- Internationales Deutschsprachiges Theaterfestival in Esseg
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Zum 22. Mal fand zwischen dem 23. und 25. Juni 2023 das Internationale Theaterfestival in Kroatien statt, finanziert wurde es vom Rat für nationale Minderheiten in Kroatien. Neben den Kroaten kamen Gäste aus den Nachbarländern Serbien, Ungarn sowie aus Rumänien, Polen und einer Schule aus Kasachstan. Über diese Veranstaltung führte Ibolya Lengyel-Rauh Interviews, zuerst mit einer der Veranstalterinnen, Hanna Klein, von der Deutschen Landsmannschaft der Donauschwaben in Kroatien, und danach mit Suse-Annette Hasenfus von der Tiedischer Selbstverwaltung, die die Schulkinder aus Deutschbohl/Bóly begleitete. Dank dieser Initiative von Suse-Annette Hasenfus konnten die Bohler Kinder an den Theaterspielen teilnehmen.
SB: Warum wird das Fest genau in Esseg/Osijek veranstaltet? Welche Verbindung hat die Stadt zum Deutschtum?
HK: Die Stadt Esseg kann auf eine reiche Geschichte zurückblicken. Schon vor den Römern war die Stadt besiedelt. Die Stadt wuchs zu einem bedeutenden Handelszentrum heran, dann wurde sie von den Türken erobert. Im 18. Jahrhundert siedelten sich Deutsche neben anderen Nationalitäten in der Stadt an. In der Zeit der Monarchie lebten hier verschiedene Nationalitäten, neben Kroaten und Ungarn gab es deutschsprachige Minderheiten. 1992 wurde die Deutsche Gemeinschaft gegründet, die dann nach Esseg umgesiedelt wurde. Die Stadt ist das Zentrum der deutschen Minderheiten in Kroatien, da die größte Konzentration der deutschen Minderheiten heutzutage hier vorzufinden ist. Hier wird die deutsche Sprache am umfangreichsten innerhalb von Kroatien vermittelt. Es gibt in Esseg einen deutschen Kindergarten, der auch seit 15 Jahren an den Theaterspielen teilnimmt. Wir haben keine Minderheitenschule, aber eine Grundschule mit dem Modul „C”, in der die Kinder Deutsch als Minderheitssprache zu anderen Fremdsprachen zusätzlich lernen. Die Deutsche Gemeinschaft, also unser Verein, ist der größte in Kroatien und wir veranstalten die meisten deutschbezogenen Programme im Land.
SB: Wie waren die jetzigen Theaterspiele? Wie viele Länder und Schulen haben sich dort präsentiert? Welche Altersgruppen durften an der Veranstaltung teilnehmen?
HK: Die Altersgruppe war komplett egal, von Kleinkindern (ab 3 Jahren) bis zu Erwachsenen hatten wir Teilnehmer unterschiedlichen Alters. Die einzige Voraussetzung war, dass sie keine professionellen Schauspieler sein durften und das Theaterstück auf Deutsch geschrieben sein sollte. Es war kein Wettbewerb, es gab auch keine Jury. Das war ein Festival. Insgesamt 21 Schulen bis zu den Gymnasialklassen hinauf präsentierten ihr Theaterstück auf der Bühne. Angereist waren die meisten aus Kroatien und Serbien. Aber es gab zwei Schulen aus Ungarn, eine Schule aus Rumänien, aus Temeswar, aus Polen und sogar Kasachstan nahm an der Veranstaltung auch teil.
SB: Wow, aus Kasachstan? Wie hat die dortige Schule von den Internationalen Theaterspielen erfahren?
HK: Zahlreiche Institutionen und Schulen für die deutschen Minderheiten in Europa erhielten die Einladung des Gastgebers. Sie mussten nur die Fahrtkosten tragen, die Verpflegung übernahmen wir selbst.
SB: Welche Themen wurden in den Vorführungen aufgegriffen?
