Von Zoltán Tefner
Atala. Ein seltsamer, seltener Frauenname. Von hebräischer Herkunft, Bedeutung: „Der Gott ist majestätisch”, eine Kurzform aus dem Frauennamen „Atália”. Warum sie in der Taufe eben diesen Namen erhalten hat, ist unbekannt. Vielleicht wegen der vornehmen Weltbetrachtung ihrer Familie. Geboren in Kötcse 1836, gestorben in Kaposvár 1911. Der Vater, Mihály Kisfaludy von Kisfalud, Kapitän bei den Husaren, in enger Verwandschaft mit den literarischen Riesengestalten Károly und Sándor Kisfaludy. Mihály Kisfaludy heiratete das Kötcseer Mädchen Amália Hanovszky. Die Oma, Mutter von Amália Hanovszky, stammte aus der Familie Ányos, ansässig damals noch in Kötcse, sie bildeten eine zahlreiche Gruppe von Damen und Herren adeliger Herkunft, unter ihnen mehrere Literaten wie Gyula Takáts, der Dichter in der jüngsten Zeit, und der 1998 verstorbene András Mócsy, der Archäologieprofessor. Eine wirklich geräumige Krippe, in die talentierte Babies hineingeboren wurden. So ein Baby war auch Atala Kisfaludy, die Dichterin, das erste weibliche Mitglied der Petőfi-Gesellschaft, des namhaftesten Literatenverbandes des damaligen Ungarn. Wolle sich der liebe Leser den Mut schöpfen und sich vorstellen: eine Frau in den 1800er Jahren, die von Männern in eine Literaturgesellschaft aufgenommen wurde. Experten im Beruf Gender Studies freuen sich wahrscheinlich, wenn ihren Ohren solche Geschichten zukommen. Aber trotzdem spielt in unserem vorliegenden Vortrag nicht sie die Hauptrolle, sondern ihre Großmutter, eine gewisse Klára Ányos.
Die Oma als „Ministerpräsidentin” des Dorfes
Klára Ányos, die Oma von Atala, schien eine wirklich hervorragende Persönlichkeit zu sein. Auch im konkreten Sinne des Wortes. Ihre athletisch geformte Figur, ihre ganze Erscheinung, ihre hervorragende Körpergröße – auch in Männergesellschaft ragte sie um eine Hauptlänge hervor –, ihr strenges und trotzdem gutmütiges Auftreten hat ihr eine Leiterposition in der Dorfgesellschaft verliehen. Wo sie einmal aufgetreten war, herrschte dann in der Unordnung Ordnung. Die Völker gehorchten ihren temperamentvollen Befehlen. Über sie handelt es sich in diesem Kapitel: „Die Oma als »Ministerpräsidentin« des Dorfes”.
Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass die Gemeinde Kötcse in den alten Zeiten unter den Verhältnissen einer multikulturellen und geschlossenen (sic!) Gesellschaft lebte. Nicht in einer offenen. Die Leibeigenschaft und das strenge Zunftwesen haben für die Menschen ihre eigenen Grenzen vermarkt. Niemand wollte mehr sein, als man es wirklich war. Drei ethnische Gruppen, drei Drehbücher auf der Bühne der Lebensbahn. Studierend die Listen der Handwerker und Berufe der Bevölkerung stößt man nie auf einen Christen, der Schlachter war immer ein Jude, die Weber waren immer Evangelische, die Schmiede Katholiken, die Kneipenwirte wieder Juden. Ábrahám Hoffmann betätigte sich ein ganzes Leben hindurch in zwei Berufen, Gasthausinhaber und Fleischermeister. (Die Familie zog nach seinem Tod in den inzwischen zu einem städtischen Nest gewordenen Marktflecken, „mezőváros” weiter. Ein späterer Zweig gab der Ungarischen Republik den berühmten Humoristen Géza Hoffmann, der um Schauspieler werden zu können, seinen Namen auf Hofi geändert hat.)
