Peter Giese: Wolfskinder

Es war kurz vor Weihnachten, als ich im Spiegel-Online einen Artikel über das „Wolfskind” Elli H. aus Ostpreußen las.

Mit dem Begriff „Wolfskinder” werden die mehrere Tausend Waisenkinder bezeichnet, die in Ostpreußen, im Gebiet um Königsberg, und Litauen nach Kriegsende unsagbares Leid ertragen mussten. Die Kleinkinder waren gezwungen, ohne Bleibe im Freien (bei den Wölfen) 1-1,5 Jahre zu überleben. Anfang 1945 war das Gebiet um Königsberg von der Roten Armee eingeschlossen, die Stadt wurde von der deutschen Kriegsführung zur Festung erklärt. Eine rechtzeitige Evakuierung der Zivibevölkerung war verboten worden. Zu spät versuchten viele Menschen aus Ostpreußen noch auf dem Landweg vor der vorrückenden Roten Armee nach Westen zu fliehen. Es gab auch Evakuierungsmaßnahmen mit Schiffen und den Weg über das Eis der Ostsee. Viele Tausende haben den Marsch nicht überstanden, sind erfroren und verhungert.

Mit dem Eintreffen der Roten Armee wurden die Familien getrennt, noch anwesende Männer mit unbekanntem Ziel in Lager verschleppt. Frauen und die Mädchen wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet und massenweise Opfer von Übergriffen seitens der russischen Soldaten. Dazu herrschte unbeschreibliche Hungersnot, und es herrschten Minusgrade von 20 Grad und mehr.

Von den Wolfskinder versuchten viele nach Litauen zu fliehen. Die dortige Bevölkerung hat trotz des strengen Verbotes der sowjetischen Führung den deutschen Kindern zu helfen, ihnen Essen zukommen lassen, oder sie gar bei sich aufgenommen, später auch adoptiert. Doch oft waren die Kinder für sie nur billige Arbeitskräfte.

Später kamen einige Kinder in russische Kinderheime und ab 1947 erfolgten einige Kindertransporte in die Sowjetische  Besatzungszone, wo die Kleinst- und Kleinkinder in staatliche Heime kamen. Mit Hilfe des Roten Kreuzes haben sich später einige getrennte Familien wiedergefunden.

Die im Königsberger (dem heutigen Kaliningrad) und Litauen verblieben Kinder sind dort aufgewachsen, bekamen neue Namen, ihre eigene deutsche Identität haben sie verloren. Erst nach 1990 wurde das Thema „Wolfskinder” in Deutschland thematisiert, zahlreiche Berichte erschienen, in Filmen wurde das unsagbare Leid der Kinder dargestellt. Eine offizielle Anerkennung und Entschädigung als Opfer gab es nicht. Erst jetzt war eine Antragsstellung an das Bundesverwaltungsamt auf eine einmalige Entschädigung als Zwangsarbeiter bis zum 31.12. 2017 möglich.

Das „Wolfskind” Frau Elli H. ist hochbetagt, lebt nahe Königsberg unter ärmsten Verhältnissen. Sie hat einen russischen Namen, neue Idendität und fragt sich, wer sie eigentlich ist. Deutsch spricht sie selten, liest aber oft in ihrer deutschen Kinderbibel. Dabei wäre sie froh, wieder Elli H. zu sein, es in einem deutschen Paß bestätigt zu sehen. Auch sie hat von der Möglichkeit einer Entschädigung seitens des deutschen Staates erfahren, die deutsche Konsulin hilft bei der korrekten Ausfüllung des Antragformulars, das Angaben nach der Art der Zwangsarbeit, nach Zeugen verlangt. Eine schwere Aufgabe, diesen Nachweis zu erbringen.

Als  ich von Frau Elli H. las, wusste ich, man muß helfen. Besonders vor Weihnachten wird für Bedürftige gesammelt, und diese armen und unschuldigen Deutschen, die alle schon im hohen Alter sind, müssen jetzt um die einmalige Entschädigung betteln. Zuerst kontaktierte ich die Autorin des Spiegel-Artikels. Über sie bekam ich Kontakt zu Martin K., auch ein gebürtiger Ostpreuße, er lebt heute in Norddeutschland. Er kümmert sich um Hilfe für Frau Elli H. und garantiert persönlich, dass Geldspenden ohne Abzüge an sie weitergeleitet werden. Wir haben E-Mails getauscht, per Skype uns unterhalten und er konnte mir mit Begeisterung von den zahlreichen hilfsbereiten Landsleuten berichten, und eben sogar auch aus Ungarn. Die Nachricht von der spontanen Hilfsbereitschaft ist in Königsberg mit rührender Freude aufgenommen worden, auch der Vikar hat davon während der Messe in der Königsberger Kirche berichtet.

Für mich selbst war es eine große Weihnachtsfreude, innerhalb weniger Tage neue Freunde kennen zu lernen und Bedürftigen helfen zu können.

Über mein persönliches Erlebnis hinaus halte ich es für wichtig, dass das Leiden der „Wolfskinder” nicht in Vergessenheit gerät.

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Hinweise über weitere Details zum Thema Wolfskinder:

https://www.youtube.com/watch?v=Vw5rffZFt-o

Foto: variety.com

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