Im April wählt Ungarn ein neues Parlament, und das kann Veränderungen für die Nationalitäten des Landes bedeuten. Einerseits gibt’s eine große Chance, dass durch die deutsche Liste ein vollberechtigtes Mitglied des Parlaments gewählt wird, das die Interessen der Ungarndeutschen und anderer Minderheiten in der Ungarischen Nationalversammlung vertreten kann. Anderseits kandidieren sich viele Parteien, die verschiedenen Meinungen über die Lage der ungarländischen Nationalitäten haben. Aus diesem Grund hat die Redaktion des Sonntagsblattes so entschieden, dass wir 4 Fragen an diejenigen ungarischen Parteien schicken, die möglicherweise Abgeordnete ins Parlament schicken werden. Alle Parteien haben die Fragen ausführlich beantwortet. Wir werden die Antworten bis zur Wahl in einer ausgelosten Reihe auf unserer Webseite veröffentlichen. Die Liste sieht folgend aus:
Jobbik
Die siebte Partei ist die Jobbik:
Erste Frage: Gegenwärtige Lage der Minderheiten
Die Partei Jobbik (Bewegung für ein besseres Ungarn) hielt es stets für wichtig, dass die Nationalitäten, die auf dem Gebiet Ungarns leben und die in der Verfassung zu Recht als staatstragend definiert werden, die weitreichendsten Minderheitenrechte genießen – die „Jobbik” war die einzige Partei, in deren Programm von 2010 und in den der späteren Jahre die programmatischen Punkte, die die Lage der Nationalitäten betreffen, Aufnahme fanden.
In der Zeit der ersten parlamentarischen Legislaturperiode der Jobbik verabschiedete das ungarische Parlament das neue Nationalitätengesetz, an dessen Vorbereitung auch wir einen bedeutenden Anteil hatten. Es ist wenigen bekannt, dass es der Parlamentsabgeordente István Szávay, national- und nationalitätenpolitischer Sprecher der Jobbik-Fraktion, war, der erreicht hat, dass im Falle zweisprachiger Ortsschilder und sonstiger Verwaltungsvorschriften die 10 bzw. 20 % – Marken aufgenommen wurden, denn die ursprüngliche Vorlage enthielt diese Marken nicht, sondern sie hätte es den örtlichen Magistraten überlassen, ob sie es als notwendig erachten, Maßnahmen bezüglich des Vorantreibens der Zweisprachigkeit in die Wege zu leiten.
Wir betrachten und analysieren die Lage der Nationalitäten realistisch, und wir sind uns der Prozesse bewusst, die zu der Assimilierung und dem Sprachverlust der Nationalitäten führen. Die Jobbik wird nach dem Regierungswechsel 2018 den Nationalitäten all die Unterstützung zukommen lassen, die es ermöglichen, diese Tendenzen umzukehren.
Unsere Partei ist Heimat zahlreicher ausgezeichneter Politiker mit deutschen Wurzeln, denken wir hier an Koloman Brenner, Gábor Staudt und István Szávay. Über sie wissen wir, dass die oben erwähnten Schwierigkeiten auch die Ungarndeutschen betreffen. Darüber hinaus betrifft die Auswanderungswelle, die ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist, das ungarländische Deutschtum in besonderer Weise, denn die Jugendlichen, die gut Deutsch sprechen, aber auch Ältere, verlassen das Land in Scharen.
Zweite Frage: Verbesserungsvorschläge
Der Jobbik sind die bürokratischen Hürden, die auch die Nationalitäten betreffen, wie auch die Unwägbarkeiten und Unberechenbarkeit des Fördersystems bekannt. Nach der Regierungsübernahme werden wir ein Ministerium für Nationalpolitik, das die Angelegenheiten der Auslandsmadjaren anhand einer einheitlichen Strategie verwaltet, schaffen – mit den Angelegenheiten der ungarländischen Nationalitäten wird sich dasselbe Ministerium beschäftigen, im Rahmen eines Staatssekretariats für Nationalitätenfragen.
Aus Sicht der Nationalitäten ist die Bewahrung ihrer Sprache eine Schlüsselfrage, deshalb wollen wir es ermöglichen, dass den Nationalitätenschülern zeitgemäßer Unterricht in der Muttersprache zuteil wird, was einen Revitalisierungsprozess der Sprache anstoßen könnte. Ein wichtiger Schritt hierbei wäre eine differenzierte Gehaltserhöhung bei den Nationalitätenpädagogen, um deren Beruf aufzuwerten.
