Bist du Zigeuner, was ist das für eine Arbeit? – die Abenteuer ungarischer Altenpfleger in deutschen Landen

Ein Beitrag von Tamás Ungár, erschienen am 06. Januar 2020 auf dem Internetportal 24.hu. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Chefredakteur Péter Pető. Deutsche Übersetzung: Richard Guth

Montags, mittwochs und freitags machen sich aus gut 50 südtransdanubischen Ortschaften 604 Altepflegerinnen und Altenpfleger mit elf Kleinbussen nach Österreich und Deutschland auf – sie lösen gleichzeitig andere ab. Überwiegend geht es um Frauen, die mit häuslicher Pflege ihr Brot verdienen, im Schnitt 50-100 Euro am Tag. Wer sind sie? Warum sind sie bereit fern der Familie zu sein. Sie erzählen selbst über ihr Schicksal.

Maria Czirják würde gerne auf Hawaii fliegen. Aber vorerst bleibt ihr die Autofahrt nach München. Nicht um sich zu erholen, sondern um zu arbeiten, als Pflegerin. So muss noch etliche Jahre schaffen, um genügend Reserven zu haben um sich eine Reise nach Hawaii leisten zu können.

Die 49-jährige Frau pendelt aus finanziellen Gründen nach Deutschland. Maria ist im Branauer Boschok/Palotabozsok aufgewachsen, ihre Familie litt nie Not, ihre Eltern bauten ein großes, geräumiges Haus und wirtschafteten wie ihre schwäbischen Ahnen vorausschauend. Maria, die Maschinen- und Schnellschreiben und dann Einzelhandelskauffrau gelernt hat, heiratete mit 18 einen deutschen Mann, der sich in Boschok des Öfteren aufhielt. Die Frau zog nach Deutschland und fand in einem Juweliergeschäft eine Anstellung. Die Ehe ist nach einem Jahr in die Brüche gegangen, Maria blieb aber noch vier Jahre in Deutschland. Bei einem Heimaturlaub verliebte sie sich in einen Wemender, wegen ihm zog er wieder nach Ungarn. Aus ihrer zweiten Ehe sind ein Mädchen und ein Junge hervorgegangen, mit ihrem Mann betrieb sie zuerst eine Metzgerei, dann eine Kneipe. Auch diese Ehe wurde geschieden, und Maria zog 2006 mit ihren Kindern ins elterliche Haus in Boschok. Die Frau fand keine Anstellung in der Umgebung und sah, dass viele Frauen im Ort in deutschen Landen dem Pflegeberuf nachgehen – für viel mehr Geld als in Ungarn – , so entschied sie sich auch dafür.

„Das entscheidende Argument war, dass wir ein deutsches Austauschkind erwarteten und wir bis dahin eine Schlafcouch anschaffen mussten. Sie kostete 200.000 Forint (damals etwa 700 Euro, R. G.), aber ich hatte kein Geld dafür”, erinnert sie sich an die Entscheidung.

Maria Czirják hat zuerst einen 90-jährigen, krebskranken Mann in Hessen betreut, dessen Krankheit sich im Endstadium befand, danach eine 80-jährige Frau. Zwei Wochen verbrachte er dort, zwei Wochen zu Hause mit den Kindern. Nach einem Jahr kehrte sie zurück, weil sie endlich auch zu Hause einen Job fand, im Callcenter einer ausländischen Firma in Fünfkirchen, wo deutsche Sprachkenntnisse Voraussetzung waren. Sie blieb fünf Jahre, aber ihr Gehalt blieb konstant, so dass sie sich deswegen und der täglichen Pendelei entschloss, wieder in Deutschland als Krankenpflegerin zu arbeiten. Sie wollte aber nicht mehr rund um die Uhr in einem Haushalt arbeiten, sondern wandte sich an eine Firma, die sich mit häuslicher Pflege beschäftigt. Dazu musste sie einen 200 Stunden-Kurs absolvieren. Seit 2012 pendelt sie nach München, wo sie drei Wochen lang täglich acht Stunden arbeitet, um sich danach drei Wochen lang zu Hause auszuruhen. In München besucht sie täglich 27-28 Kunden, die sie wäscht, füttert, mit Medikamenten versorgt, ihre Wunden behandelt, Spritzen und Infusion verabreicht und Windeln wechselt. Sie fährt ein Auto zur persönlichen Verfügung und wohnt in einem Apartement eines Mehrfamilienhauses.

