Der Mitläufer/Mitfahrer (A társutas)

Laufbahn von Emmerich Ritter, dem Abgeordneten der deutschen Minderheit in Ungarn

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Ein Bericht von Zsuzsanna Takács. Der Beitrag ist am 9. Juni 2021 in der regierungskritischen Zeitschrift für Politik und Gesellschaft „Magyar Narancs“ erschienen. Veröffentlichung in deutscher Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Chefredakteur Endre B. Bojtár.

In den vergangenen drei Jahren hat Emmerich Ritters Stimme der Regierung mehrfach ausgeholfen, falls die Fidesz keine Zweidrittelmehrheit im Parlament gehabt hätte. Nach seinem eigenen Credo wird der Abgeordnete der deutschen Minderheit alle Vorhaben der amtierenden Regierung unterstützen, solange sie die Nationalitätenfrage gut behandelt.

Vertreter nationaler Minderheiten konnten (hätten) bei den Wahlen 2014 erstmals mit einem Vorzugsmandat in das ungarische Parlament gewählt werden (können). Gemäß der Änderung des Wahlgesetzes von 2011 können die 13 Minderheitenselbstverwaltungen jeweils eine Liste aufstellen, auf der nur Wähler, die sich als Minderheitenangehörige registrieren lassen, wählen dürfen, im Gegenzug für den Verzicht auf das Wahlrecht für die Parteiliste. Diejenigen Nationalitäten, die keinen Sitz gewinnen, können einen Vertreter, einen Fürsprecher ins Parlament entsenden (derzeit haben ohnehin nicht alle Nationalitäten eine Chance, einen Abgeordneten ins Parlament zu schicken).

„Der Fehler des neuen Systems besteht darin, dass, obwohl es sehr bevorzugend zu sein scheint – da es reicht, ein Viertel der Stimmenzahl zu erreichen, die im Parteilistensystem ein Mandat wert ist – die Minderheiten mit einer geringen Mitgliederzahl, selbst wenn sie alle ihre Mitglieder mobilisieren könnten, nicht genug wären, um eine Chance zu haben, einen Vertreter zu entsenden“, betont Péter Kállai, Hochschuloberassistent an der ELTE, Fakultät für Sozialwissenschaften. Laut Regelung haben höchstens die 316.000 Roma, 186.000 Deutschen, 36.000 Rumänen und 27.000 Kroaten eine Chance auf einen Abgeordnetensitz (das ist die Zahl der Menschen, die sich bei der Volkszählung 2011 als Nationalitätenangehörige auf diesen Listen registrieren ließen). So wurde Emmerich Ritter, der Vorsitzende der Listenführer der Liste der deutschen Minderheit, zum vollberechtigten Abgeordneten gewählt.

Das System wurde von vielen kritisiert, bereits, als es eingeführt wurde, weil es nicht allen Nationalitäten die gleichen Chancen einräumte, jedoch wurde 2018 klar, dass es der Regierung effektiv eine zusätzliche Stimme brachte. Und das nicht nur, weil Ritter ein bekennender christlich-konservativer und ein ehemaliges Fidesz-Mitglied ist. „Die Minderheiten”, sagt Péter Kállai, „waren schon immer der Regierung und deren Willen ausgesetzt, bereits vor 2010, aber seither vielleicht noch mehr. Grundsätzlich scheint es gut zu sein, dass es zumindest Fürsprecher im Parlament und einen Vertreter für die Deutschen gibt, aber es ist schwer vorstellbar, dass die Regierung darauf keinen Einfluss nehmen kann, auch nicht informell. In der Roma-Gemeinde zum Beispiel meldeten sie die Mitglieder zunächst reihum als Nationalität an und begannen dann, sie wieder abzumelden. Dass dies ohne regierungsnahe Roma-Politiker geschehen wäre, ist schwer vorstellbar. Bei der deutschen Minderheit hingegen scheint die Mobilisierung erfolgreich gewesen zu sein, es gab eine Kampagne, die viele Menschen dazu gebracht hat, sich zu registrieren und zu wählen, was an sich positiv zu werten ist, aber sicher ist, dass dies die Regierung nicht traurig gestimmt hat.”

