Ein Beitrag von László Szily. Erstmalig erschienen am 29. Juni 2025 auf dem Portal 444.hu. Zweitveröffentlichung in deutscher Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors. Deutsche Übersetzung: Richard Guth.
- Es wurde wieder eine wundervolle Ausstellung im Ethnografischen Museum eröffnet: Sie stellt das Schicksal und eine ganze Reihe anderer Dinge der Volksgruppe mithilfe extremen Frauenbekleidung der Donauschwaben vor.
- Wie wir bereits im neuen Ethnografischen gewohnt sind, stellt man nicht Gegenstände aus, sondern fesselnde Stories und filmserienreif spannende menschliche Schicksale.
- Wie gestalteten die Schwäbinnen mit starken Händen ihre Kleidungsstücke und umgekehrt?
Die 13-jährige Elisabeth Kremer aus Sagetal/Szakadát war vor ihrem ersten Ball extrem nervös, vor allem wegen der Frage, wen ihre Eltern unter ihren Tanzpartnern als Ehemann aussuchen würden. Um ihr Kleid musste sie sich keine Sorgen machen, denn ihre Eltern waren anständige schwäbische Bauern aus der Tolnau – den Stoff hatten sie, wie damals üblich, einige Jahre zuvor im nahegelegenen Jink/Gyönk bei einem jüdischen Ladenbesitzer namens Eugen (Jenő) Engelmann gekauft, dessen Bruder in Wien lebte und von dem er die Stoffe bezog, die die fleißigen schwäbischen Bauern regelrecht bezauberten.
Die fleißigen, tüchtigen, nüchtern-rationalen und peinlich ordentlichen Schwaben der Tolnau hatten eine besondere Leidenschaft: Zu festlichen Anlässen steckten sie ihre Frauen in unglaublich aufwendige, vielschichtige, wunderschöne, aber furchtbar schwere, enge und unbequeme Kleider. Während eine Frau im Minikleid heute rund 2,5 Meter Stoff mit sich herumschleppen muss, wenn sie auf die Straße geht, waren in einem typischen schwäbischen Bauernkleid des frühen 20. Jahrhunderts inklusive Kopfbedeckung, passender Weste, Schürze und Rocksaum über 45 Meter Stoff verarbeitet. Hinzu kamen noch die zusätzlichen Kilos an aufgenähten Perlen und glänzenden Metallperlen.
Es ist ein Wunder, dass überhaupt ein schwäbisches Mädchen stehen blieb. Und all das geschah nicht im Mittelalter oder während den barocken Exzessen der Neuzeit, sondern in den 1940er Jahren. Während NBC in den Vereinigten Staaten seit 1941 als regulärer kommerzieller Fernsehsender auf Sendung war.
Jink ist eine Kleinstadt, sogar eine Ministadt: In ihrer Blütezeit, zur Zeit der Volkszählung von 1910, hatte die Stadt nur 3.291 Einwohner, zwei Drittel Schwaben, ein Drittel Madjaren und 180 Juden, aber die Eltern Kremer konnten zwischen zwei jüdischen Textilgeschäften wählen, nachdem sie die 3-4 Kilometer lange Fahrt aus der winzigen, kaum 200 Einwohner zählenden schwäbischen Gemeinde Sagetal auf sich genommen hatten. Kein Wunder, denn die Nachfrage war groß: In allen Gemeinden der weiten Umgebung bildeten die Deutschen, überwältigt von ihrem Fetisch für Damenkleidung, entweder die Mehrheit oder die größte Minderheit. Und eine Frau besaß nicht nur ein Kleidungsstück, das ein halbes Textilgeschäft bedeutete, sondern je nach finanzieller Lage der Familie bis zu 15. Ab einem gewissen Level war es angebracht, jeden Sonntag in einem anderen Outfit zur Messe zu gehen.
Elisabeth Kremer freute sich jedoch zu früh. Nur einmal durfte sie ihr Kleid in Sagetal tragen. Wenige Jahre später, 1947, wurde sie mit ihrer Familie aufgrund ihrer Herkunft deportiert. Zwei Jahre zuvor wurden auch alle Familienmitglieder von Eugen Engelmann ermordet. Das Kleid selbst blieb jedoch erhalten, denn die Schwaben schmissen nichts weg.
Weder mit Elisabeth Kremer noch mit Eugen Engelmann bin ich verwandt. Die obige Geschichte erfuhr ich während eines Rundgangs durch die neue, großartige Ausstellung „Schwerer Stoff: Frauen – Trachten – Lebensgeschichten“ des Ethnographischen Museums von Tamás Szalay, dem ungarischen Direktor des Zentralmuseums der Donauschwaben in Ulm, der die Wanderausstellung konzipierte, und von Henrike Hampé, der Kuratorin der Ausstellung.