Ihre Nachbarn sind ungarische Altenpfleger, sie sind zu fünft, der jüngste ist 24, der älteste 62. Sie könnten aufeinander zählen, oft würden sie zusammen kochen, shoppen, Kaffee trinken oder Ausflüge machen.

Nanu, Nummer 17 ist da!

Für diese Arbeit erhalten sie 50 Euro am Tag, dazu kommen noch 30 Euro Verpflegungsgeld pro Woche und hin und wieder Trinkgeld. Für die Unterkunft sowie die Fahrtkosten müssen sie nicht aufkommen. Ihr Einkommen beträgt etwa 250-280.000 Forint im Monat (750 – 835 Euro, R. G.). Das ist nicht viel, aber Maria beklagt sich nicht, bislang konnte sie nach eigenen Angaben deswegen nicht Geld zurücklegen, weil ihre Tochter früher ein kostenpflichtiges Studium absolviert hätte und man ständig Ausgaben für das Einfamilienhaus der Eltern aus den 1980ern hätte, in dem sie mit ihrer verwitweten Mutter und ihrem Sohn wohnt, der noch nicht erwerbstätig ist. Wenn sie bei einer Familie wohnen und dort jemanden versorgen würde, dann würde sie – weil sie dort eine Vollverpflegung erhalten würde – etwas mehr verdienen, aber so gefalle es ihr besser:

„Ich muss nicht das Leben eines anderen leben. Wenn ich einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst annehmen würde, dann hätte ich keine Zeit für mich.”

Aus Boschok und den umliegenden Dörfern fahren seit Jahren mehrere hundert Frauen mit schwäbischen Wurzeln ins deutschsprachige Ausland, die Mehrheit der Pendlerinnen wählt lieber den Dienst in einer Familie, täglich 22-24 Stunden, zwei Wochen am Stück. Die Schwierigkeit bei dieser Arbeit ist die ständige Bereitschaft. Die Pflegerinnen haben zwei Stunden Freizeit am Tag, aber es komme vor, dass sie diese auch nicht nutzen können, weil sie einen Kranken pflegen, der ständig bewacht werden müsse, in dem Falle würden sie Geld für die entfallene Freizeit erhalten. Jedoch hätten die Pflegerinnen – auch wenn die betagte Person und der Haushalt drumherum sehr viel Arbeit bereite – in der Regel immer noch genug Zeit, um Fernsehen zu gucken, lesen, surfen oder um mit den Verwandten und Bekannten zu telefonieren oder zu chatten. Es gab auch solche, die zugaben, über die Schlafenszeit hinaus täglich sechs bis acht Stunden Zeit zur freien Verfügung gehabt zu haben.

Für die Pflegerinnen in den Einzelhaushalten scheint eine wichtige Frage, wie sie sich Geltung verschaffen beim Kranken und seiner Familie, die ihr Arbeit und Obdach bieten.

„Die eine Frau, bei der ich arbeitete, stand am Tor und als sie mich erblickte, schrie sie: „Nanu, hier ist Nummer 17. Die arme Frau hat eine Natur, die nicht auszustehen war, sie hat ständig rumgemotzt. Nach vier Wochen bat ich um einen neuen Einsatzort. Den habe ich auch bekommen, und zu der Frau ging Nummer 18”, erzählt die 72-jährige Maria Thurn, die anderthalb Jahrzehnte als Altenpflegerin im Ausland arbeitete.