Futsal und ungarndeutsche Wurzeln

Das Ziel des Programms „Steh’ dazu!” der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU), die Emmerich Ritter als Listenführer ins Parlament schickte, ist grundsätzlich die kulturelle Autonomie: der Gebrauch und die Pflege der Muttersprache, die Stärkung der Identität, die Weitergabe der deutschen Sprache und Kultur, die Bewahrung der Traditionen und die Entwicklung eines effektiven organisatorischen Ragmens und institutionellen Systems dafür. Die Minderheitenselbstverwaltung betreibt daher – in Übereinstimmung mit den weitgehend vom ehemaligen Vorsitzenden Otto Heinek festgelegten Prinzipien – offiziell keine Parteipolitik.

Ritter stammt aus einer ungarndeutschen Familie in Wudersch, und obwohl er sagt, er habe früher nicht sehr gut Deutsch gesprochen, sprechen er und seine zweite Frau – ebenfalls ungarndeutscher Herkunft – zu Hause mit ihren Kindern deutsch. Der gelernte Volkswirt und angewandte Mathematiker war vor der Wende Betriebswirt und später stellvertretender Generaldirektor bei der BKV (Budapester Verkehrsgesellschaft), nach 1990 machte er sich mit einer eigenen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsfirma selbstständig. Diese Tätigkeit ruht seit seinem Amtsantritt, aber laut seiner Vermögenserklärung 2020 hat er kleine und große Beteiligungen an insgesamt sieben Unternehmen in unterschiedlichsten Geschäftsfeldern, von denen die meisten mit seiner Familie verbunden sind.

Er ist in der Gemeinde Wudersch sehr aktiv; langjährige Bekannte beschreiben ihn als angenehme Gesellschaft, aber wegen seines politischen Engagements als eine umstrittene Figur. Er war Gründungsmitglied einer der ersten ungarischen Hallenfußball- oder Futsal-Mannschaften, der lokalen Aramis SE, deren Trainer er auch war, wie der Trainer der ungarischen Futsal-Nationalmannschaft. Die Ungarische Sport-Enzyklopädie des Kossuth-Verlags bezeichnet ihn als „Vater des Hallenfußballs in Ungarn”.

Obwohl davon berichtet wird, dass ihm die deutschen Wurzeln in seiner Jugend nicht wichtig gewesen wären, hat er sich in den 1990er Jahren zu der deutschen und religiösen Identität bekannt. Er begann seine politische Karriere in der Minderheitenselbstverwaltung von Wudersch und war ab 1994 als Minderheitenabgeordneter Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. 2002 kandidierte er parteilos für das Amt des Bürgermeisters – erfolglos -, 2006 wurde er als Abgeordneter von Fidesz-KDNP gewählt, und 2010 war er auch Fidesz-Kandidat für das Amt des Bürgermeisters der Stadt, auch diese Bewerbung blieb erfolglos. Er zog 2014 erstmals als Nationalitätenfürsprecher ins Parlament ein, nachdem der damalige Listenführer Otto Heinek es vorzog, den Vorsitz der LdU zu behalten und stattdessen Ritter ins Ungarische Parlament zu schicken.

