Keine Sammlung von staubigen Gegenständen

Keine Sammlung von staubigen Gegenständen

Neue Leiterin des Informationszentrums ungarndeutscher Heimatmuseen über die Erfahrungen einer Erkundungsreise, eigene Motivation und die Funktion von Heimatmuseen und -stuben in der Jugendarbeit

„Als ich im Februar dieses Jahres als Mitarbeiterin des Jakob Bleyer Heimatmuseums Wudersch/Budaörs die Leitung des Informationszentrums übernommen habe, habe ich von unserer Direktorin, Dr. Kathi Gajdos-Frank, das Buch „Häuser, die uns erzählen” von meiner Vorgängerin Gabi Jaszmann als Einstieg bekommen. Ich war selber überrascht, dass es in Ungarn über 100 deutsche Heimatmuseen und Heimatstuben gibt. Da das Buch jetzt über 10 Jahre alt ist, habe ich mir gedacht, dass man diese Museen mit einem „frischen Auge” besuchen könnte. Ich wollte auch unbedingt die Personen zeigen und vorstellen, die meistens in ihrer Freizeit aus purem Engagement die Führungen übernehmen. Auch hatte ich vor, die Bilder auf eine Geschichte aufzubauen, den Lesern die „Seele” dieser Häuser und die der örtlichen Gemeinschaften zu zeigen”, erzählt die Tarianer Katharina Bachmann, Leiterin des Informationszentrums und Verantwortliche der Facebook-Reihe „Erzählende Häuser – lebendige Häuser” des Jakob Bleyer Heimatmuseums, die sich vorgenommen hat, möglichst viele dieser Häuser zu besuchen und zu erkunden, um sie im Anschluss mit Rat und Tat zu unterstützen und dem breiten Publikum vorzustellen.

Der Weg von Kathi Bachmann führte bislang zu 15 Heimatmuseen von der Branau bis Borschod, der Tolnau bis Wesprim, wo sie nach eigenen Angaben überall herzlich empfangen worden sei: „Die Führungen machen meistens ehrenamtlich arbeitende, engagierte Menschen, oft aus der älteren Generation, die sich über das Interesse sehr freuen. Man spürt gleich eine Verbundenheit, kommt leicht ins Gespräch über Gott und die Welt. Sie erzählen und ich höre gerne zu. Eine sehr schöne, oft emotionale Erfahrung.” Für sie haben diese Erkundungsreisen auch den Charakter einer „Selbstfindung”: Dabei meint sie „eine Reise in meine eigene ungarndeutsche Geschichte”, wozu sie auch oft ihre 14-jährige Tochter Lena mitnehme.

„Der erste Eindurck ist, wie vielfältig wir in unserer von außen einheitlich geglauben Kultur sind. Ob die Form der Häuser, die Ausstattung des Hofes, die Funktion der Räume, die Farbe der Möbel, die Einrichtungsgegenstände, die Verzierungen – eine unglaublich breite Palette der ungarndeutschen Kultur, die wir auch nach fast 300 Jahren noch vorzeigen können”, freut sich die Tarianerin. Darüber hinaus mache sie immer wieder die Erfahrung, dass jedes Heimatmuseum eine echte Rarität beherberge: „Ob ein Webstuhl aus der alten Heimat in Hartau/Harta, ein gleichfalls aus der alten Heimat mitgebrachtes Heiligenbild in Trautsondorf/Hercegkút, ein bis in die 90er Jahre benutzer Leichenwagen in Tarian oder ein Hebammenkoffer in Untergalla/Tatabánya-Alsógalla, überall warten auf uns Schätze, die es auf jeden Fall wert sind, entdeckt zu werden.”

Die Funktion dieser Einrichtungen sei dabei sehr unterschiedlich und hänge auch von dem Schicksal der jeweiligen Ortschaft ab. Wo die Mehrheit der ungarndeutschen Bevölkerung vertrieben wurde, suchten die Nachkommen der Vertriebenen in diesen Gebäuden nach der Heimat, die ihren Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern geraubt wurde, sie fänden dort Antworten auf die Fragen, die sie in der Familie nicht mehr beantwortet bekämen. Dies gelte auch für das Bleyer-Heimatmuseum in Wudersch: Hier übernehme das Museum seiner Verantwortung bewusst auch die Aufgabe, vor allem Kindern und Jugendlichen Wissen und Erlebnisse zum Thema Ungarndeutschtum zu vermitteln, die Wurzeln (wieder)entdecken zu lassen. In anderen Gemeinden, wie in Bachmanns Heimatdorf Tarian, wo es keine Vertreibung gab, diene das Heimatmuseum als Treffpunkt örtlicher Vereine, als Veranstaltungsort für Nationalitätenprogramme, wo die lokalen Traditionen nicht neu entdeckt, sondern weitergepflegt würden. Für die Kulturmanagerin ist nach eigenem Bekunden „auch das Aufeinandertreffen der verschiedenen Generationen in den Heimatmuseen wichtig. Sie sollen keine Sammlung von staubigen Gegenständen sein, sondern ein Ort des erlebnisreichen Erfahrungsaustausches zwischen Jung und Alt. Natürlich fehlt vielerorts das Geld, aber Geldnot macht auch oft erfinderisch.” Auch das eine Erfahrung der Reise: Vielorts müsste man fällige Sanierungsarbeiten durchführen, aber das Geld fehle dafür.

Für das Einbinden der Jugend liefert Bachmann auch ein konkretes Beispiel: „Vor kurzem haben wir z. B. in Tarian für Schulkinder ein Programm mit dem Titel „Nachts im Museum” veranstaltet, wo sie in 10-köpfigen Gruppen erleben konnten, wie es war, in den 1940er Jahren den Abend als Bauernkind zu verbringen. Neben Kerzenlicht saßen die Kinder um den Küchentisch und haben in Stille Schmalz- oder Leckwar- (Marmeladen-, Red.) brot verspeist. Einige kamen zurück und fragten um ein weiteres Stück – sie hätten noch nie sowas Leckeres gegessen. Ich glaube, man muss nicht immer digital unterwegs sein, um den Menschen Erlebnisse bereiten zu können.”

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