Die Kirche von Nadasch/Mecseknádasd

Schwäbische Pfarrer und schwäbisches Zuhause: Wo sind sie geblieben?

Von Johann Till, Wemding / Ofalla (Ófalu)

Rückblickend auf meine Jugendzeit, erkenne ich, war die Stellung und das Verhalten unserer „geistlichen Herren” für uns Schwabenkinder von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Sie waren die ersten Führungspersonen, gleichsam als Autoritäten, die nach unseren Eltern auf uns einwirkten. Da wir ja schon vor dem Schulalter jeden Sonntag mitgingen in die Sonntagsmesse, selbst zu Wallfahrten (Zicko), dort im Anschluss oft vom Pfarrer angesprochen wurden, war der Pfarrer, schon vor dem Lehrer, die erste öffentliche „Pilotperson”, die auf uns einwirkte.

Ich hatte das Glück in meiner Heimatgemeinde Ofalla einem ausgesprochen liebenswürdigen und auf Menschen sehr offen zugehenden Pfarrer in der Person von Franz Kaufmann zu begegnen. Er stammte aus Nyomja, einem kleinen schwäbischen Dorf bei Petschwar, das eingegangen ist in die Gemeinde Surgetin. Breites Lachen und schwäbische Mundart waren selbstveständliche Begleitmomente bei Begegnungen mit ihm. Sein offen demonstriertes Bekenntnis zu seiner schwäbischen Herkunft war für uns Schwabenkinder, die wir später in der Schule für den Gebrauch unserer schwäbischen Muttersprache oft Strafarbeiten schreiben mussten, sehr wohltuend. Um die Jahre 1947-1960, als die antischwäbische Hetze und eine allgemeine ethnische Diskriminierung auf uns Ungarndeutschen hereinfielen, empfanden wir die Person und den Umgang unseres Pfarrers in unserer schwäbischen Gemeinde als eine freundschaftliche Geborgeneheit, eine Art Sicherheit auch außerhalb der Familie. Unsere Lehrer, die ja ebenfalls schwäbischer Abstammung waren, vermieden strikt jeglichen Gebrauch eines deutschen Wortes. Im Gegenteil, sie verteilten schriftliche Strafarbeiten, wenn wir beim Schwätzen in der Muttersprache auf dem Schulhof erwischt wurden. Die Messfeier und die Gebete vor dem Reiligionsunterricht, ebenso das Beichtgespräch, verliefen bei Pfarrer Kaufmann ebenfalls deutsch.

Wegen seinem konsequenten Verhalten gegen die Anweisungen von oben wurde Pfarrer Kaufmann vom Bischof in Fünfkirchen dann auch aus unserer rein schwäbischen Gemeinde in eine rein ungarische versetzt. Sein vorgesetzter Bischof nahm ihn nicht in Schutz. Sein Ansehen in der Gemeinde war groß und basierte nicht so sehr auf seiner amtlichen Autorität, sondern auf seinem überzeugenden, einfühlsamen Umgang mit den Menschen im Dorf. Auf seiner Glaubhaftigkeit und Standhaftigkeit, seiner vorgelebten Bescheidenheit und Sittlichkeit, ja, und auch auf seiner ansteckenden Lebensfreude, die ansteckend wirkte. Sie machten diesen quirligen, klein gewachsenen schwäbischen Seelsorger für mich unvergesslich. Er merkte instinktiv, wenn andere in Not waren und half ihnen, so gut er konnte. So verdanke ich auch ihm, dass ich damals, als Kind von so genannten Klassenfeinden, keine Aufnahme in ein staatliches Gymnasium fand, so dass ich auf seine Initiative hin zu den Benediktinern nach Martinsberg kam.

Später, schon im beruflichen Erwachsenenalter, hatte ich nochmal das Glück einen beispielhaften schwäbischen Pfarrer näher kennen zu lernen. Pfarrer Franz Galambos-Göller, Domherr zu Fünfkirchen, war auch einer der wenigen unerschrocken volkstreuen Geistlichen aus unseren Reihen. Auch er begrüßte und unterhielt sich bei Begegnungen in seiner Wohnung oder auch öffentlich stets in deutscher Sprache. Es sind jene zwei Geistlichen (ich würde sagen von zehn), die ich näher kennen lernte, mit denen ich auch privat freundschaftlich verbunden war, die sich nicht scheuten – oder schämten – ihre Herkunft, ihre schäbische Identität jederzeit offenzulegen. Die treu geblieben sind zu ihrem angestammten Volk und dafür auch Benachteiligungen in Kauf genommen haben. Es waren, so weit ich das beurteilen kann, beide auch gute Seelsorger und waren wohl deshalb auch sehr angesehen in ihren jeweiligen Gemeinden. Sie waren nicht nur „Geistliche Herren”, wie wir unsere Pfarrer etwas untertänig ansprachen, sie waren außerdem einfühlsame Seelsorger, auch starke Charaktere. Menschen, mit den wir Schwaben uns verbunden fühlen konnten, denen wir vertrauen konnten, an die wir uns immer hoffnungsvoll wenden konnten, bei denen wir uns in einer ethnisch unwirtlichen Zeit wie zu Hause fühlen konnten: In einem schwäbischen Zuhause. „Sagt mir, wo es heute ist, wo ist es geblieben…”

Mit der  deutschprachigen Seelsorge für unsere Landsleute in der Gegenwart ist es nicht gut bestellt. Die Versäumnisse oder Gleichgültigkeit der Kirchenführung in Bezug auf eine vorsorgliche  auch gute deutschsprachige (!) Ausbildung von Seelsorgern für die noch verbliebenen wenigen schwäbischen Gemeinden wurde nicht den gegebenen Möglichkeiten entsprechend hingewirkt.  So ist mir in jüngster Zeit nur ein deutschsprachig gut ausgebildeter schwäbischstämmiger Pfarrer begegnet, der – zwar erst auf Drängen und nur in zweiwöchigem Turnus –  eine  durchgehend  deutschprachige Messe, Liturgie mit Predigt, hielt. Ansonsten  sind der Anspruch und das Angebot für  uns Schwabenchristen so weit gesunken, dass das Absingen ein-zwei deutscher Kirchenlieder genügt, um die Messe offiziell  als „deutschsprachig” anzukündigen. Sehr glaubwürdig ist das nicht. Zufriedenstellend gewiss nicht. Ob sich die Kirchenleitung Gedanken macht?

 

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