Nach der Erzdiözesanmesse der Batschkaer Schwaben: im Gespräch mit ungarndeutschen Geistlichen
„Ich halte die jährlichen deutschen Messen unserer Erzdiözese für sehr wichtige Treffen. Sie zeigen und beweisen den Ungarndeutschen, dass sie Weggefährten haben, die sie verstehen und dass sie auch mit ihrer deutschen Identität nicht allein sind. Der Mensch ist ein soziales Wesen – auch im Religiösen. Diese Treffen sind gute Gelegenheiten, Gott zu begegnen, voneinander beten zu lernen und zu sehen, dass dies auch ein Teil unseres Lebens sein kann. Andererseits sind dies Gelegenheiten, uns an die christliche Identität unserer christlichen Vorfahren zu erinnern und gemeinsam darüber nachzudenken, dass diese Identität auch für uns eine tragende Kraft sein kann”, sagt der katholische Pfarrer Matthias Schindler aus Baaja. Das Sonntagsblatt sprach aus dem Anlass der Erzdiözesanmesse im August mit zwei führenden Vertretern der ungarndeutschen Geistlichkeit über brennende Fragen der deutschsprachigen Seelsorge: neben Pfarrer Schindler mit Robert Szauter, dem Pfarrer von Nadwar/Nemesnádudvar.
Auch Pfarrer Szauter betonte im Gespräch die Bedeutung der Zusammenkunft von „Priestern und Gläubigen aus all unseren deutschen Gemeinden“ um „miteinander in Einheit verbunden die Geheimnisse der Eucharistie zu feiern”. Für viele ungarndeutsche Gläubige sei diese Erzdiözesanmesse neben der Wallfahrtsmesse in Pründl/Vodica südlich von Baaja die einzige Möglichkeit deutsch zu beten und zu singen, da die deutschsprachige Liturgie aus den meisten Gemeinden der Diözese verschwunden sei. Deshalb besitze die Messe hinsichtlich der schwäbischen Identität einen „riesigen Wert”. Pfarrer Szauter lobt dabei das Bestreben, die Messe jedes Mal woanders zu veranstalten, denn dadurch stärke man diese Gemeinden und biete Gelegenheit neue Ortschaften kennen zu lernen. Dies unterstütze auch die Wanderfahne, „die durch ein ganzes Jahr lang dort bewahrt wird und jedermann zeigen möge: Die deutschstämmigen Katholiken sind noch da und sie unterstützen einander“.
Die beiden Priester gehören gewissermaßen zu einer „Spezies“, die es woanders, in anderen Diözesen kaum noch gibt: im ungarndeutschen Milieu aufgewachsen (in Nadwar bzw. Hajosch), deutschsprachig (die Gespräche führten wir auf Deutsch) und dem deutschen Kirchenvolk verschrieben. So feiern beide Pfarrer regelmäßig deutsche Messen, Pfarrer Schindler in Baaja, Pfarrer Szauter in Nadwar – ersterer bereits seit 36 Jahren, wie er stolz berichtete.
Pfarrer Schindler könne sich glücklich schätzen, dass er in einer Stadt dient, in der „die vielleicht größte deutschsprachige Schuleinrichtung des Landes – das Ungarndeutsche Bildungszentrum – zu finden ist, wo seit Jahrzehnten vom Kindergarten bis zum Gymnasium die deutsche Identität der ungarndeutschen Schüler gepflegt wird. Was wir nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Ende der homogenen deutschsprachigen Dorfgemeinschaften und mit der mobilen, globalisierten Welt auch hier in unserer Region verloren haben, kann diese Institution in vielerlei Hinsicht wenn auch nicht ersetzen, so doch zumindest teilweise beheben.” Dabei sei es früher kein Vorteil gewesen Ungarndeutscher zu sein, wohingegen heute Stolz verbreite, zum Ungarndeutschtum zu gehören, die Sprache zu beherrschen und aktiv auch in der Kirche zu nutzen. Dennoch erlebt der erfahrene Seelsorger nach eigenen Angaben einen Rückgang bei der Nachfrage nach deutschsprachiger Seelsorge, die auch Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen beinhalte. Diese Erfahrungen decken sich mit denen von Pfarrer Szauter, der vor fünf Jahren in einem Weihnachtsinterview dem Sonntagsblatt Rede und Antwort stand (Mehr Zeit für Gott nehmen, SB 04/2019). Problematisch findet Matthias Schindler auch den Umstand, dass Priester, die deutsche Messen anböten, die Sprache nicht auf muttersprachlichem Niveau beherrschten, aber ergänzt gleichzeitig, dass deren Bereitschaft immerhin ein positives Zeichen sei.