An diesem Punkt dachte ich darüber nach, was die 37,6 Prozent Madjaren laut dem 30-Euro-Test, den ich online gekauft hatte, den Deutschen, die 23,2 Prozent meines Erbguts vermacht hatten, und den Juden, die für 10,6 Prozent verantwortlich waren, angetan hatten, während es mir ganz mulmig wurde. Ich spürte einen walnussgroßen Knödel aus Salzkartoffeln, Mehl und Eiern, wie ihn meine schwäbische Großmutter manchmal mit Wild zubereitete und den sie aus ihrer Kindheit in Nadasch/Mecseknádasd kannte, als sie noch nicht einmal Ungarisch konnte.
Und diese Geschichte war nur eine von vielen, denn diese faszinierende Ausstellung zeigt anhand einzelner Geschichten und Gesichter die Damenmode der sogenannten Donauschwaben, also der deutschen Bauern und Handwerker, die im 18. Jahrhundert die Donau hinunterfuhren und sich anschließend rund um den Fluss niederließen. Und vieles mehr.
Die hervorragend inszenierte und bearbeitete Ausstellung „Schwerer Stoff“ kann auch für diejenigen eine kathartische Erfahrung sein, denen Ober- und Unterröcke sonst gleichgültig sind.
Es gibt Besseres als das Authentische
Die Ausstellung präsentiert verdammt interessant die Beziehung zwischen nationalistischer Politik und Volkstrachten. Diese Politik liebt es, die wahre, authentische, unverfälschte und ursprüngliche Volkstracht zur Schau zu stellen. Diese existiert – wie die Ausstellung anschaulich zeigt – in dieser Form nicht.
Tracht war nie etwas völlig Einheitliches, das einem starren Kanon entsprach. Natürlich gab es Kanons, aber das gesamte System war dynamisch, mit Variationen, die sich von Dorf zu Dorf und von Familie zu Familie unterscheideten, mit überraschend häufigen individuellen Neuerungen.
So etwas passt jedoch nicht in die politische Kommunikation, die schon immer stark vereinfacht war. Die Ausstellung präsentiert die Aquarellserie der in Wien geborenen, begeisterten Nazi-Malerin Erna Piffé, die die Volkstrachten deutscher Dörfer in Ungarn darstellte und dabei nach Elementen suchte, die sich nach ihrem Verständnis im Geiste der Nazi-Ideologie als reine, altdeutsche Motive darstellten. Noch interessanter ist jedoch der Block, der die Geschichte erzählt, wie junge Paare ihre Hochzeitsgäste baten, nicht in der Tracht zu kommen, die sie zumindest jedes Wochenende trugen, sondern in der „offiziellen“, nachdem die vor Hunderten von Jahren aus ihrer Heimat ausgewanderten Donauschwaben in den 1930er und 40er Jahren dank der Nazi-Propaganda die quasi offiziell kanonisierte „echte“ deutsche Volkstracht kennen lernten.
Ein weiterer kluger Schachzug der Ausstellung ist anhand konkreter Familiengeschichten die Erzählung dessen, wie schrecklich die Deportation der Schwaben aus Ungarn im Jahr 1947 die Vertriebenen traf. Obwohl mich das Thema emotional berührt, habe selbst ich es für mich bisher so aufgefasst, dass es nicht okay ist, dass ihnen alles geraubt wurde und sie aus ihrem Geburtsort vertrieben wurden, aber dafür sind sie dem Kommunismus entkommen und können das Ganze in ein paar Jahren vielleicht als glückliche Fügung betrachten.
Hier können wir anhand konkreter Geschichten erleben, wie die Donauschwaben, die mit einem Pferdewagen voller Hab und Gut von ihrem über Generationen angehäuften Reichtum flohen oder mit ein paar Koffern in einen Waggon gesetzt wurden, in ein zerbombtes, fast völlig zerstörtes, bettelarmes Land kamen, wo viele sie nicht als Volksbrüder betrachteten, sondern als Konkurrenten, die mit unverständlichem Akzent sprachen.
Ich habe mir zum Beispiel nie vor Augen geführt, dass nicht nur die 200.000 aus Ungarn deportierten Schwaben, sondern auch alle vertriebenen Ostdeutschen – rund 15 Millionen Menschen – gleichzeitig ins Mutterland strömten.
Es kam mir nie in den Sinn, dass etwa ein Viertel der aus Ungarn Deportierten, 50.000 Menschen, gar nicht in den Westen, sondern in die DDR gebracht wurden, also vom Regen in die Traufe. Darüber hinaus erholte sich ein erheblicher Teil der betroffenen donauschwäbischen Familien bis zur Vertreibung nicht einmal von dem emotionalen Schock, weil die Sowjets sie nach Kriegsende zu Zehntausenden zur Zwangsarbeit deportiert hatten.