HK: Die Themen mussten nicht minderheitenbezogen sein. Es hat mich sehr erfreut, selbstgeschriebene Theaterstücke auf der Bühne zu sehen, da die Jugendlichen dadurch die deutsche Sprache selber benutzen und kreativ sein müssen. Es gab Adaptionen von bekannten Theaterstücken wie vom „Faust”, “Gebrüder Grimm”, “Rotkäppchen”, “Der zerbrochene Krug” von Kleist, “Rock me Amadeus” von Falco. Die Grundidee des Theaterstückes war da, aber die Jugendlichen haben sich das ein bisschen anders – auf ihre Weise -, gestaltet oder sie haben selbst ein Stück geschrieben.
SB: Was für ein Ziel verfolgt das Festival?
HK: Vordergründiges Ziel war es, dass die jungen Leute Deutsch außerhalb der Schule benutzen. Wir haben gemerkt, dass die Jugendlichen auf der Bühne ein bisschen freier sprechen, sich entfalten und Theaterstücke für sich schreiben. Und das möchten wir fördern. Das ist auch eine Motivation für sie und fördert zusätzlich die Kreativität. Außerdem haben wir schon einige Schülerinnen und Schüler, die an den Theaterspielen bereits teilgenommen und später Schauspielerei studiert haben. Oder jetzt haben wir einen Schüler, der selber ein Theaterstück für unsere Spiele geschrieben hat und dann gemerkt hat, dass er Talent dazu hat und den Weg, Regisseur zu werden, für sich eingeschlagen hat. Also, es ist schön, den Schub zu geben und durch unsere Veranstaltung den Teilnehmern Möglichkeiten darzubieten.
Außerdem wollen wir den Jugendlichen eine Möglichkeit bieten, sich mit anderen Schülern zu treffen. Die Veranstaltung soll kein Wettbewerb sein, sondern nur ein Festival, wo die Teilnehmer sich austauschen und sich immer wieder sehen. Wir legen großen Wert darauf, dass die Teilnehmer während der Veranstaltung Deutsch untereinander sprechen. Wir sind bemüht, dass die Jugendlichen von den Hemmungen beim Sprachgebrauch wegkommen.
SB: Das Zusammentreffen der Jugendlichen mit deutscher Abstammung ist von großer Bedeutung. Gibt es – außer dem nächsten Theaterspiel 2024 wieder hier – noch ähnliche Veranstaltungen in dieser Region oder ist das eher auf die lokale Ebene beschränkt?
HK: Auf der internationalen Ebene gibt es nur diese Theaterspiele. Die weiteren Programme sind eher auf die Kroatiendeutschen beschränkt. Im Oktober haben wir ein großes Projekt, den deutschen Kulturmonat. Dann kommt Ildikó Frank zu uns und macht Theaterworkshops. Jeden Samstag in diesem Monat machen wir verschiedene Workshops, zum Beispiel einen Fotomarathon, Videoworkshops und Sprachworkshops für die Mundarten. Das zweite große Projekt ist eher für die Erwachsenen: eine wissenschaftliche Tagung. Das ist zwar auf Kroatisch, aber hat einen deutschen Bezug zu unserer Region, Kultur und Wissenschaft, Wirtschaft etc. Die Beiträge werden in einem Jahrbuch veröffentlicht. Wir versuchen alle Altersgruppen anzusprechen.
SB: Vielen Dank für das Interview und ich wünsche Ihnen weiter viel Erfolg für die kommenden Veranstaltungen.
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SB: Liebe Suse, erzähl uns bitte von diesem Theaterfestival. Wie bist du darauf aufmerksam geworden?
SAH: Es war ein reiner Zufall: Hanna und ich kennen uns schon lange und von ihr habe ich von der Veranstaltung erfahren. Dann suchte ich die Lehrerin in der Nationalitätenschule in Bohl (Komitat Branau) auf. Ich unterbreitete ihr meinen Vorschlag, am Theaterfestival in Esseg teilzunehmen, denn ich wusste, dass sie bereits ein Theaterstück in der „Tasche” hatte. Ihre 6. Klasse hatte dieses Stück schon bei den Theaterspielen in Schomberg/Somberek aufgeführt. Die Lehrerin entwarf und schrieb gemeinsam mit den Kindern dieses Stück im Heimatkundeunterricht, dabei hatte sie Unterstützung von der Deutschen Tabea Regending, die ihr Freiwilliges Jahr an der Bohler Schule absolvierte.
