Mundartinitiative aus Nadwar bereitet sich auf drittes Treffen vor / einschneidende Veränderungen beim Mundartgebrauch seit der Wendezeit
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Von Richard Guth
„Die Idee des Mundarttreffens kam von Ladislaus Leirer, er ist der Initiator unserer Veranstaltung, ein gebürtiger Nadwarer. Als er mich über seine Pläne informierte, bot ich ihm meine Hilfe an. Als Regionalbüroleiterin habe ich gute Kontakte zu anderen Regionen. Die Mundartforschung interessiert mich schon seit langem und ich verfolge die Neuerscheinungen zum Thema. Als Konzept des ersten Treffens schlug ich vor, solche Menschen und Gemeinschaften anzusprechen, die über die Mundart eine Publikation veröffentlicht haben oder eben daran arbeiten. Das Treffen sollte auch ein Forum für fachliche Themen sein. Mein Ziel war, dass die Teilnehmer voneinander neue Impulse und Ideen bekommen“, berichtet Andrea Bakonyi-Knoll, LdU-Regionalbüroleiterin für die Batschka und Mitglied des Gemeinderates und der Deutschen Selbstverwaltung (DNSVW) Nadwar/Nemesnádudvar nach dem landesweiten Mundarttreffen „Ret‘ wie tr ham“ (bereits markenrechtlich geschützt). Es hat im Winter in Nadwar zum zweiten Mal stattgefunden und wird federführend von der örtlichen Deutschen Selbstverwaltung organisiert.
„Ich hep thes „Ret‘ wie tr ham“ auskfuna (ausgedacht, Red.), trum, wal (weil) ich tenk‘, tes muss mr a pissl ufhewe (aufheben, bewahren)‘, wie unsr Altvattr und Altmottr k’ret (geredet) hat, awr jetzt is‘ schun kanz schwer, tass mir thes iwrkewe‘ (übergeben), far unsre Khinr. Mai Khinr rete thes noch und vrstehn alles, wal tie hen noch erlept, dass mai Altmottr klept (gelebt) hat, und mai‘ Altmottr hat nar so schwäwisch kret‘ tr ham, ich hep‘ a so kantwart (geantwortet), awr mai Khinr nar taitsch war (oder) ungrisch, Taitsch hen sie klent (gelernt) an tr Schul un far sie war tes aifachr (einfacher), tass sie so rete‘. Ich hep ktenkt (gedacht), dass ich thes varpring (vorbringe), pa te‘ Lait‘, tie wu es vleicht a pissl interessiert“, beschreibt Ladislaus Leirer in der Mundart, warum ihm wichtig war, diese Veranstaltung ins Leben zu rufen.
Unter den geladenen Gästen des ersten Treffens 2022 waren Verfasser von Mundartwörterbüchern aus Tschasartet/Császártöltés, Hajosch und Moor. Agathe Hárs aus Tscholnok, Organisatorin einer ähnlichen Veranstaltung, über die das Sonntagsblatt bereits berichtet hat, war auch unter den Gästen. Peter Wesz aus Feked und Peter Kremer aus Sagetal/Szakadát, die Mundart-Hörmaterialien ins Internet gestellt haben, kamen aufgrund der Vorschläge von LdU-Kollegen von Andrea Bakonyi-Knoll zum Treffen. „Neben der Werischwarer Mundart war auch die Waschkuter Mundart aus der Batschka vertreten. Beim ersten Treffen waren die Redner 25 bis 75 Jahre alt. Die Zuhörer begeisterte Peter Wesz am meisten, an ihm hörte man, dass er die Mundart jeden Tag verwendet“, freut sich Bakonyi-Knoll. Zum zweiten Treffen wurden in erster Linie die Gemeinden der „Schwäbischen Ecke“ eingeladen, also kamen die Gäste aus Hajosch, Nadwar und Tschasartet. Die Moorer folgten auch diesmal der Einladung der Organisatoren, aus Jula/Gyula meldete sich ein Ehepaar an.
Ziel des Treffens ist nach Worten der Büroleiterin, „die Mundart aufrechtzuerhalten, und andere ungarndeutsche Mundarten kennen zu lernen.“ Beim ersten Treffen wurden die Gemeinden in Mundart vorgestellt und Ladislaus (Laci) Leirer hat ein Quiz über den Weinbau zusammengestellt und erzählte in der Mundart über die Arbeiten in Weingarten und Weinkeller. Beim zweiten Treffen 2023 stand das Schweineschlachten im Mittelpunkt: „Letscht‘ Jahr hemr jo a Sau kschlacht“, so Leirer. Man wollte Interessierten eine traditionelle Tätigkeit zeigen, die langsam „kanz aussterept (ausstirbt, Red.), tes welle sie nimmi, ti sage, ti Junge‘, tass es so treckig is, ta muss mr viel ‚apwäsche‘ (abwaschen) ti Kscherr, varher und nachher, und tes is‘ nimmi so aifach, tass mr tes tr ham so macht“. Aber auch das nächste Treffen in diesem Jahr werde eifrig vorbereitet – mit dem Schwerpunkt 300 Jahre deutsche Besiedlung: Dabei berichtet Leirer von seinem Weinstand auf dem Donaufest Ulm und seinen Kontakten zu einem dortigen Verein, der Ulmer Schlachtenfahrten organisiere.
