdem nahm sie aus jeder Tasche das Stück Gold. Gerade wollte sie aus der Tasche des neunten Hundes das neunte Goldstück nehmen, als der Hund die Zähne fletschte und nach der Hand der Frau schnappte. Sie erschrak, zuckte zusammen und schrie auf, im selben Augenblick schloss sich die Erde über ihr. Der Mann stand eine Weile wie versteinert da, als die Erde nach dem Kind auch die Frau verschluckt hatte. Dann ging er ins Presshaus,Presshaus, nahm Spaten und Schaufel. Er dachte, vielleicht könne er noch helfen. Gerade wollte er zurück, da stand der Zwerg vor ihm:
„Armer Mann! Lege dein Werkzeug weg, denn so kannst du nicht helfen! Erst nach neun Jahren kannst du sie erretten, wenn du sie bis dahin nicht vergessen hast.”

Der Mann blieb also ohne Frau und Kind. Er hatte zwar Geld, das Gold stand in den Körben, aber er konnte sich darüber nicht freuen. Während der neun Jahre verlernte er auch das Lachen. Die neun Jahre waren vorüber, wieder kam der Johannistag. Der Mann ging in den Weingarten zum Kreuzweg und wartete, ssdass sich die Erde auftut.t. Um Mitternacht flammte das blaue Feuer auf, die Erde öffnete sich. Der Mann kletterte hinunter, um Tochter und Frau zu suchen. Plötzlich stand der Zwerg vor ihm und sagte:
„Mein lieber Sohn! Mache es nicht wie deine Frau! Dort sind neun Hunde. Nimm viel Gold zu dir. Wenn die Hunde sehr bellen und heulen, dann wirf dem ersten Hund ein, dem zweiten zwei, dem dritten drei Stück Gold in das Maul, bis zum neunten Hund immer um ein Goldstück mehr. Die Goldstücke werden sie beruhigen. Ziele nur gut, denn wenn nur ein Goldstück daneben fällt, daneben fällt, ist alles aus!”

Damit verschwand der Zwerg, sssodass der Mann ihm für den guten Rat gar nicht danken konnte.
Der Mann ging weiter hinein. Alles geschah, wie es der Zwerg gesagt hatte. Die Hunde bellten, und der Mann warf einem jeden die Goldstücke ins Maul. Die Hunde wurden der Reihe nach still. Der siebte fletschte die Zähne so sehr, dass der Mann vor ihm ein wenig zusammenzuckte. Als er aber an seine Familie dachte, kam ihm der Mut zurück und er warf die neun Goldstücke in das Maul des neunten Hundes. Im selben Augenblick stand der Mann vor der unterirdischen Höhle, die große Eisentür öffnete sich von selber, als ob jemand daran hätte. Hinter der Tür stand der Zwerg und führte den Mann die in ein Zim. Auf der eisernen Truhe saßen die Frau und das Kind. rau und das Kind. Er konnte das Mädchen kaum wiedererkennen, so war es in den vergangenen zehn Jahren gewachsen. Sie fielen einander um den Hals. Dann stiegen sie die Leiter hinauf.uf. Gerade zur rechten Zeit, denn als sie oben angelangt waren, schloss sich h die Erde hinter ihnen. Zu Hause dann fragte der Mann, was mit ihnen im Berg geschehen war. Aber die Frau und das Kind sagten nur, dass sie das nicht erzählen dürften. Gut konnte es ihnen nicht ergangen sein,
denn beide hatten während dieser Zeit das Lachen verlernt. Seit dieser Zeit wird im Dorf erzählt, dass es jedem so ergeht, der sehr neugierig und sehr habsüchtig ist.

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