Die 61-jährige Edit – die nur ihren Vornamen angeben wollte – erzählt so von einem ihrer Misserfolge: „Es gab eine Bas, die es einfach nicht schaffte mich liebzugewinnen. Obwohl ich stets rufbereit war. Eines Tages wollten wir wegfahren, aber sie bat mich vorher die frisch gewaschenen Gardinen aufzuhängen. Ich tat es und wir fuhren los. Später sah sie, dass die Gardinenfalten nicht richtig saßen – natürlich nicht, denn ich war in Eile, sie bemerkte darauf: „Du bist Zigeuner, was ist das für eine Arbeit? Ich nahm das sehr zu Herzen und verließ den Haushalt.”

Ein Teil der Arbeitgeber meint, diese Beleidigungen müssten die „Diener” aus dem Ostblock ertragen. Und tatsächlich stehen die Altenpfleger dem eine Zeit lang stand. Die Not zwingt sie dazu. Edit zum Beispiel ging danach nach Deutschland, nachdem ihr Mann, der ein Maurerkleingewerbe hatte, mit 55 Jahren krank wurde. Die Frau wurde bislang als Altenpflegerin von der Kommune beschäftigt, aber das Geld reichte für beide von hinten und vorne nicht, da sein frühberenteter Mann nur 30.000 Forint erhielt (90 Euro, R. G.).

Edits Mann ist diesen Sommer gestorben. Die Frau hat zwei Töchter, die eine, die in Edits Haus wohnt, erzieht ihre beiden Töchter im schulpflichtigen Alter alleine. Unter ihnen die kleinere, die 10-jährige Enkelin, die seit dem Tod des Opas nicht alleine sein möchte, weswegen ihre Mutter die Stelle kündigen musste, damit sie nach der Schule zusammen sein können. Also muss Edit – auf unabsehbare Zeit – auch sie ernähren. Sie rechnet jetzt so, dass sie noch acht Jahre pendeln müsste um soviel zusammenzubekommen, dass sie aufhören und in Rente gehen kann. Aber bis dahin muss sie wohl die Laune ihrer Auftraggeber ertragen. Zur Zeit hat sie nach eigenem Bekunden keine solchen Probleme, denn sie pflegt seit zwei Jahren eine 88-jährige blettlägrige und geistig abgebaute Frau in Wien, von der sie erzählt: „Ich koche für sie, sie mag die Rindersuppe besonders. Ich mache sie sauber, oft muss ich sie waschen, denn sie verschmiert oft den Kot. „Du bist so süß”, sagt sie. Die Schönheit dieser Tätigkeit besteht darin, wenn man dankbar angeschaut wird.”

Alle von mir befragten Branauer Altenpflegerinnen betonen dies. Die Distanz der Gepflegten ändert sich oft. Maria Thurn hat am Starnberger See einen alten Freiherrn in seinen Neunzigern und seine Frau gepflegt. Das Ehepaar wohnte in einer Mietwohnung, nachdem ihr prächtiges Anwesen durch einen ihrer Söhne verspielt wurde. Der Freiherr hat Frau Thurn immer so vorgestellt: „eine Ungarin/Madjarin”. Die Frau hat des Öfteren eine Skizze des Stammbaumes der Familie des Barons, die an der Wand hing, angeschaut Und sie fand etwas: „Mir fiel auf, dass im 19. Jahrhundert in die Familie des Freiherrn ein Madjare aus Fünfkirchen einheiratete. All meine Vorfahren sind hingegen deutsch. Ich sagte zu ihm: ”Herr Baron, Sie sind eher ein Ungar/Madjare wie ich, denn in meiner Familie gibt es nur Deutsche. Seit diesem Zeitpunkt nannte sie mich immer „unsere Maria”.”