Der Ministerpräsidentin des Dorfes, Klára Ányos, konnte die aufgetauchten Konflikte mit scharfer Intelligenz sogar binnen kurzer Zeit schlichten. Darin stand ihre persönliche Größe. Und noch in ihrem milden Herzen. Kein Bettler konnte durch das Dorf ziehen, ohne ein Stück Brot von „Klára tekintetes asszony” zu bekommen. Und der liebe Leser hebt wie geschlagen sein Haupt, wenn ich sage, Klára Ányos stand in Verwandtschaft mit dem Dichter Pál Ányos, wodurch sie seine entfernte Cousine war. All zu viel ist ungesund auch in dem schönsten Blumenstrauß. Atala schrieb eine Novelle über sie, mit dem Titel „A nagymama kukulája” („Die Kukula der Großmutter”). Und der Autor steht wieder vor einer unlösbaren Aufgabe, um dem geneigten Leser zu erklären, was eine „Kukula” sei. Umso mehr ist die Aufgabe schwer, als auch er selbst keine Ahnung davon hat, wie eine Kukula aussieht. Irgendeine Art von Haube, die ehemals die Damen auf dem Kopf trugen. Aber diese Kukula unterschied sich von den anderen zeitgenössischen „Kukulen” in der Gestalt, dass sie viel höher emporragte, um noch beachtungsvoller die Oma zu wandeln. Atala: „Wo die Kukula erschien, herrschte Stille und Ruhe.”
Ein heroisches, aber problematisches Jahr folgte in der ungarischen Geschichte mit dem verhängnisvollen Jahr 1848. Jahr der Revolution, wir beziehen uns auch heute noch auf 1848, wenn uns die Bürokraten von Brüssel an den Pranger stellen. Aber mit Recht, auch wenn das Revoltieren der damaligen Kamarilla in Wien genauso nicht sehr gefallen hat. Bekannt ist, dass der kroatische Banus Jellasich beauftragt war, mit einem zahlreichen Heer auf uns zu kommen. Der Banus, selbst auch ein talentierter Dichter, hat die Drau überquert und erschien am Südufer des Balaton, der zu dieser Zeit mit Abstand nicht so populär war wie heutzutage, siehe das etymologische Vokabular: Balaton–bólata–Morast, also ein slawisches Wort, was der Banus Jellasich slawischer Herkunft wahrscheinlich eigensüchtig respektierte, und in allen Ortschaften des Südufers hat er eine Menge von Mehl, Zucker, Essig, Öl, Fett, Schweinefleisch von den Bürgern weggenommen, mit lateinischem Wort: „konfisziert”. (Die Zahlung hat er in vatikanischer Währung versprochen: „Gott soll es bezahlen.”)
Die ungarische Regierung hat gegen den eindringenden Feind Volksaufstand verkündet. Normalerweise geschieht ein Volksaufstand so, dass das Volk gegen den eindringenden Feind aufsteht. In der Wirklichkeit sah es so aus, dass das Kötcseer Schwabenvolk sich in zwei Teile spaltete, ein Teil stand selbstbewusst auf, der andere Teil blieb aber widerwärtig, und wollte nicht aufstehen. Zu dieser Gruppe gehörten also die Kötcseer Schwaben. Gar nicht aus irgendwelchem ideologischen Grund, dass sie die sonst „deutschsprachige” Habsburgerdynastie schonen wollten, sondern aus dem einfachen Grund, sie wollten nicht sterben. Die Leibeigenschaft, in der sie Jahrhunderte lang lebten, war auch nicht zuckersüß, die Freiheit war besser, aber was nützt die Freiheit, wenn man in einem Massengrab liegt.
Der Widerstand wuchs von Tag zu Tag. „Aber die Kroaten schlagen uns ab wie „Schlachtviehe”– schrie auf dem Kneipenhof der hoch gewachsene Heinrich Lux (nicht Luchs, wie das Raubtier, sondern Lucas). Die sich auf den Befehl Kapitän Kiss am Gasthof versammelte Truppe, die später von den Historikern sauber gewaschene Kötcseer Kompanie, unter der Leitung von Hauptmann József Kiss, stimmte mit stürmischen Schreien zu. „Wer gibt dann unseren Kindern Nahrung? – fragte der andere. Wer wird die Weinlese verrichten? – so ein Dritter. Die Situation drohte mit Aufruhr, die schwere Folgen, Repressalien hätte nach sich ziehen können. Und die Oma in der hinteren Küche bei der Aufsicht des Bohnensuppenkochens nahm die drohende Gefahr wahr. „So ist es, wenn irgendwelche Advokaten in die Angelegenheiten des Landes als ungebetene Fürsprecher einmischen” – sagte sie der Dienerin Liza, die mit der Mischerei der Bohnensuppe beauftragt war. Und sie dachte mit diesem Satz an Kossuth (!), den später zum Weltruhm gelangten Anführer der Revolution.
