Harte Realität – Nationalitätenpolitik in turbulenten Zeiten

Von Richard Guth/Patrik Schwarcz-Kiefer

Die Wirtschaftskrise, die nicht nur Ungarn, sondern die ganze Welt bedroht, nimmt ihre ersten Opfer. Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion in Ungarn stehen im Moment die schwache Nationalwährung Forint, die Änderung der Besteuerung von Kleingewerbetreibenden (ung. kata) und die Änderungen bei der Deckelung der Nebenkosten. Diese alle beeinflussen auch unsere kleine Nationalitätenwelt. Aber auf welche Weise? Darum wird es in unserer Artikelreihe gehen. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit der Nationalitätenförderung, die sich im Zangengriff von sinkenden Fördersummen, dem Wertverlust der Forint und steigender Inflation befindet.

Schwache Forint, sinkendes Volumen der Nationalitätenförderung – Haushalt für 2023 vom Parlament gebilligt
Die Förderung des Gemeinschaftslebens der ungarländischen Minderheiten entwickelte sich in den letzten Jahren in eine positive Richtung, jedenfalls was die finanzielle Seite betrifft. Es ist keine Überraschung, da die Existenz der ungarländischen Nationalitäten fast ausschließlich von dieser in dem vom ungarischen Parlament abgesegneten Budget verankerten Unterstützung abhängt. Deren Volumen erfährt im Etat für 2023 nach Jahren stetigen Wachstums einen deutlichen Dämpfer: Ohne weitere Beratungen mit den Betroffenen wurden für die Nationalitäten im Haushalt 2023 499,9 Millionen Forint weniger eingeplant. Dies monierte Ende Juni auch der deutsche Abgeordnete Emmerich Ritter und sprach sein Unverständnis aus, denn die Aufgaben müssten weiterhin erledigt werden. Er zitierte den deutschen Geistesgrößen Johann Wolfgang Goethe: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein; sie muss zur Anerkennung führen“.

Wenn man die Höhe der staatlichen Unterstützung in den letzten fünf Jahren betrachtet, kann festgestellt werden, dass sie sich jedes Jahr zwischen 10-14 Milliarden Forint bewegt. Einige Posten wie zum Beispiel die Förderung der Nationalitätenselbstverwaltungen blieben in den letzten Jahren hinsichtlich Volumen fast unverändert, während die für die NEMZ-Einzelbewerbungen relevanten Quellen einmal erhöht wurden. Den größten Schwankungen ist die Förderung der Institutionen ausgesetzt – hier ist die Höhe der Zuwendungen jedes Jahr anders.

Aber auch eine gleichbleibende Unterstützung bedeutet in Zeiten der Geldentwertung einen spürbaren Wertverlust – hier bietet der Euro-Kurs belastbare Hinweise, gerade im Falle eines Landes mit einer hohen Importquote und engen Wirtschaftsbeziehungen zum EU-Raum (fast Dreiviertel der Einfuhr stammte aus dem Euro-Raum): 2020 lag die Förderung aller Nationalitätenselbstverwaltungen bei (damals umgerechnet) 6 620 000 Euro (bei einem 334,29 Forint je Euro), im Budget 2023 mit dem aktuellen Forint-Euro-Kurs (401,59, 21. Juli) gerechnet beträgt sie bei nur noch 5 510 595 Euro (die Kürzung von einer halben Milliarde Forint, also ca. 1,2 Millionen Euro, noch nicht berücksichtigt). Dies bei einem Entfall der Preisdeckelung bei den Nebenkosten für die Selbstverwartungen, was auch bei den Nationalitätenselbstverwaltungen zu einer deutlichen Kostensteigerung führen wird. Aber dazu im nächsten Teil der Artikelreihe mehr. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Wertverlust der Forint ganz unterschiedliche Effekte auf wirtschaftliche Prozesse hat.

Die Fördersummen bei den NEMZ-Einzelbewerbungen zeigen ein anderes Bild, da seit 2018 das Rahmenbudget erhöht wurde. Das bedeutet aber nicht, dass auch diese wichtige Form der Förderung von dem Wertverlust verschont bleibt – auch hier liefert der Euro-Kurs Vergleichsmöglichkeiten: 2020 standen demnach 17,618 Millionen Euro zur Verfügung, im Jahre 2023 werden es nur 14,665 Millionen sein, Stand 21. Juli.

Wir sehen, welche Entwicklungen eine sich schwächelnde Währung mit sich bringt, die Inflation (angetrieben unter anderen durch Preissteigerungen bei Importwaren), gegenwärtig 12 Prozent, noch nicht einmal berücksichtigt. So wird die Nationalitätenförderung zu einem der ersten Opfer einer sich anbahnenden Wirtschaftskrise.

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