Die Tochter von Maria Thurn, Hedwig Basa, folgte dem Beispiel ihrer Mutter und arbeitete von 2008 bis August 2019 als Krankenpflegerin in Deutschland und Österreich. Sieben Jahre lang betreute sie die Witwe eines Professors in Wien. Die Frau sei reserviert und misstrauisch gewesen, sie hätte ihre Pflegerin und – wie sie wohl von Nachbarn erfuhr – alle ignoriert. Die Beziehung erschwerte der Umstand, dass die Frau an Kehlkopfkrebs erkrankt war und kaum sprechen konnte. Ihre kurzen Bitten hätte Hedwig am Mund abgelesen, die längeren habe die Frau aufgeschrieben. Mit ihnen wohnte noch der Sohn der Frau, er war der Arbeitgeber von Hedwig, aber mit seiner Mutter habe er kein Wort gewechselt. Nach einem halben Jahr spürte Hedwig nach eigenem Bekunden, dass sich das Misstrauen der Frau ihr gegenüber lösen würde: „Sie fing an von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Darüber, wie ihre Tochter heroinsüchtig wurde und auch starb. Dann starb auch ihr Mann. Nach Ansicht der Frau haben sie und ihr Mann die Tochter mehr geliebt als den Sohn, worunter ihr Sohn gelitten hätte, wodurch er selbst verschlossen geworden wäre. Er heiratete, bekam ein Kind, ließ sich scheiden und auch zu seinem Sohn hätte er keinen Kontakt gepflegt. Wenn ihr Sohn nicht zu Hause war, ging die Frau in sein Zimmer und hinterließ auf seinem Bett oder Tisch einen Brief. Der Sohn reagierte nie. Abends schaute er bei der Mutter vorbei, wünschte gute Nacht und ging wieder. Ich bat ihn, zu akzeptieren, dass seine Mutter ihn braucht, er sollte sich hin und wieder mit ihm unterhalten – er hat empört reagiert, was das soll und dass er mich deswegen angestellt habe, damit ich bei ihr bin. Dann hatte es die Frau auf einmal satt. Sie aß nichts mehr, nahm ab und starb.”

Wenn die hilflosen Alten spüren, dass ihre Pflegerin tatsächlich Interesse an ihrem Leben haben, dann kann sich die Beziehung zwischen Pflegepatient und Pfleger zu einem Vertrauensverhältnis entwickeln. Maria Czirják, die in der Tagespflege arbeitet, interessiert sich nach ihrem eigenen Bekunden auch für das Leben der Patienten (auch wenn sie täglich nur 5 – 15 Minuten mit ihnen verbringt): „Ich mache Halt vor einem Familienfoto und frage nach, wer auf dem Foto abgebildet ist, und sie erzählen über die Familie und sich selbst. Auch ich habe dadurch mehr Spaß am Leben und sie freuen sich jeden Tag auf mein Kommen und auf die Gespräche. Nach einer Zeit offenbaren sie ihre innersten Geheimnisse. Es gab eine alte Frau, die meinte, dass sie es zutiefst bereue, ihren Mann nicht betrogen zu haben, denn er hätte sie selbst mit ihrer Ziehtochter betrogen. Es gab auch eine 96-jährige Frau, die mich damit empfang, dass ich mich gleich verdrücken soll. Als sie merkte, dass ich ihr vom ganzen Herzen helfen möchte und ihr Fragen stelle, hat sie sich verändert, wurde taktvoll und sagte auf einmal: „Maria, Sie sind so nett zu mir, sie waschen mich jeden Morgen – wenn Sie alt werden, dann werde ich Sie waschen.”