Wir wollen die Förderung der Nationalitäten weiter erhöhen, wir werden darüber hinaus das Bewerbungsverfahren vereinfachen und die Möglichkeiten erweitern, um die Nationalitäten bei der Pflege und Weitergabe ihrer Traditionen, Kultur und Sprache zu unterstützen.
Wir halten es für wichtig, dass die Nationalitätenselbstverwaltungen das Recht zurückbekommen, an der Erstellung der Lehrpläne für die Nationalitätenschulen teilzunehmen.
Es ist eine große Schwierigkeit, dass man die Zahl der Abgeordneren in den örtlichen Nationalitätenselbstverwaltungen reduziert hat, deshalb werden wir in Ortschaften mit mehr als 100 registrierten Wahlbürgern die fünfköpfige Nationalitätenselbstverwaltungen wieder zulassen.
Wohlwissend, dass die Minderheit der ungarländischen Roma grundsätzlich mit anderen Problemen zu kämpfen hat, werden wir ihr Fördersystem gesondert behandeln.
Im Gegensatz zu Fidesz wissen wir, dass weder der Ungar/Madjare, der in London als Tellerwäscher arbeitet, noch der ungarndeutsche Jugendliche, der bei BMW in München arbeitet, aus Abenteuerlust sein Heimatland verlassen hat. Für uns sind beide ein herber und unersetzbarer Verlust. Deswegen werden wir in Kooperation mit den Nationalitätenselbstverwaltungen (insbesondere mit den deutschen) beziehungsweise mit den deutschen Firmen ein Programm entwickeln, damit sie nicht das Land verlassen, sondern hier zu Hause ihre Sprachkenntnisse und ihr Wissen anwenden und benutzen können.
Dritte Frage: Parlamentarische Vertretung
Die Jobbik unterstützt die parlamentarische Vertretung der Nationalitäten, es ist wichtig, dass ihre Wünsche, ihre Meinung auch im Parlament zur Sprache kommen. Der Ausschuss der Ungarländischen Nationalitäten kann auf eine erfolgreiche Amtsperiode zurückblicken, seine Arbeit erachten wir auch für die Zukunft als notwendig.
Die gegenwärtigen Wahlregeln erfuhren viel Kritik, vor allem deshalb, weil der Großteil der Nationalitäten rein rechnerisch keine Chance hat, einen vollwertigen Abgeordneten ins Parlament zu wählen. Darüber hinaus stieß es bei vielen auf fehlende Zustimmung, dass man zwischen der Nationalitäten- und den Parteipräferenzen wählen muss. Die gegenwärtige Situtation wollen wir ausgehend von internationalen Beispielen in Absprache mit den Führungspersönlichkeiten der Nationalitäten und mit Experten überprüfen.
Vierte Frage: Zweisprachigkeit im Alltag
Hier nahmen wir Bezug auf eine Initiative der slowakeimadjarischen Bewegung „Für eine zweisprachige Südslowakei” (Kétnyelvű Dél-Szlovákiáért), der es gelungen war, Fortschritte auf dem Gebiet der Zweisprachigkeit im Bahnbetrieb zu erzwingen.
Selbstverständlich stehen wir dahinter. Die Jobbik hat die Aktivitäten von „Kétnyelvű Szlovákiáért” aufmerksam verfolgt und auch die Veränderungen in der Rechtslage als dessen Folge. Da wir sehen, dass die slowakische Regelung in dieser Hinsicht den Minderheitenangehörigen mehr Rechte gewähren, hat Jobbik die Frage der Mehrsprachigkeit im Bahnbetrieb in ihr Wahlprogramm für die Wahlen 2018 aufgenommen, denn Ziel unserer Partei ist weiterhin, dass Ungarn in die Spitzengruppe gehört, hinsichtlich der Nationalitätenrechte. Wir halten es auf der einen Seite wichtig, dass sich die in unserer Heimat lebenden Nationalitäten als gleichberechtigte Bürger fühlen, andererseits denken wir, dass wir uns bei geregelten Nationalitätenverhältnissen daheim effektiver für die Rechte des Madjarentums in unseren abgetrennten Gebieten einsetzen können.
Foto: alfahir.hu