Wie es angefangen hat. Heroische Jahre der Kolonisation von Kötsching/Kötcse (1700-1730)

Von Prof. Dr. Zoltán Tefner

Teil 2

Um 1730 soll die Besiedlung von Kötcse-Pußta in Begleitung von heroischen Kämpfen abgelaufen sein. „Die erste Generation Tod, die zweite Generation Not, die dritte Generation Brot” – lautet die viel zitierte Paraphrase, die in bestimmtem Maße auch auf Kötsching verwendet werden kann. Listen lassen vermuten, dass die überaus schnelle Errichtung von immerhin 47 Haushalten unter den knappen materiellen Verhältnissen schier unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet haben musste, denn viele der benachbarten madjarischen Gemeinden weisen seit 1686, der Wiedereinnahme der von den Türken beherrschten Gebiete, ein äußerst instabiles Bild auf, sie entwickelten sich mit Stockungen. Sie, wie Csepely, Szólád, Teleki, zeigen einen wesentlich langsameren, ca. 20-30-jährigen Aufbauprozess auf. Die nächsten noch eingehender zu behandelnden Datenquellen verstärken diese Annahme.

Die Gemeinden sollen wahrscheinlich auf sich selbst gelassen gewesen sein, es fehlte die eindeutige politische Leitung. Es fehlte der Rechtsspruch, die fachmäßige Gutswirtschaftslenkung, geschweige denn die Gesundheitspflege und Handelsinfrastruktur. Aber als die ersten hessischen Ansiedler hereinkamen, wurde die Situation mit einem Schlag besser. Im Grunde wohnte in den 1720er Jahren in Kötcse-Pußta keine herausragende Persönlichkeit, d. h. dass alle Siedlungen des Komitats ihren eigenen Grundherrn bzw. ihre Grundherren adeliger Herkunft als Mentoren hatten. Die Familie Antal wird dieses Amt in Kötsching später bekleiden.

Zu jenem Zeitpunkt des absoluten Anfangs, etwa um 1690, wohnen die Gebrüder Antal (János und György) noch nicht in Kötsching. György wohnte wahrscheinlich in Csepel, János teils in Őszöd, teils in Rád-Pußta, und man nimmt an, dass beide zuweilen jenseits des Balatons, auf ihrem Gut in Dörgicse lebten. Politisch gesehen war von den beiden Brüdern György der bedeutendere, denn er bekleidete immerhin das nicht unwichtige Amt eines Vizenotars im Komitat Schomodei/Somogy. Trotz seiner Herkunft aus dem mittleren Adel gehörte er innerhalb der Beamtenhierarchie jenen an, die mit den Bannerherren des Landes, also den Esterházys und Festetics’, ständig zusammenarbeiteten. Der Adelsstand der Antals hatte noch keine allzu lange Tradition, denn er wurde erst 1645 in Wien beurkundet. Das Gesuch von Tamás und János Antal wurde vom damaligen Kaiser Ferdinand III. am 21. Juni 1645 bewilligt und konnte an den ungarischen Kanzler György Szelepcsényi übergeben werden. Selbst die Tatsache der Donation wurde in das Protokollum des Komitats Schomodei erst wesentlich später (85 Jahre!) eingetragen, und es war wahrscheinlich kein Zufall, dass diese Eintragung gerade am 18. April des genannten Jahres 1730, eine Woche nach der Besiedlung von Kötcse-Pußta, erfolgte.

János, der Nachkomme von einem der beiden Beschenkten, diente als Kommandant einer kleineren kaiserlichen Heerestruppe, trug das Amt des „tihanyi várkapitány” (Tihanyer Burgkapitän). Dass er ein erfolgreicher „végvári vitéz” (Grenzsoldat an der türkisch–ungarischen Demarkationslinie) gewesen sein soll, das steht außer Zweifel. Nach dem allgemeinen Brauch der „neoacvistica commission” wurde ihm nämlich der Besitz von Alsó- und Felsődörgicse geliehen, später auch der Besitz von Kötcse-Pußta. Die Hervorragendsten beteiligten sich an solchen Auszeichnungen. Nur ein grober Fehler ist in die Donationssache der neoacvistica commission eingeschlichen. Die Besitzungen von Kötcse-Puszta, Rád-Puszta, Csicsal-Pußta usw. gehörten vor der Türkeneroberung von 1541 dem bischöflichen Domkapitel von Wesprim. Ehemals galt der Bannfluch als eine sehr gefährliche Waffe gegen die Widersacher der Kirche, in unserem Fall hätte der Domkapitel die Donation durch den Druck auf die den Boden bebauenden Bauern mit dem Bannfluch rückgängig machen können. Es erübrigte sich einer spitzfindigen Lösung. Und diese Lösung wurde in der Einladung von protestantischen Deutschen gefunden. Sie waren als Evangelische selbstverständlich immun gegen alle Bannflüche.