Hier ist zum Beispiel die Geschichte der Familie Märcz oder die des grünen Blumenkleids der Elisabeth Märcz. Die 19-jährige Besitzerin des Kleides wurde am Ende des Krieges von den Sowjets deportiert und kurz darauf ermordet. Die Familie erholte sich noch kaum von dem Schlag, als die überlebenden Mitglieder 1947 vom ungarischen Staat in die sowjetische Besatzungszone, die spätere DDR, deportiert wurden. Sie nahmen auch das Kleid des toten Mädchens mit. Ihre jüngere Schwester Katharina, damals 15 Jahre alt, wuchs schnell heran, sodass ihre Eltern ihr erlaubten, manchmal das coole Festtagskleid ihrer Schwester zu tragen. Sie war unglaublich stolz auf das schöne, farbenfrohe Outfit, doch die verarmten Einheimischen sahen sie an, als wäre sie eine Außerirdische und zeigten mit dem Finger auf sie. Katharina wollte dazugehören und begann ihre Mutter anzuflehen, das Kleid in etwas Moderneres umzugestalten. Die trauernde Mutter weigerte sich zunächst, doch Anfang der 1960er Jahre ließ sie sich die Taille abschneiden. Da die Familie jedoch inzwischen in den Westen nach Bayern gezogen war, wurde aus der traditionellen Kleidung im Zuge der Integration schließlich ein modernes Dirndl.
Die Ausstellung erzählt viele ähnliche Geschichten. Eine persönliche Geschichte veranschaulicht beispielsweise, wie leicht eine grundlegende Trachtenreform das Werk einer alleinerziehenden, gutherzigen Mutter sein kann und wie lange die Tracht unter den Deutschen in kleinen Dörfern eine lebendige Tradition war. In Kreuzstätten/Cruceni/Temeskeresztes, einer Gemeinde im Partium mit 500 bis 600 Einwohnern, kleidete sich beispielsweise in den 1950er Jahren noch die Hälfte der Einwohner im traditionellen schwäbischen Kleidungsstil, während die Neuerer dem alternativen Stil des Gentry („úri“) folgten.
Die Traditionalisten schworen, wie ihre Eltern und Großeltern, in Schwarz die ewige Treue, die Modernen in Weiß.
Doch schon vor ihrer Hochzeit 1955 entschied Anna Rémy, dass sie eine traditionelle schwäbische Hochzeit wollte, allerdings nicht in Schwarz, sondern in Weiß. Ein Punk-Girl braucht eine Punk-Mutter: Die Verantwortlichen erlaubten es ihr, und die beiden kreierten ein revolutionäres Fusion-Stück im traditionellen Stil, aber in Weiß.
Die Ausstellung bietet noch viel Spannendes, angefangen bei upgecycelter, also mit zeitgenössischen Elementen veredelter, original donauschwäbischer Kleidung. Das Ganze hat einen gesunden Maßstab: Auf den ersten Blick wirkt die Ausstellung fast klein, doch es gibt so viele persönliche Geschichten, die unterhalten oder mitreißen, dass diejenigen, die sich darauf einlassen, erst nach Stunden fertig sind.
Direktor Szalay erzählte mir unter anderem, dass die alte donauschwäbische Kultur im alltäglichen Essen weiterlebt. Zwar trug meine Großmutter keine schwäbischen Kleider mit Unterröcken, da ihr Vater kein Bauer, sondern Hausarzt war, und sie sprach in meiner Gegenwart kaum Deutsch, abgesehen von ein paar fallengelassenen „nicht vor den Kindern“, aber sie kochte schwäbische Gerichte mit geheimnisvollen Namen wie „zauresz“ (Saures), „fánekuhni“ (Fahnekuchen) und „héfekléss“ (Hefekleß/Hefeklösse). Daher stürzte ich am Ende der Führung, völlig bewegt von der Ausstellung, auf Henrike Hamper als offizielle Schwäbin, um mein Lieblingsgericht aus Schwäbisch zu identifizieren: den gekochten Bohneneintopf, gebacken in einem Eisentopf, mit einer sauerteigkuchenartigen Füllung in der Mitte, den meine Großmutter „héfekléss“ (Hefekleß) nannte. Ich war sofort froh, dass sie ihn nicht kannte, aber wir fanden heraus, dass der Name des Gerichts Hefeknödel bedeutet.
Auch für alle, die noch nie Hefeteig gegessen haben, wird die Ausstellung ein tolles Erlebnis sein, wobei es in der aktuellen Situation vielleicht genügt zu sagen, dass die Klimaanlage im Völkerkundemuseum perfekt funktioniert.
Die Ausstellung steht noch bis zum 25. Januar 2026 für Interessierte offen.