Das kleinadelige Wohnhaus stand gegenüber dem Hauptplatz, in Entfernung von hundert Metern. Und im Nu eilte sie mit dem beträchtlichen Kochlöffel in der Hand hinaus. Als die Kukula auf dem Kneipenhof sichtbar wurde, wurde gleich still. „Du – sagte sie dem Heni Lux – was wäre gewesen, wenn ich dir und deinen neun Kindern nicht Speck und Schmalz geschenkt hätte?” „Was wäre gewesen, wenn ich deiner Frau, als sie halb tot war, kein Medikament aus der Apotheke von Karád hätte bringen lassen?” – sagte sie einem Anderen, keine Ahnung wem, sagen wir: dem Koni Rall, der der zweitaktivste Aufhetzer nach Heni Lux gewesen war. Und dann kam der Dritte, der Vierte, und schließlich nach dem zehnten Begünstigten der Klára Mama stellte sich die Ordnung wieder her.
Die Truppe zog nach heftigem Weinen und Jammern in soldatischen Reihen weg. In der Hand mit den von dem Dorfschmiede Johann Kerber auf Kommando des Dorfschulzen Johann Trimmel geschmiedeten Waffen. Nicht viel haben sie dann in der Sache des Freiheitskrieges mitgeholfen, während der Schlacht bei Pákozd am 29. September stationierten sie auf dem Hauptplatz von Kápolnásnyék an der Kirche. Und Jellasich hat auch nicht auf der Höhe der Situation gestanden. Jellsich, „der Feige”, wie wir darüber von Petőfi eindeutig informiert sind, verließ das Schlachtfeld, und er idt bis nsch Wien gelaufen. Ein Teil von ihnen kehrte nach der Schlacht heim, einige blieben aber im soldatischen Dienst und wurden Nationalhelden. Die Serie bekannt: die Höhen von Branyiszkó, Tápióbicske, Isaszeg, Waitzen/Vác, Nagysalló.
Náci Kajári und die neun Kötcseer Schönheiten
Atala hat irgendetwas, oder eher gesagt vieles von der Mildherzigkeit der Oma, und vieles von dem literarischen Talent von Pál Ányos und der Kisfaludys geerbt. Literatur zu pflegen, das belletristische Talent kommt manchmal mit der Spaßmacherei zusammen. Spaßmacher haben einen anderen Geist als die „Normalen”. Sie haben Phantasie, aber leider nicht immer eine gutgemeinte.
Unter den um das Jahr 1835 gab es in Kötcse neun Mädchen, alle aus kleinadeligen Familien oder ganz einfach aus dem bürgerlichen Milieu. Nicht alle waren schön, aber bei Atala sind alle so erwähnt, als wenn sie schön gewesen wären. Auch Atala war unschön, vielleicht nur „halbschön”. Ihre Fotos zeigen einen schmalen Unterkiefer, eine lange spitzige Nase, nur die Haare waren schön schwarz, so wie ein Wasserfall aus Haaren, der von der Felsenbank herabströmt. Aber später, als sie an die schönen Jugendjahre nostalgisch zurückdachte, sah sie alle ihren Freundinnen schön.
So eine Sehnsucht drückt ihre von uns nun zu behandelnde Novelle aus; sie zitierte in ihren alten Jahren nicht selten Heine:
„Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt
Dir, wonach du weinst, –
Doch die Schwalbe singt, doch die Schwalbe singt
Im Dorf wie einst!”
