Erntedank

Erntedank

„Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da“ – so heißt es in einem bekannten Kinderlied. Diese Jahreszeit bringt uns die schönen, bunten, herabfallenden Blätter der Bäume, eine gewisse Rückbesinnung auf das vergangene Jahr, eine Entschleunigung nach den sommerlichen Monaten – und vor allem: die Ernte. Im Herbst wird mancherorts für die reiche Ernte gedankt, und das wird im deutschsprachigen Raum festlich gefeiert. Folglich heißt dieses Fest: Erntedank.

Seit drei Jahren lebe ich in einer niederösterreichischen Gemeinde, und jedes Jahr im September werde ich Zeuge des in der Kirche gefeierten Erntedankfestes. Aus diesem Anlass habe ich zur Feder gegriffen, um meine Gedanken dazu festzuhalten.

Doch wie sieht dieses Fest aus, und welchen Stellenwert hat es in unserer Gesellschaft? Gibt es Erntedankfeste auch in Ungarn? All diesen Fragen möchte ich in meinem Beitrag nachgehen.

Es ist Sonntag, kurz vor 9:30 Uhr. Die Gläubigen versammeln sich im örtlichen Bauernmuseum, wo wir vom Bürgermeister und vom Pfarrer herzlich empfangen werden. Die Schulkinder bilden eine Gruppe mit ihrer Klassenlehrerin und nehmen auf den Bänken Platz. Viele Messebesucher sind in Tracht gekleidet. Die Glocken läuten, und die Klänge der Blaskapelle ertönen – sie geben dem Ereignis einen festlichen Ton. Alle sind da, und das Bauernmuseum ist mit dankbaren Menschen gefüllt.

Von weitem ist der Umzug mit der von Jugendlichen getragenen Erntekrone zu sehen, gefolgt vom Gemeindeoberhaupt. Als alle eintreffen, wird die Krone feierlich zum Altar gebracht. Sie ist aus Getreide gebunden und mit Maiskolben geschmückt – eine Ehre ist es, sie zu tragen. Dann beginnt der Gottesdienst. Die Kinder, die sich vor dem Altar versammelt haben, bringen zusätzlich Obst und Gemüse, die der Priester segnet. Dabei tragen sie kleine Danksagungsreime vor – für die Ernte, die Früchte, die Nüsse und all die Lebensmittel, die uns Gott in diesem Jahr geschenkt hat.

Ja, Gott hat uns mit all diesen Gaben beschenkt, und es ist nun an der Zeit, unsere Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Dieses Fest ist eine schöne und zugleich wichtige Gelegenheit, sich bewusst zu machen, dass wir alles von Gott empfangen – und das sollten wir nie vergessen. Der Schöpfer der Welt hat uns Regen und günstige Bedingungen zur Ernte geschenkt; ohne diese Gaben hätten wir heute keine Lebensmittel, für die wir danken könnten.

In Ungarn gibt es nur noch vereinzelt solche Feste – in einigen Dörfern wird die Tradition jedoch noch gepflegt. Weit verbreiteter sind allerdings die Weinlesefeste, die weniger religiöse Bedeutung haben. Sie sind eher fröhliche Straßenfeste, bei denen mit Weintrauben geschmückte Pferdekutschen die Weinleser durch das Dorf fahren. Dabei geht es um die reiche Traubenernte, nicht um die gesamte Jahresernte. Es wird viel getrunken, gesungen und gefeiert – und natürlich gehört auch die örtliche Tracht dazu. Leider ist ein Rückgang solcher Feierlichkeiten in Ungarn zu beobachten.

Die heutige Jugend kennt das Weinlesefest meist nur noch aus Erzählungen, da diese Traditionen zunehmend verschwinden und die ländlichen Regionen von der Entvölkerung betroffen sind. Die Großstädte ziehen die Menschen wie ein Magnet an, und so verlieren viele den alltäglichen Bezug zur Natur. Der moderne Mensch arbeitet nicht mehr auf dem Feld, um Lebensmittel zu erzeugen, sondern er kauft sie. Der bloße Erwerb von verarbeiteten Getreideprodukten steht für viele Jugendliche heute nicht mehr im Zusammenhang mit Gott und Dankbarkeit. In den „Konsumtempeln“ unserer Zeit fühlt man sich kaum erfüllt, nur weil man sich das Essen leisten kann. Man kauft es – und konsumiert.

Doch wenn wir die Erntezeit und die Feldarbeit einmal hautnah erleben und uns jedes Jahr im festlichen Rahmen bei Gott bedanken, dann verlieren wir auch das Gefühl der Dankbarkeit nicht.

Bild: https://bit.ly/47BtyNn

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!