Trotz den Erfolgsergebnissen im Ausland und der höheren Bezahlung fällt es den meisten Pflegern schwer, die Fernbusse zu besteigen: „Wir fahren, weil wir gezwungen sind”, sagt Hedwig Basa. „Ich lernte Kleidungsmacher, in Mohatsch, und arbeitete bei einer belgischen Firma, bis sie geschlossen wurde. In der Zwischenzeit wurden unsere Tochter und unser Sohn geboren, wir bauten und brauchten Geld. Mein Mann ist Zimmermann, aus seinem Verdienst kamen wir nicht weit, deswegen musste ich ins Ausland pendeln. Zwei Tage vor der Fahrt nach Österreich war ich bereits hochgradig lustlos. Ich liebe meinen Mann und meine Kinder über alles, ich vermisste sie wahnsinnig. Ich zeigte es aber nicht nach außen, ich blieb hart, weinte nie, aber eines Tages, als ich mich frühmorgens von meinem Sohn verabschieden wollte, sah ich, dass er Tränen in den Augen hatte. Es hat mich sehr mitgenommen, erzählte es dann der Familie und sie erschraken so sehr sehr, dass sie gleich um ein Messenger-Konto sorgten, so dass ich umsonst mit meiner Familie sprechen konnte, wodurch das dortige Leben besser wurde. Bis dahin konnte man nur einmal in der Woche zehn Minuten reden. Ich finde es trotzdem nicht schade, denn wir eine Basis geschaffen haben, uns wäre das auf andere Art und Weise nie gelungen. Wenn ich zu Hause bleibe, versuche ich es mit dem Nähen von Hundeschlafplätzen. Es sieht so aus, als gäbe es eine Nachfrage dafür.”

Hedwig bemerkt noch, dass für denjenigen, der nicht in geordneten Familienverhältnissen oder alleine lebt, die Pendelei ins Ausland nicht so belastend wäre. Maria Thurn als Geschiedene fiel es auch einfacher aufzubrechen: „Ich habe bei der Kommune als Leiterin des Verpflegungsdezernats gearbeitet und ich hätte eine niedrige Rente gehabt. Ich hatte ein schönes Haus, ein Presshaus, aber Geld hatte ich – obwohl ich nicht verschwenderisch war – nie genug. Eines Tages hatte ich nur elf Forint. (vier Cent, R. G.) Elf! Auf Rat meiner Freundin bin ich auch gegangen. Zuletzt war ich bei einem pensionierten leitenden Richter in Österreich, als eine Art Haushälterin. Ich habe sein dreistöckiges Haus geputzt, kochte für ihn seine Lieblingsessen aus der Kindheit, ging zweimal am Tag mit dem Hund spazieren, pflegte den Obstgarten und die 160 Rosenstöcke, mähte das Gras. Aber dann bin ich der Ganzen müde geworden und hatte das Gefühl, dass ich endlich meinen eigenen Garten pflegen möchte. Ich kam heim, aber bereut habe ich nichts. Ich habe viele schöne Dinge gesehen, mich mit vielen interessanten Leuten getroffen, ich bekomme von ihnen bis heute Neujahrsgrußkarten, sie schreiben, sie würden mich nie vergessen und sagen für alles Dank. Ich habe genug Geld verdient um mein Haus zu renovieren. Aber jetzt will ich Rentnerin sein. Ich singe im Chor des Dorfes, in dem ich seit 43 Jahren Mitglied bin und den ich seit 2008 auch leite. Ich habe zwei Bücher über Boschok geschrieben, eines über die letzten 300 Jahre der Geschichte des Dorfes, das andere über die Geschichte des Chores. Diese Arbeit will ich auch fortsetzen. Ich habe es seit Jahren vor, das Zitherspiel zu lernen. Ich will mit meinen fünf Enkelkindern auch reisen. Ich war mit ihnen mehrfach in Siebenbürgen. Ich will auch nach Südtirol und Rom fahren.”

Maria Czirják will auch reisen, aber sie auf Hawaii. Da man aber noch andere Ausgaben habe, müsste man ihrer Meinung nach noch 8-10 Jahre darauf warten. Bis dahin tröstet sie sich damit: „Es kann sein, dass ich erst gar nicht hinfliege. Im Flugzeug kann man nicht rauchen. Wie soll ich es auf einem so langen Flug aushalten?”