Auf die jüngsten Volkszählungsergebnisse angesprochen, die einen deutlichen Rückgang bei den bekennenden Katholiken zeigen, mahnen beide Geistliche zur Vorsicht: „Die Zahlen lügen zwar nicht, aber sie können uns täuschen”, so Pfarrer Szauter. Einem Großteil der Menschen sei es nicht mehr wichtig zu erwähnen, welcher Religion oder Nationalität sie angehörten. Robert Szauter sieht darin in erster Linie eine starke Identitätskrise: „Bei der Frage „Wer bin ich eigentlich?“ spielt heutzutage sowohl die Nationalität als auch die Religion nur noch eine winzige Nebenrolle. Bei den früheren Generationen waren sie noch wichtige Grundelemente, worauf sie ihr ganzes Leben aufgebaut haben …aber diese Zeiten sind langsam vorbei. Dennoch: Jene Krise und Tendenz ist nur mit starkem Selbstbewusstsein und Treue zu unseren Wurzeln zu überwinden.“ Pfarrer Schindler teilt die Einschätzung seiner Bruders im Priesteramt: „Zu einer Kirchengemeinschaft zu gehören ist für den Durchschnittsmenschen von heute bei uns keine Selbstverständlichkeit mehr. Damals – auch noch im Sozialismus- war die Kirche vor allem in den Dörfern, aber vielleicht in vielen Hinsichten auch in den Städten noch für viele der wichtigste Treffpunkt und Kristallisationspunkt, der auch für die „kleinen Leute” ein Fest schuf und sie auf ein Podest erhob. Die Welt von heute – Unglück oder Gott sei Dank? – ist eine Welt des Wettbewerbs geworden und die Kirchen sind daher zu natürlichen und gleichberechtigten Akteuren in der Marktwelt dieses Wettbewerbs geworden.” Schindler kritisiert ferner, dass man in einer Welt lebe, wo es an Solidarität mangele und man die Mitmenschen nur oberflächlich wahrnehme. „Wir leben oft nur in der Welt der Profanität, die die Welt entsakralisiere – mit den Worten von Max Weber: „Wir haben die Welt „entzaubert”. Sie wurde durch eine Denk- und Lebensweise entzaubert, die meiner Meinung nach nur die Profanität voraussetzt. Viele glauben nicht mehr an den Himmel, wollen ihn aber selbst erschaffen”, mahnt der Geistliche. Aber gerade heute könnte der urchristliche Gedanke moderner und inspirierender denn je sein, weil es so nicht weitergehen könne.
Der Blick in die Zukunft gilt auch der Frage, wie lange noch deutschsprachige Seelsorge betrieben wird. Auch in dieser Frage zeigen sich die Geistlichen einhellig: „Mit all unseren Schwierigkeiten wird die Seelsorge auf Deutsch noch lange relevant bleiben – so lange wie es in Ungarn noch Menschen gibt, die sich zu einer deutschen Identität bekennen”, so Pfarrer Schindler. Pfarrer Szauter äußert sich hierzu wie folgt: „Solange es nur noch eine einzige Familie gibt, bei denen das Vaterunser täglich auf Deutsch gebetet wird, ist sowohl das Christentum als auch das Deutschtum gerettet.“ Dabei nennt er im Gespräch konkrete Beispiele: jede Woche deutschsprachiger Gottesdienst, deutsche Litanei im Mai, Rosenkranzgebet im Oktober sowie ältere Gemeindemitglieder, die auf Deutsch oder in der Mundart beichten wollen. So wird Nadwar zu den „letzten Bastionen ungarndeutscher Volksfrömmigkeit“ gehören. „Die Realität über die Zahl der Kirchgänger und über den Gebrauch der deutschen/schwäbischen Sprache im Alltag lässt uns nicht im Märchentraum. Es ist eindeutig, dass die deutsche Liturgie immer mehr in den Hintergrund geraten ist, doch als Verkünder der Botschaft unseres Herrn drängt es uns irgendwie dazu zu sagen:„Halten bis zum letzten Mann““…