Ein Franke lernt Polka

Unser Alltag aus Sicht eines Deutschen –  Pörschke-Trilogie nach „Heimatlos“ und „Lissi“ nun vollendet

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Eine Filmbewertung von Martin Szanyi

„Ich wünsche, dass wir durch ihn erkennen, wo wir uns stärken müssen um im übertragenen Sinne richtig, temperamentvoll und authentisch Polka tanzen zu können“, so Ibolya Hock-Englender, Vorsitzende der LdU, in ihrer Eröffnungsrede. Die Uraufführung des Dokumentarfilms von Udo Pörschke und Jorin Gundler Ein Franke lernt Polka fand am 30. Oktober in Fünfkirchen statt. Für die anwesenden 200 Zuschauer war die Filmvorführung dank der Unterstützung der Stadt Fünfkirchen, der LdU und des Lenau-Vereins kostenlos.

Der Hauptdarsteller und Regisseur des Films Udo Pörschke aus Bamberg verbrachte einge Jahren in der Schwäbischen Türkei. Der Grund war dafür, dass seine Frau sechs Jahre lang in Bonnhard als Gastlehrerin tätig war, und so kam er auch nach Ungarn mit. In dieser Zeit hat er sich dazu entschlossen, das ungarndeutsche Fluidum in einem Dokumentarfilm zu verewigen. Die Dreharbeiten fanden zwischen 2017 und 2019 statt, wobei 300 Stunden Filmmaterial aufgenommen wurden. Nach fünf Jahren und mehreren tausend Stunden Arbeit hat das Filmteam einen eineinhalbstündigen Film produziert. Die Doku Ein Franke lernt Polka ist eigentlich das Endstück einer Trilogie, die Folge von Heimatlos mit dem Thema Vertreibung und von Lissi, in dem eine ältere Dame in Bonnhard begleitet wird.

Im Film taucht der naive Herr Pörschke in den Alltag der Ungarndeutschen ein, indem er verschiedene Ungarndeutsche trifft und sich mit ihnen unterhält. Mit dem evangelischen Pfarrer deutscher Muttersprache oder mit dem Blaufärber, dessen Beruf nur noch fünf Handwerker in Ungarn ausüben. Herr Pörschke verbringt auch einige Zeit mit solchen Familien, die ihre ursprüngliche Mundart bewahrt haben oder in denen Hochdeutsch gesprochen wird. Es kommen einige Vertreter des ungarndeutschen Kulturlebens vor, wie die Deutsche Bühne, „Unser Bildschirm“ oder „Treffpunkt am Vormittag“. Auch Politiker kommen im Film zu Wort: Emmerich Ritter, Parlamentsabgeordneter der Ungarndeutschen, Árpád Pótápi, Staatssekretär für Nationalpolitik, und Ibolya Hock-Englender, Vorsitzende der LdU. Der Franke trifft auch Kinder und Jugendliche des Valeria-Koch-Schulzentrums in Fünfkirchen und der Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher (GJU).

Während die Kameraführung bei den Politikern statisch ist, sind die langen Schnitte von den anderen Personen ständig in Bewegung. Neben diesen handkameraähnlichen Aufnahmen versuchen Straßenlärm und Geräusche der Umgebung den Zuschauer in das alltägliche, ungarndeutsch gefärbte Milieu hineinzuziehen. Die manchmal leise eingespielte Gitarre- oder Klaviermusik gemischt mit traditioneller Schrammelmusik ruft Emotionen und Nostalgie hervor oder wirkt einfach nur klischeehaft.

Der Film behandelt vor allem Themen, die für die Ungarndeutschtum relevant sind. Die Problematik der zweisprachigen Erziehung, wo das ungarische Umfeld die Konsequenz der Eltern auf die Probe stellt. Geht es ohne Dialekt oder eben ohne die deutsche Sprache? Was ist die materielle und immaterielle Kultur der Ungarndeutschen? Besteht sie nur aus Singen, Tanzen oder vielleicht auch aus Kochen? Besteht die Zukunft der Ungarndeutschen nur in der Bewahrung des Erbes? Obwohl der Film diese Fragen aufwirft, kratzt er nur an der Oberfläche und stellt die darauf erhaltenen Antworten nicht in Frage. Man muss aber zugeben, dass die Fragen von einem Außenseiter gestellt wurden und daher die Monoperspektive verständlich ist.

Die Lücken zwischen den Fragestellungen sind mit klassischen Themen gefüllt: magyarisierte Namen, Vertreibung, das schwäbische Haus, Blasmusik und Polka, das Teiggebäck Schneeball, Messe. Für einen aus Deutschland sicherlich interessant. Aber von der ungarndeutschen Fußballmannschaft und der Europameisterschaft der Minderheiten (Europeada) habe ich auch noch nie gehört.

Und was die Angesprochenen über die ungarndeutsche Zukunft denken, bleibt offen. Die Ungarndeutschen werden genauso überleben, wie die Schotten oder die Iren ohne ihre ehemalige Sprache. Kultur wird sich in Veranstaltungen erschöpfen. Die Kulturschaffenden bleiben eine Minderheit in der Minderheit.

Von dem Film hätte ich mir mehr Kritik und weniger Quantität erwartet. Der externe Beobachter bietet jedoch eine reale Grundlage zum Nachdenken und Diskutieren, was abschließend positiv zu bewerten ist.

„Die Tradition muss nicht gepfelgt werden, sie ist nicht krank. Sie muss nicht bewahrt werden, denn sie ist kein Gefangener. Unsere Traditionen können nur bewahrt werden, wenn wir sie leben!“, so einst Ferenc Sebő.

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Weitere Stationen der Tourneé:

  1. November, 17.00; Bonnhard/Bonyhád, Kulturhaus (Széchenyi tér 2.)
  2. November, 16.00; Badesek/Bátaszék, Deutsches Haus (Kossuth u. 3.)
  3. November, 16.00; Schaumar/Solymár, Kulturhaus (Kirchplatz/Templom tér 25.)
  4. November, 17.00; Tarian/Tarján, Kulturhaus (Rákóczi u. 39.)

7. November, 16.00; Ujfluch/Szigetújfalu, Kulturhaus/Bibliothek (Bahngasse/Vasút u. 24.)

  1. November, 18.00; Sexard/Szekszárd, Otto-Heinek-Haus (Hrabovszky u. 10.)
  2. November, 17.00; Hajosch/Hajós, Grundschule (Jókai u. 4.)

Beitragsbild: https://www.autorenkreis-wuerzburg.de/mitglieder/udo-poerschke/

 

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