SB: Welches Stück haben die Branauer Kinder vorgetragen?
SAH: Die „Lustigen Bohler” erzählt über das Leben im Dorf „Bohl”. Es gab Tratschereien und geschwätzige Weiber im Spiel. Das Grundthema war ein Schwank, eine Wette zwischen den Männern am Stammtisch, wessen Frau am geschwätzigsten sei. Das Thema war sehr lustig. Ein Mann soll in der Nacht ein Hühnerei gelegt haben, das erzählte er seiner Frau und verbot ihr es weiterzuerzählen. Sie konnte es aber nicht für sich behalten und sagte es der Nachbarin und so wurde die Geschichte von Frau zu Frau weitererzählt.
Am Ende hieß es, der Mann habe 100 Eier gelegt, 45 sind weiblich, 40 männlich und die anderen sind tot. Es gab lustige Lieder dabei und zum Schluss wurde getanzt. Das Theaterstück wurde in schönen Trachtenkleidern aufgeführt. Der wohlverdiente Applaus belohnte die Kinder am Ende der Vorführung. Insgesamt haben 23 Kinder das lustige Bohler Leben auf der Bühne gespielt.
SB: Es gab noch eine andere ungarische bzw. ungarndeutsche Gruppe aus Werischwar/Pilisvörösvár. Kannst du auch von ihrem Spiel erzählen?
SAH: Das Friedrich-Schiller-Gymnasium aus Werischwar führte das Stück auf. Vor 22 Jahren wurde die Theatergruppe PaThalia in Werischwar gegründet, sie besteht aus einer „Senior”-Gruppe und einer „Junior”-Gruppe. Diesmal nahm die Junior-Gruppe mit sechs Mitgliedern an den Theaterspielen teil. Das Stück, geschrieben von Andreas Galk, hieß „Schuld“. Das Thema wurde von den Schülerinnen und Schülern authentisch und lebensnah gespielt, dadurch war es sehr ergreifend. Es geht um vier Mädchen (zwei Kriminelle, eine Mitläuferin und eine Türkin), die in der Schule nachsitzen müssen. Ausgrenzung, Gewalt und Mobbing unter den Jugendlichen wurden auf der Bühne dargestellt. Es gab ein trauriges Ende, denn das türkische Mädchen nahm sich selbst das Leben. Die Jugendlichen ließen uns Zuschauer die Aggressivität, die innere Zerrissenheit und die Schuldgefühle der Mitschüler hautnah erleben. Das Stück endete mit dem Satz direkt an das Publikum gerichtet: „Auch ihr seid schuld!” Schockiert, tief berührt und nachdenklich ließen sie die Zuschauer zurück. Der Satz dröhnte noch lange in meinen Ohren.
SB: Uhhh, ein hartes Thema und sogar sehr treffend heutzutage… Darüber konnten sich die Jugendlichen bestimmt auch austauschen. Welche Möglichkeiten ergaben sich dafür?
SAH: Ja, sicherlich. Die Veranstaltung dauerte 2,5 Tage. Vormittags gab es jeweils am Samstag und Sonntag Theaterworkshops, hier trafen sich die Jugendlichen und konnten einander kennen lernen. Auch beim Abschiedsfest redeten die jungen „Schauspieler” miteinander und verabredeten sich zum Wiedersehen nächstes Jahr. Auch die Bohler Grundschule möchte gern wieder mitmachen. Es war für alle eine besondere Begegnung mit der deutschen Sprache, dafür bedanken wir uns alle ganz herzlich bei den Veranstaltern: Hanna und ihrem Team!
SB: Vielen Dank für das Interview und deinen Bericht über dieses deutsche Theaterereignis. Hoffentlich hören wir nächstes Jahr auch von euch über die Spiele.