In den neun Schönheiten – alle damals mit 14–15 – entfaltete sich um 1851–1853 die Sexualität, das Gift, das alle weiblichen Lebewesen provisorisch zum Narren verwandelt. Und worin äußert sich dieser Fimmel? Unterschiedlich. Im Falle der neun Schönheiten in Kötcse zufälligerweise darin, dass sie aus jedem einen Narren machten, der dazu gut geeignet war.
So ein Opfer haben sie in Náci Kajári gefunden. Atala schrieb später eine Novelle über ihn mit dem Titel: „Amikor a szegény Kajári Náci még élt” („Als der arme Náci Kajári noch lebte”) Wer war dieser arme Kerl? Der heute in dem Kötcseer Judenfriedhof den ewigen Schlaf schläft. Náci, das heißt Ignaz, ein Sprössling aus einer jüdischen Händlerfamilie, die in die Ferne mit ihren Artikeln zu fahren plegte. Náci war nach der Darstellung von Atala „ein armer, täppischer, garstiger Judenbub”. Der nicht arbeiten konnte, weil er – heute würden wir sagen – ein „geistig Beschädigter” war. Überall leben Dorfnarren mit verschiedenen Spitznamen, vor drei Jahrzehnten lebte zum Beispiel in Kötcse in Pócapuszta ein gewisser Lajos Reichert, dem auf Ungarisch der Kosename „Huplitya” gegeben wurde. Aus dem schwobischen „Huplitchen”, also eine wohlwollende Weisung darauf, wenn bei jemandem auf dem Dach eine holperige Stelle war.
In den mehreren Ortschaften der Welt ist es üblich, aus dem Dorfnarren einen noch größeren Dorfnarren zu machen. Aber wie? Unterschiedlich. Im Falle von Náci Kajári erfolgte es merkwürdigerweise durch die Liebe. Der nette Leser staunt wahrscheinlich, wie man aus einem Narren einen noch größeren durch die Liebe machen kann. Liebe gibt es im Ungarischen zweierlei, „szeretet”, also etwas was zwischen Mutter und Kind besteht, und „szerelem” zwischen Frau und Mann. Die beiden darf man nie verwechseln; die ungarische Sprache ist reicher als etliche andere, aber hinter diesem Reichtum steckt gewisses Risiko.
Na, also in medias res: Náci Kajári war verliebt, aber nicht nur in eine der Neuen, sondern gleichzeitig in jede der neun Schönheiten. Der geneigte Leser sieht schon, dass diese Geschichte interessanter ist als die von oben über die zu Nationalhelden gewordenen Schwaben. Ja, gleichzeitig interessant, frech, aber in ihrem letzten Ausklang auch erhebende Geschichte. Die Mädchen waren nicht nur gegenüber Náci Spaßmacherinnen, sondern gegenüber dem ganzen männlichen Geschlecht unter 30. Weil sie mit ihren knospenden sexuellen Trieben nichts anfangen konnten. In erster Linie mit den Hofmachern, also mit den „kérők”, also mit den sich als Brautwerber eingestellten Burschen aus allen vier Himmelsrichtungen. In drei Komitaten war nämlich die Nachricht weit und breit zerstreut, dass Kötcse in Ehesachen eine wirkliche Schatzkammer ist. Burschen kamen, aber Burschen gingen beschämt weg. Die Praktiken, der Mangel an Ernst, das ständige Kichern und Lachen beängstigten alle Brautwerber und sie flüchteten enttäuscht nach Hause. Die Ungestaltheit des armen Náci hat solche Reflexe natürlich nicht ausgelöst, die neun Schönheiten haben nämlich den armen und dummen Náci … geliebt. Natürlich im Sinne des ersten ungarischen Idioms.
Was geschah dann? Ganz einfach, mit den Jahren haben sich die neun Schönheiten gefasst, sie sind ernster geworden. Genauer gesagt mussten sie einsehen, dass sie ihre sprengende sexuelle Energie nur durch eine gute Eheschließung ableiten können. Oh, du arme Atala in dem Kaposvárer Ostfriedhof, verzeihe mir wegen meiner Schweinereien, aber die Meinungen und Ansichten – wie es du als Chronistin und Dichterin am besten weißt – sind divergierend. Und ich, der Autor sehe es so. Damals eröffnete sich in einem multikulturell-konservativen Nest wie Kötcse nur ein einziger Weg die Sexualität auch in ihrem konkreten Zustand zu erleben: die Eheschließung. Ein paar Jahre später kamen die Brautwerber, und sie konnten mit ihren Beuten heimkehren. Alle neun Schönheiten wurden „verkauft” (N. b.: im Ungarischen für das Bräutigam sagt man „vőlegény”, also klipp und klar: „Käuferbursche”.)