Einer Eintragung vom l6. November 1726 zufolge besaß János Antal zu jener Zeit die vier Pußten (praedium) Csicsal, Pócza, Köche und Rad. Diese entrichteten, genauso wie ähnliche Siedlungen in dieser Gegend auch, den Komitatsbehörden die offiziell festgelegte Summe von 2 Forint 50 Kreuzer. Kötschings unmittelbare Umgebung war voll mit diesen kleineren Pußten, wie z.B. Neßde (Nezde), die heute nur noch im Namen einer malerischen Waldfläche an der nördlichen Dorfgrenze Erwähnung findet, dort, wo einst Nezde-Puszta gestanden hat, finden wir heute Szóládihegy, einen abgelegenen Vorort der Gemeinde Szólád. Als Pußta werden zur Zeit auch Földvár (Balatonföldvár) und Bonna/Bonnya erwähnt, die später bedeutende Ortschaften wurden, Balatonföldvár sogar ein weithin bekannter Kurort. An einige der damaligen Pußten erinnern heute nur noch Flurnamen wie Cserehát, Barátok und Kechke vár (Kecskevár). Letztere war im Besitz der Grafen Harag (Harrach), denen auch noch mehrere Dörfer (possessio) wie Szólád, Szárszó und Szemes gehörten, zur oben erwähnten Wesprimer/Veszprémer Diözese zählte man hingegen Karád, Andocs, Koppán (Törökkoppány), Csepel, Görgeteg und Apáti, außerdem die Pußten Gerezd, Kisbaár, Nagybaár, Fehéregyháza und Szorosad. Auch die Abtei Tihany mit ihren Besitzungen Kapoly (Kiskapoly Immediate), Endréd und Teleki gehörte zur Diözese, wie einige noch kleinere, die dann zu sogenannten „Possessionen” zusammengefasst wurden: Pusztakapoly, Szántód, Gyönköd, Kisendréd, Nagyzamárd, Kiszamárd und Barkó. Zu den Dörfern, deren Mentor Zsigmond Széchenyi war, zählten Kőröshegy und Látrány, und die Pußten Szemes, Szentgyörgy und Gyugy. Etwas abseits lagen die Besitzungen der Familie Lengyel, wie Alsó- und Fölső Ugall, Torvaj, Lulla, Bábony, Hatsch/Hács, Csaba. Noch weiter entfernt lagen jene der Familie Perneszy samt den Gemeinden Ádánd, Niklassing/Miklósi, Bálványos und eines Teils von Kapoly. Die künftige Kötschinger Grundbesitzerfamilie, Kenessey, besaß außer der Gemeinde Som auch die Pußta Fiad und die Familie Bárány die Puszta Visz. Im Süden umgaben den Raum um Kötcse-Puszta noch weitere Liegenschaften, wie zum Beispiel jene der Vázsonyis in Mocsolád und Kis-Mernye, daran schlossen sich bis hin zur Drau die Dörfer der Eszterházys: Jaad (Jád), Csoknya, Aszaló, Magyaregres usw.

Diese Auflistung zeugt scheinbar vom Reichtum der Ortschaften, in deren eine rege Produktionstätigkeit gelaufen sein soll. Die Wirklichkeit sah aber anders aus. Die Dörfer entbehrten nämlich der nötigen – mit modernem ökonomischen Ausdruck – Betriebsgröße. Sie waren zu klein, und der von den Türken hinterlassene Dschungel allzu groß. Die von den Türken hinterlassene Verwüstung „verstimmte” auch damalige Reisende. So wird immer wieder Antal Verancsics zitiert: „Wie verlassen sieht hier alles aus, der Boden ist von Unkraut überwuchert, weit und breit kein Bauernhof, kaum Vieh, überall gähnt die große Öde „. Die Darstellung von Verancsics bezieht sich auf die Branau, doch kann man über die beiden anderen Komitate ähnliches erzählen, wenngleich sich die Schomodei in einer etwas günstigeren Lage befand und ein wenig abseits der Kriegsrouten lag. So blieb dieser Landstrich von den jährlich vorbeiziehenden Knechtsparteien einigermaßen verschont. Alter Adel sowie das Bauerntum aus der Arpadenzeit waren hier fast zur Gänze verschwunden und erst seit den Türkenkriegen tauchten wieder neue Grundbesitzer im östlichen transdanubischen Raum auf. Der Wiederaufbau fing endlich, wenn auch mit Schneckenschritten, an.

(Fortsetzung folgt)

 

 

 

 

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