Der gemeinsame Wille vieler guter Menschen

Das Beispiel der geretteten Murgauer/Marger Kirche zeigt, dass zivilgesellschaftliches Engagement Früchte tragen kann.

 __________________________________________________

Von Richard Guth

„Alles begann 1998 – in diesem Jahr sind wir nach Murgau (Marge)/Murga gekommen. Mein Mann spielte dann irgendwann in der 1796 erbauten Kirche Orgel und entdeckte dabei Risse. Daraufhin haben wir den Architekten Johann Krähling, Daniel Krählings Bruder, gebeten, sich der Sache anzunehmen. Es wurden Messungen durchgeführt, danach begann ein mehrjähriger Prozess”, erinnert sich die Historikerin Dr. Margit Balogh an die Anfänge der Kirchenrettung von Murgau (Marge).

Es ist nicht gut bestellt um die evangelischen Kirchen in der Tolnau, die durch Vertreibung, Abwanderung und Überalterung den Großteil ihrer Gemeindemitglieder verloren haben. So sank beispielsweise die Zahl der Bewohner von Murgau (Marge) seit 1941 (mit damals 1000 so gut wie nur evangelischen Einwohnern) von 1000 auf 52 im Jahre 2024 – darunter viele Zugezogene anderer Konfession oder ohne konfessionelle Zugehörigkeit. Auch wenn gerade in letzter Zeit durch Steuergelder mehrere Kirchen vor dem Zerfall gerettet werden konnten, stehen dennoch traurige Beispiele da wie das der Kirche von Wikal/Bikal, die teilabgerissen werden musste. „Auch im Falle der Murgauer Kirche wurde derselbe Fehler mit der fehlenden Wasserableitung begangen. Dennoch konnte hier das Wasser besser abfließen und im Rahmen der Kirchenrenovierung in vier Abschnitten konnte auch das Problem der Entwässerung gelöst werden”, erinnert sich Margit Balogh.

Aber alles der Reihe nach: Nach den Messungen wurde nach Baloghs Erzählung Bischof Péter Kondor aufgesucht, der aber sagte, dass die Kirche kein Geld habe, jedenfalls nicht für Kirchengebäude in entvölkerten Gemeinden. Man sollte es mit Bewerbungen versuchen. „Ich habe auf einer Historikerkonferenz 2021 Menschen kennen gelernt, die mich ermuntert haben, Gesuche bei offiziellen Stellen einzureichen. Da es keine Dokumentation der Kirche gab, musste zuerst diese erstellt werden. Zum Glück erhielt ich Unterstützung von Kunsthistoriker- und Archäologenkollegen von den ehemaligen Forschungsinstituten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA). Jeder hat gespürt, dass es eine verratene Kirche ist und dass es des gemeinsamen Willens vieler guter Menschen bedarf”, ergänzt die Wissenschaftlerin und Murgauer/Marger Lokalpatriotin.

Dabei handelt es sich im Falle der evangelischen Kirche von Murgau (Marge) um ein Unikat: Die Empore enthält Abbildungen von Martin Luther und König Josef II., zu dessen Regierungszeit die Errichtung der Kirche angestoßen wurde – in Ungarn einmalig. Aber auch das erhaltene Ensemble Kantorhaus, evangelische Schule und Kirche gebe es nur vier- oder fünfmal in Ungarn, so die Historikerin. Zeitweise gab es den Plan die Kirche in ein Freilichtmuseum umzusiedeln, was nach konstruktiven Gesprächen verworfen worden sei.

Die Renovierung wurde vom ehemaligen Chefdenkmalschützer der Diözese Fünfkirchen, Gábor Szász, geleitet und erfolgte in insgesamt vier Etappen. Durch eine Förderung des Gábor-Bethlen-Fondsverwalters (BGA Zrt.) in Höhe von 30 Millionen Forint (77.000 Euro) konnte zuerst die statische Sicherung erfolgen durch Metallsäulen und -drähte. Darauf folgten in den Folgejahren die Entwässerung, die Entfernung des alten Putzes, das Anlegen eines neuen Gehwegs und 2023 die Erneuerung des Turms. Dabei wurden 700 Kilo Blech verwendet, so Balogh. Dank der Restmittel konnte die Kirche verputzt werden und am 15. April 2024 die Baustelle übergeben werden – bei Endkosten von 84 Millionen Forint (210.000 Euro). Es werden nun die Bänke renoviert und weitere Arbeiten im Inneren ausgeführt.

Das Vorhaben wurde von Anfang an von der deutschen Gemeinschaft unterstützt. Der von Georg Fehr geleitete Komitatsverband Tolnau spielte in der ersten Phase eine wichtige Rolle, während diese immer mehr auf die DNSVW Bonnhard und Ilona Köhler Koch überging. Neben Bonnhard waren aber auch die deutschen Selbstverwaltungen von Falschnona/Felsőnána und Somba/Zomba dabei, als es um die Formulierung von Unterstützungsbriefen ging.

Die Kirche soll in der Zukunft sowohl sakralen, als auch weltlichen Zwecken dienen: „Letztes Jahr wurden vier reformiert-calvinistische Kinder hier getauft und es fand eine Hochzeit statt. Geplant ist aber auch, das Gebäude als Kulturstätte zu nutzen, um Konzerte abzuhalten”, freut sich Margit Balogh.

Dass der Ort Leben braucht, zeige die Entwicklung seit der Wendezeit, auch wenn die Bilanz nach Baloghs Eindruck insgesamt positiv ausfällt. In Murgau lebten nur noch zwei, drei Ungarndeutsche, mit dieser Zahl könne keine Kirche erhalten werden. Man rechnete zu Josef II. Zeiten mit 100 Erwachsenen, die nötig waren, um die Murgauer Kirche zu unterhalten. Durch Zuzügler konnten Häuser gerettet werden. Somit wirke Murgau (Marge) nicht als verlassenes Sackgassendorf, obwohl Post, Kneipe und Dorfladen nacheinander geschlossen wurden. Im ehemaligen Laden soll jetzt ein Heimatmuseum aus der Sammlung des Lehrers Zsolt Vitéz eröffnet werden.

 

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!