Immer auf der Seite der amtierenden Regierung

Bei den Wahlen 2018 hatte die LdU starke Ambitionen, einen Abgeordneten ins Parlament zu entsenden. Als die Vollversammlung der LdU im Herbst 2017 beschloss, dass Ritter Listenführer werden soll, begründete der damalige Vorsitzende Otto Heinek Ritters Nominierung damit, dass er in der vorangegangenen Legislaturperiode „einen effektiven und guten Job” als Parlamentsfürsprecher der Ungarndeutschen gemacht habe. In der LdU herrschte damals Konsens darüber, wie sein Abstimmungsverhalten als Abgeordneter aussehen würde. Bei Tagesordnungspunkten, die als nationalitätenpolitisch deklariert sind und vom Nationalitätenausschuss behandelt werden, stimmt er entsprechend der Position des Gremiums ab; bei Tagesordnungspunkten, die nicht als nationalitätenpolitisch deklariert sind (und daher nicht vom Nationalitätenausschuss behandelt werden können), bei denen sich aber herausstellt, dass sie doch einen Nationalitätenbezug haben, konsultiert er den Ausschuss, nach Möglichkeit informell. Schließlich gibt es für jene Agenden, die nicht direkt Fragen der Nationalitäten betreffen, dort würde er „in Übereinstimmung mit der Position der jeweiligen Regierung, unabhängig davon, um was für eine Regierung es sich handelt, vorausgesetzt, dass diese Regierung generell eine Nationalitätenpolitik verfolgt, die für die in Ungarn lebenden Nationalitäten angemessen ist”, seine Stimme abgeben. Ritter zählte dann auch auf, mit wem er sich aus den verschiedenen Parteien darauf verständigt hatte, darunter finden sich Zoltán Balog (ehem. Minister, gegenwärtig Bischof der Reformierten Kirche Ungarns, Red.), Miklós Soltész (Staatssekretär für Nationalitätenfragen, Red.), Gergely Gulyás (Kanzleramtsminister, Red.), Zsolt Semjén (stellvertretender Minister, Red.), László Kövér (Parlamentspräsident, Red.), János Hargitai (Abgeordneter aus der Branau, Red.), Gábor Kubatov (stellvertretender Parteivorsitzender, Red.), alle Fidesz-KDNP, Gábor Staudt, János Volner, István Szávay (damals Jobbik-Abgeordnete, Red.), István Ikotity (LMP) und „mehrere aus der MSZP”.

Damals war noch nicht abzusehen, wozu das später führen würde”, betont Koloman Brenner, der selbst Angehöriger der ungarndeutschen Minderheit ist und bis Herbst 2017 Mitglied der LdU-Vollversammlung war. Damals verließ er die Nationalitätenselbsverwaltung, weil er als Jobbik-Kandidat antrat. „Als Emmerich Ritter 2017 zum ersten Mal zum Listenführer gewählt wurde”, erinnert sich Brenner, „gab es einige Kontroversen darüber, vor allem wegen seiner Sprachkenntnisse, was von mehreren Mitgliedern der Versammlung angesprochen wurde. Aber die Abstimmungsstrategie war ein Thema, das damals niemand durchdachte, alle waren sehr glücklich darüber, dass wir einen Abgeordneten in das Parlament schicken konnten. Das war damals in Ordnung, aber seither sind drei Jahre vergangen und Emmerich Ritter hat politische Bekundungen gemacht. Wir können nicht mehr, wie früher, mit der amtierenden Regierung stimmen, wir wünschen uns, dass er als Vertreter der deutschen Nationalität in Ungarn für das demokratische System eintritt.”

Auch wenn die deutsche Bevölkerung in Ungarn in ihrer Grundeinstellung tendenziell konservativ sei, so Brenner, habe sich die LdU bisher nicht an der Parteipolitik beteiligt. Heute jedoch, so glaubt er, betreiben einige Organisationen der deutschen Gemeinschaft in Ungarn FIDESZ-Propaganda, und es kam nach seinen Angaben auch vor, dass die Fidelitas (Jugendorganisation der Fidesz) eine Sitzung im Heimatmuseum in Wudersch abhielt.

Immer mehr Menschen kritisieren Ritters Abstimmungsverhalten. „Was ich vom offiziellen Vertreter der deutschen Gemeinschaft in Ungarn erwarten würde”, sagt Koloman Brenner, „ist, dass, wenn es einen Tagesordnungspunkt oder einen Vorschlag gibt, der in der ungarischen Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, die ungarndeutsche Gemeinschaft sich daran nicht beteiligt. Er sollte nicht für Dinge wie das Notstands- oder das so genannte Sklavengesetz (Überstundengesetz) stimmen. So wie ich es verstehe, hat er kein politisches Mandat dazu. In der politischen Strategie der Deutschen in Ungarn haben wir deutlich gemacht, dass wir als ungarländische Nationalität, die sich zur EU und zu Deutschland bekennt, den Werten der bürgerlichen Demokratie verpflichtet sind. Ich sehe, dass Herr Ritter entgegen diesem Grundsatz seine Stimme abgibt, und das fällt mir persönlich sehr schwer, denn ich habe 22 Jahre lang für einen Minderheitenvertreter mit Stimmrecht im Parlament gekämpft. Es ist eine bedauerliche Tatsache, dass Emmerich Ritter, ein Abgeordneter der ungarndeutschen Minderheit, innerhalb der deutschen Gemeinschaft in Ungarn und für die breite Öffentlichkeit zum Wächter der Zweidrittelmehrheit der Fidesz geworden ist.”