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Von beiden Enden

Die 52-jährige Réka arbeitet seit 2014 als Pflegerin in Österreich. Die geschiedene Frau, die ihre beiden Töchter alleine erzieht, war dazu gezwungen, denn ihren Fremdwährungskredit, dessen Tilgungsraten in die Höhe schossen, sonst nicht bedienen konnte. Oben drauf besucht die eine Tochter von Réka noch die Universität und macht ihr Diplom erst 2020, auch das kostet Geld. Die Frau betreut zwei Wochen lang für 60 Euro am Tag eine 86-jährige, geistig abgebaute Frau, dann kommt sie heim und arbeitet zwei Wochen lang in dem Krankenhaus einer Kleinstadt, für 110.000 netto (330 Euro). Sie ist mit halber Stelle, vier Stunden, gemeldet, und in zwei Wochen arbeitet sie ihre gesamte Arbeitszeit ab. Im Krankenhaus weiß man, warum Réka um einen solchen Einsatz bittet, aber man akzeptiert dies, weil der Mangel am Pflegepersonal bei ihnen gravierend ist. Réka wird mit den zwei Jobs in acht Jahren schuldenfrei sein. Danach plant sie noch einige Jahre dieses Doppelleben zu führen, um finanziell ein wenig Luft zu kriegen. Als ich sie frage, wie ihr Privatleben aussieht, sagt sie: „So.”

Mit elf Bussen dreimal pro Woche

Franz Steiner aus Boschok hat in den Neunzigern als Musiker in Bayern gearbeitet. Er wurde dort einmal gefragt, ob er nicht deutsch sprechende Leute aus seinem Umfeld empfehlen könnte für Pflegejobs. Steiner hat sich in seinem Dorf erkundigt, und es gab auch Interessenten, die er nach Deutschland fuhr. Aus dieser spontanen Vermittlertätigkeit entstand dann ein Unternehmen, das seit 12 Jahren geschäftsmäßig Altenpfleger ins deutschsprachige Ausland pendeln lässt, vornehmlich nach Österreich. Steiner ist Subunternehmer einer österreichischen Firma für häusliche Pflege. Sie bezahlt Steiner und die von ihm transportierten Pfleger, für die Kosten kommen wiederum die Familien der Pflegebedürftigen auf. Das Transportunternehmen des 48-jährigen Boschoker Unternehmers fährt montags, mittwochs und freitags aus annähernd 50 südtransdanubischen Gemeinden 604 Altenpfleger zur Arbeit und holt sie mit 11 Kleinbussen ab. Nach Angaben von Franz Steiner haben zwei Drittel der Pfleger den obligatorischen 200-Stunden-Kurs absolviert, der Rest zu je gleichem Anteil einen OKJ-Kurs oder eine Fachoberschule für Gesundheit oder sind Akademiker. 95 Prozent der Pfleger sind Frauen. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer sind mittleren Alters, zehn Prozent zwischen 20 und 30, ein Drittel jedoch über 55, oft Rentner. Die Pfleger würden 50-100 Euro netto am Tag erhalten. Mehr bekomme derjenige, der zwei Personen betreut oder dessen Arbeit schwerer, komplizierter sei oder eine höhere Qualifikation erfordere. Franz Steiner sagte, dass sich im Jahr fünf Prozent der Arbeitnehmer einen neuen Pflegeplatz wünschten, weil sie sich nicht mit dem Arbeitgeber auskommen würden. Es würde viel häufiger vorkommen, dass zwischen Altenpfleger und Pflegepatient eine gute Beziehung entstehen würde, und es würde vorkommen, dass nach dem Ableben des Patienten der Pfleger von der Familie einen symbolischen Anteil am Erbe zugesprochen bekommen würde.

Quelle:

https://24.hu/belfold/2020/01/06/idosgondozas-ausztria-nemetorszag-svabok-baranya-asszonyok-ingazas-riport/?fbclid=IwAR1heaKB3cXCfq7xfS7a_9wya_qNnfty4kyZULImLnnFyN0lqKAlZ9wbfCY

Bild: agilemktg1/ flickr.com

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