Náci blieb allein. Der Autor ist leider in den medizinischen Wissenschaften nicht sehr bewandert. Soviel Kenntnisse konnte er aber in den Medien einräumen, dass er die Sache mit der Immunität oberflächlich überblicken kann. Seelische Lücken können die Immunität des Organismus abschwächen, und der Organismus ist allen Seuchen, Krankheiten ausgesetzt. Atala schreibt nicht eindeutig darüber, an welcher Krankheit Náci litt, Tatsache allerdings, er starb kurze Zeit danach, als die letzte Schönheit das Dorf an der Seite eines Mannes verlassen hatte. Damit könnte ja der Autor mit der Erörterung der Sache Schluss machen.
Es ist aber nicht so einfach. Parallel mit der Liebe in neun Frauen beobachteten einige im Dorfe manche Seltsamkeiten in der Lebensführung von Náci. Natürlich haben die Leute diesen Besonderheiten keine Bedeutung beigemessen: Dorfnarr ist narr, daher ist er für Dofnarren gehalten. Náci verschwand von Zeit zu Zeit aus Kötcse, manchmal blieb er eine Woche fern. Versteckt im hinteren Gepäckraum der Postkutschen, als Mitfahrer der Bauern in weit liegende Ortschaften hinten zwischen den Weizensäcken oder zu Fuß. Der Legende nach – der Autor als Kind weiß es von sehr alten Leuten – hat jemand ausgelauert, als Náci spät in der Nacht an einem Weinkeller unter einem Walnussbaum auf den Knien gelegen hat, und war mit dem Ausgraben einer Grube beschäftigt. Kurz später darauf hat er die Grube wieder verschüttet. Jahre sind vorbei, und einmal wurde die betroffene Augenzeuge neugierig (Atala schreibt darüber anderes), was da in der Grube stecken sollen. Die Bewunderung aller Seelen in Kötcse war groß, in der Grube fand man einen riesigen Haufen von Geld. Der genaue Betrag unbekannt, aber mehrere Tausend Kronen sollte er ausmachen. Ein Vermögen.
Náci wurde begraben in dem Kötcseer Judenfriedhof. Das Zeremoniell der Beerdigung verlief auch sonderlich. Die neun Schönheiten haben Kränze machen lassen, und aus weit liegenden Orten nach Kötcse liefern lassen. Bis die Kränze ankamen, lag die Leiche von Náci über der Erde. Wer die strengen Vorschriften der „Schewra Kadischa”, des jüdischen Zeremoniells, kennt, kann verstehen, mit welch großer Bedeutung dieser Fall war. Die neun Kränze gelangten auf unwegsamen Wegen nach Kötcse. Die neun Kränze auf dem Grab Nácis – und das ist das Schönste in der Erzählung von Atala – sind in dieser Auslegung die Symbole der wahren Liebe (in beider Bedeutung). Und die zusammengebrachte Geldsumme? Erwähnt wurde, dass der Autor kein Naturwissenschaftler ist. Soviel weiß er aber, dass wenn der Patient nichts weiß, für nichts, für keine Aufgabe, für keine Arbeit geeignet ist, das ist eine eigenartige Form einer Geisteskrankheit oder richtiger gesagt einer „Benachteiligung”. Laut der Schlussfolgerung des Autors soll Náci ein Autist sein. Der nur in einem Fachgebiet kompetent ist. Vielleicht hat er diese einzige Fähigkeit von den Ahnen geerbt? Ob außerordentliche Fähigkeiten für Geldwechselgeschäfte genetisch geerbt werden können, ist eine Frage. Die medizinische Wissenschaft widersetzt sich dieser Theorie sicherlich, Hauptsache aber, dass der Autor an diese Theorie manchmal – schlaflos in der Nacht – fest glaubt.