2019 kam es im Zusammenhang mit der geplanten Abtrennung des MTA (Ungarische Akademie der Wissenschaften)-Forschungsnetzwerks auch in der LdU-Vollversammlung zu einer Debatte über Ritters Abstimmungsverhalten, nachdem die Landesselbstverwaltung mehrere Signale erhalten hatte. In der Debatte wurde auch erwähnt, dass „die ungarische Regierung seit neun Jahren ziemlich konsequent jede Autonomie abbaut”, und es daher im grundsätzlichen Interesse der Landesselbstverwaltung wäre, für den Erhalt jeglicher Autonomie einzutreten. Ritter argumentierte daraufhin, dass die Abstimmungsstrategie zuvor im Konsens vereinbart worden sei; dass das MTA-Gesetz keine nationalitätenpolitische Frage sei; und dass er keinen vorherigen Hinweis erhalten habe, dass er nicht für den Vorschlag stimmen solle. Wie er damals sagte: „Ich habe den Gesetzesentwurf nicht einmal gelesen, ich habe ihn nicht einmal angeschaut. Er hatte keinerlei Bezug zur Nationalität”.

In der Sitzung wurde auch angesprochen, dass es öfters Konsultation mit dem LdU-Kabinett geben sollte, obwohl dies nicht unbedingt in den AGB geregelt ist. Allerdings, so Koloman Brenner, „wäre es in einer gut funktionierenden bürgerlichen Demokratie normal, dass, wenn es eine Entsende-Organisation gibt, ihre politische Strategie die politische Aktivität bestimmen sollte, daher finde ich es schwer zu akzeptieren, dass Ritter in einer Weise abstimmt, die der von der Vollversammlung genehmigten Strategie widerspricht”.

Der Abgeordnete der Jobbik fügte hinzu: Letzte Woche hatten sie ein Treffen mit dem Abgeordneten der Ungarndeutschen, und auch dieses Thema wurde angesprochen. „Als angesprochen wurde, dass er sich vor der Abstimmung nicht mit den Spitzengremien der Landesselbstverwaltung abstimmen würde, gab Ritter zu verstehen, dass es für ihn technisch unmöglich sei, sich auf ein Abstimmungsverhalten zu einigen. Für mich ist das inakzeptabel, weil ich an eine demokratische Führung glaube, und da der Listensteller nicht Ritter selbst ist, sondern die Landesselbstverwaltung, sollte auch die LdU Stellung beziehen, wie er abstimmen soll. Bei kontroversen Themen wäre es auch in Ordnung, wenn er nicht abstimmen würde, denn das sind Themen, die polarisieren. Aber das tut er nicht, er stimmt immer mit Fidesz.” Bei dem Treffen wurde Ritter auch signalisiert, dass im Falle eines Sieges der Opposition 2022 die Nationalitätenfrage vorrangig unterstützt würde, dass aber im Gegenzug nicht erwartet würde, dass Ritter in allen Fragen, die nicht die deutsche Minderheit im eigenen Land betreffen, mit der amtierenden Regierung stimmen soll.

Ginge es nicht über Emmerich?”