Beim Treffen hätten Menschen aus der gleichen Gemeinde Mundart miteinander gesprochen, hin und wieder habe man Hochdeutsch benutzt. Insgesamt sei es schwierig in der Mundart Gespräche zu führen, da die Mundarten nicht gleich seien, so Bakonyi-Knoll. Die Nadwarer selbst seien mit den Garaern und Waschkutern in der Lage in der Mundart zu kommunizieren, mit Hajosch gestalte sich dies schwieriger. Andrea Bakonyi-Knoll habe aber die Erfahrung gemacht, dass „die Mundart auch in anderen Gemeinden nicht mehr oft benutzt wird“. In Nadwar selbst werde die Mundart von der älteren Generation noch tagtäglich gesprochen: „Die Menschen über 85 Jahren wuchsen noch in einer fast rein deutschsprachichen Gemeinschaft auf. Sie sprechen die Mundart noch auf muttersprachlichem Niveau. Wenn sie nicht mehr da sind, werden viele Ausdrücke verschwinden. Wir müssen ehrlich zugeben, dass ein Teil der mittleren Generation zwar die Mundart noch spricht, aber nicht alle Wörter kennt. Es gibt immer weniger Familien, wo man mit den Kindern Mundart spricht. Es kann auch daran liegen, dass die Generationen nicht mehr unter einem Dach leben. Früher waren oft sogar vier Generationen in einem Haushalt, dank der Großeltern wurden die Kinder mit der Mundart konfrontiert. Alle Kinder verstanden die Mundart, aber es gab wenige, die in Mundart geantwortet haben. Seit circa zwei Jahrzehnten ist es schon anders. Früher saßen abends und sonntags die Frauenkränze, man hörte sie beim Vorbeigehen Mundart reden. Auf den Straßen sitzen heute immer weniger alte Frauen, mit denen man „teitsch“ reden kann.“ Aber auch mittwochs, auf dem Weg zum Wochenmarkt in Baaja/Baje, hörte man im Bus nach den Angaben von Andrea Bakonyi-Knoll die Mundarten von Tschasartet, Hajosch und Nadwar. Auch dies komme schon seltener vor.
Orgateam, Andrea Bakonyi-Knoll (Erste von links), Ladislaus Leirer (Fünfter von links)
Auch in der eigenen Familie beobachtete sie diese Veränderung: „Vor 25 Jahren hatte mein Sohn noch zwei weitere Freunde im Kindergarten, die nur Mundart sprachen. Meine Tochter kam vor 15 Jahren schon zweisprachig in den Kindergarten. Heutzutage gibt es kaum noch Kinder, die zu Hause Mundart hören. Es gibt trotzdem noch junge Eltern, die es für wichtig halten, die Mundart zu bewahren.“ Auch in der Großelterngeneration gibt es weiterhin Deutsche, die versuchen, mit den Enkeln Mundart zu sprechen, wie das Beispiel von Ladislaus Leirer zeigt.
Im Nadwarer Kindergarten bringe man den Kindern Sprüche und Reime bei, wodurch sie die besondere Sprachmelodie erleben – dennoch würden diese Kinder die Mundart nicht aktiv sprechen können. In der Grundschule – von der Nadwarer DSVW getragen ‑ veranstaltet man Rezitationswettbewerbe, bei denen die Schüler Mundartgeschichten vortrügen. Dies funktioniert nach Einschätzung von Bakonyi-Knoll nur solange, bis es Pädagogen gebe, die die Mundart sprechen. Auch im Volkskundeunterricht erleben die Kinder die Mundart. Dabei hätten „diejenigen, die von Anfang an zu Hause die Mundart hörten, mehr Interesse daran, ihre deutschen Sprachkenntnisse zu fördern.“ In den weiterführenden Schulen würden sich viele für Deutsch entscheiden, nicht zuletzt im Blick auf die Zukunft. Dabei entstünden interessante Situationen: „Viele von unseren Jugendlichen arbeiten in deutschsprachigen Ländern, dort können sie die Mundarten aufgrund ihrer Vorkenntnisse besser verstehen. Ich habe schon gehört, dass sie als Dolmetscher zwischen den deutschen und österreichischen Kollegen fungierten, die die jeweils andere Mundart nicht verstanden.“ Auch in der Tanzgruppe werde die Mundart noch aktiv gepflegt: „Die Mitglieder der Volkstanzgruppe kommen aus ungarndeutschen Familien, sie sind zwischen 17 und 75 Jahre alt, alle sprechen noch die Mundart. Sie verwenden die Mundart oft bei ihren Gesprächen.“
Dennoch sieht Andrea Bakonyi-Knoll die Zukunft der Mundart(en) kritisch: „Leider werden in ein paar Jahrzehnten die Mundarten fast völlig verschwinden. Es gibt zu wenig Menschen, die sie noch sprechen. Eine Mundart kann man aus Büchern nicht lernen.“ Man versuche trotzdem, die Mundartsprecher monatlich einmal zusammenzubringen und mittelfristig ein Mundartwörterbuch von Nadwar zusammenzustellen. Auch Ideengeber Ladislaus Leier freut sich, dass Sara Schauer mit dieser wichtigen Arbeit begonnen hat.