Emmerich Ritter ist im Parlament nach seinen eigenen vordefinierten Grundsätzen vor allem bei Vorschlägen, die den Haushalt und die öffentliche Bildung der Nationalitäten betreffen, aktiv; er drängt auf eine Neuregelung der Lehrerausbildung für die nationalen Minderheiten, macht auf die Probleme des Bildungssystems der Nationalitäten aufmerksam und setzt sich für den Unterricht der Sprachen der nationalen und ethnischen Minderheiten ein. Zuletzt hat er bei der Vorstellung der Stellungnahme des Nationalitätenausschusses zu Änderungen bei der Trägerschaft von Universitäten und der Gründung gemeinnütziger Stiftungen für Vermögensverwaltung in seiner Rede deutlich gemacht, dass er sich leidiglich zur Bildung der Nationalitäten äußern wolle. Der Vorschlag wurde unterstützt und dann auch gebilligt, wobei Ritter auch einen Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf einbrachte – den ersten während seiner Zeit im Parlament -, der besagte, dass „der Träger eine Stellungnahme des Nationalitätenausschusses bei Entscheidungen über nationalitätenbezogene Studienfragen einholen soll”. Der von ihm geforderte Satz wurde in das Gesetz unverändert aufgenommen.

In den letzten Jahren hat er sich nur zweimal explizit regierungskritisch geäußert. Einmal richtete er als Nationalitätenfürsprecher in der vorherigen Wahlperiode eine Anfrage an die Regierung, weil Ministerpräsident Viktor Orbán im Mai 2015 sich wie folgt äußerte: „Wir waren nie eine multikulturelle Gesellschaft”, „Ungarn ist ein homogenes Land” und „wir wollen Ungarn als ein ungarisches/madjarisches Land bewahren”. Ritter wies dann darauf hin, dass 10 Prozent der Ungarn immer noch einer Nationalität angehörten und dass die kulturelle Vielfalt vom Staat geschützt werde. Die Antwort von Bence Rétvári, wonach „wir den Begriff multiethnisch von multikulturell unterscheiden müssen” und „Ungarn multiethnische Wurzeln und einen kulturellen Hintergrund hat, aber das ist nicht Multikulturalismus. Multikulturalismus bedeutet das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichem zivilisatorischen Hintergrund, die Koexistenz des Islam, der asiatischen Religionen und des Christentums“, fand er jedoch angebracht.

Er drückte auch seine Empörung vor der Tagesordnung und in einer gemeinsamen Erklärung mit der LdU aus, als Áron Ambrózy, ein Mitarbeiter von Pesti Srácok, in einer Online-Sendung mit dem Titel Hajónapló, die unter der Schirmherrschaft des Petőfi-Literaturmuseums gestartet wurde, sagte, dass „Europa eine große Chance auf dem Weg in eine friedlichere Zukunft verpasst hat, die deutsche Rasse vollständig zu eliminieren” (über den Vorfall und die Nachbeben hat das Sonntagsblatt im verganenen Jahr mehrfach berichtet, Red.). Im November 2020 forderte Ritter Balázs Bárány zum Rückzug aus dem öffentlichen Leben auf, nachdem er als Mitglied des MSZP-Landesvorstands den Bürgermeister von Schaumar als „degenerierten Schwaben, einen zigeunerhassenden, homophoben, judenhassenden, echten faschistischen Bastard” bezeichnet hatte. In beiden Fällen zitierte Ritter gerne die Worte der ungarndeutschen Dichterin Valeria Koch: „Haltet ein, auch den kleinsten Hass, sagt rechtzeitig, haltet ein!” Trotzdem protestierte er in anderen Fällen nicht explizit, zum Beispiel als Mária Schmidt wiederholt sagte, die Deutschen hätten keine Kultur, sondern nur ein Portemonnaie. Und als die LdU den Abgeordneten explizit aufforderte, „alles dafür zu tun, dass bei der Volkszählung 2021 der Befragte nicht zwingend seinen Namen und Vornamen angeben muss und die Anonymität des Befragten während des gesamten Verfahrens gewährleistet ist”, hat er sich bei der Annahme der gegenteiligen Gesetzesvorlage einfach enthalten.

Obgleich wir Emmerich Ritter und die derzeitige Vorsitzende der LdU, Ibolya Englender-Hock, kontaktiert haben, haben wir von der LdU keine Antwort erhalten, und Emmerich Ritter hat uns wissen, dass er erst nach der Verabschiedung des Haushalts zur Verfügung stehen würde.

Die Protokolle der Vollversammlung der LdU zeichnen im Grunde das Bild eines Lobbyisten, dessen Aktivitäten sich größtenteils hinter den Kulissen abspielen: Er nimmt an Versammlungen teil, sammelt Geld, verhandelt mit Regierungsvertretern über Gesetze und sagt ihnen persönlich, wenn jemand eine unangemessene Äußerung macht; er versucht hinter den Kulissen die Einstellung gegenüber den Nationalitäten zu formen, Schulübernahmen zu arrangieren und Bildungsziele zu erreichen.

In der bereits zitierten Vollversamlungsdebatte von 2019 hat Ritter klar gesagt: „Man kann nicht aus der Opposition heraus Nationalitätenpolitik machen und man kann sich nicht in Fragen, die keine Nationalitätenfragen sind, gegen die amtierende Regierung stellen und damit die Möglichkeit verlieren, in Nationalitätenfragen substanziell tätig zu werden, das werde ich nicht auf mich nehmen”. Er erwähnte auch, dass z. B. das Vereinsgesetz oder die 7. Verfassungsänderung auch Gegenstand ernsthafter politischer Debatten waren, aber „wenn wir in Spiel gebracht hätten, dass jemand in einer Nationalitätenfrage formal gegen die Regierung stimmt, dann hätten wir garantiert erreicht, dass es keine Erhöhung der Nationalitätenzulagen, kein Nationalitätenlehrerstipendium geben würde und wir ein Drittel unserer Kindergärten hätten schließen könnten”.

Ritter argumentierte mehrmals in der Vollversammlung, dass „wir noch nie, nicht in den vergangenen Jahrhunderten eine solche Bildungs- und Kulturautonomie hatten, wie wir sie in den letzten 6-7 Jahren hatten und für uns erkämpft haben”, und dass die Minderheitenselbstverwaltungen derzeit viel mehr Geld erhalten würden als früher – und sie haben viel mehr Verantwortung, da sie scharenweise Bildungseinrichtungen übernehmen.

„Es wurden zwar wichtige Entscheidungen getroffen”, sagt Péter Kállai, „im Bereich der Bildung, bei der Erhöhung der Gehaltszulagen für Lehrekräfte der nationalen und ethnischen Minderheiten oder bei der Zuweisung höherer Geldbeträge für kulturelle Angelegenheiten, aber das sind immer noch keine sehr hohen Beträge, und man kann immer noch sagen, dass der ungarische Staat bei der Finanzierung hinterherhinkt. Und es ist fraglich, ob dies Emmerich Ritter zu verdanken ist, oder dem Landesselbstverwaltungssystem, oder ob es einfach die Entscheidung der Regierung war.” Und er fügt hinzu, dass Ritter zwar die Position vertreten würde, dass er für alle Nationalitäten eingestehen würde, aber es ist schwer vorstellbar, dass es heute besser wäre, zur Nationalität der Roma zu gehören. Allerdings sagt der Forscher, dass Ritters Selbstbeschränkung ein falsches Rollenverständnis wäre, da das Parlamentsgesetz besagt, dass auch die Nationalitätenfürsprecher im Interesse der Öffentlichkeit und der Nationalität arbeiten sollen. „Er (Ritter, Red.) argumentiert damit, dass dies seine Fähigkeit bewahrt, einen vollständigen Konsens im Parlament in Fragen der Nationalität zu schaffen. Das ist auch eine vertretbare Haltung, aber es sollte die Verantwortung eines Abgeordneten sein, nicht nur zu bestimmten Themen eine Meinung zu haben.” Für Péter Kállai ist „dieser Bereich ein bisschen wie alles andere heutzutage: Jede lokale Selbstverwaltung hat so viel Autonomie, wie es die Regierung erlaubt. Sie können sich äußern, sie können so viel Lobbyarbeit machen, wie sie wollen, solange es nicht unangenehm oder schädlich für die Regierung wird”.

Quelle: https://magyarnarancs.hu/belpol/a-tarsutas-239136

Bild: Wikimedia Commons – Emmerich Ritter bei der Enthüllung einer Gedenktafel am Bahnhof von Schaumar

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