Auf den Spuren vertriebener ungarndeutscher Ahnen

Vorbemerkung der Redaktion: Eine bemerkenswerte Zuschrift erreichte uns vor wenigen Wochen aus dem Bundesland Sachsen. Der gebürtige Sachse Ekkehard Schmidt nahm mit uns Kontakt auf, inspiriert von der Reihe „Erinnerungen eines Ungarndeutschen” von Sanitätsrat Dr. Johannes Angeli (die Reihe können Sie jederzeit auf www.sonntagsblatt.hu, Menüpunkt „Geschichte” nachlesen). Schmidt ist verheiratet mit der Tochter deutscher Heimatvertriebener aus Mutschwa/Mucsfa in der Tolnau. Dr. Angeli war der Zahnarzt von Schwiegervater Heinrich Kerber (in Bennewitz), bis zu seiner Übersiedlung in die BRD im Jahr 1989. Aber nicht nur medizinisch versorgte der aus Isszimmer/Isztimér vertriebene Zahnarzt die Familie. Die von ihm zur Verfügung gestellten Weinstöcke trügen auch heute noch Früchte.  

_________________________________

Von Elfriede und Ekkehard Schmidt

Ende September, Anfang Oktober trafen sich insgesamt sechs Cousinen und Cousins sowie nahestehende Verwandte in Kehidakustány, Komitat Sala, bei unserer dort lebenden Cousine Martina Schmidt. Verbunden damit war der Besuch im Dorf Mutschwa/Mucsfa, Komitat Tolnau, aus dem 1947/48 unsere Eltern und Angehörige vertrieben wurden.

Aus vielfältigen Schilderungen (u. a. „Heimatlose Jahre von Péter László) waren wir langwierig informiert über Geschichte und Ereignisse unserer Vorfahren. Aber auch die Nachforschungen unseres Cousins Dr. Rothermel aus Waldkirch im Breisgau zur Vertreibungsdramatik und Ahnenforschung gaben reichlich Aufschluss.

Ehrfürchtig betraten wir die leider in die Jahre gekommene evangelische Mutschwaer Kirche, die dringlich einer äußeren Renovierung bedarf. Mir als ehemaligen Musiklehrer war es vergönnt, auf der Orgel einige Weisen zu spielen, unter dem Eindruck tiefer Ergriffenheit meiner Zuhörer.

Erinnnerung an das 1986 von den Vätern organisierte Heimattreffen in Mutschwa anlässlich der zweihundertjährigen Grundsteinlegung des Gotteshauses kam auf. Für die gerade aus der DDR und BRD u. a. Teilnehmenden war es ein berührendes Familientreffen trotz politischer Ungereimtheiten damaliger Umstände.

1

Ein weiterer Besichtigungsteil führte uns zum entfernten Friedhof. Nachdenklich gedachten wir an einer Familiengruft der dort Bestatteten, so auch Elisabeth und Heinrich Schmidt, ehemals aus Blaustein bei Ulm, die in heimatlicher Erde die letzte Ruhe fanden. Wir pilgerten an den Bauernhöfen vorbei und bestaunten die oft gut erhaltenen typischen in ungarndeutscher Bauweise (Säulengänge) errichteten Wohnhäuser, so u. a. von Familie Kerber und Weber.

Gern folgten wir an einem weiteren Abend der Einladung von Frau Tillmann, einer geborenen Rippert, deshalb Rippi genannt, in das liebevoll restaurierte Kellerhaus ihrer beiden Söhne zu Rinderpörkölt, süffigem Wein und schmackhaften Kuchen – alles aus „Eigenproduktion”. Das Treffen klang mit üblichen Trink- und Abendliedern aus vor der nächtlichen Rückfahrt nach Bonnhard, unserem Zwischenquartier im Domizil des einstigen Besitzers Perczel.

Am Vortag nahmen wir noch die günstige Gelegenheit wahr, um das Haus des Deutschen Nationalitätenkulturvereins mit Erläuterungen von Josef Jung zu besichtigen. Neugierig betrachteten wir die Ausstellungsstücke, angefangen vom Leiterpferdewagen in der Scheune bis hin zu Hof- und Feldgeräten in bester originaler Erhaltung. Interessant fanden wir den unter einer Abdeckung verborgenen, eigentlich etwas untypischen Keller unter dem Gebäude, das einen Säulengang ziert.

Zurück in Kehida namen wir im nahegelegenen Hévíz am Erntedankgottesdienst der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde Balaton-Hévíz teil. Pfarrerin Rita Mick-Solle überraschte mit einem Trompetenspiel. Ich war angetan vom perfekten Können der Kantorin Uschi Herbig. Der für uns krönende Abschluss war die Darreichung typisch ungarndeutschen Blechkuchens samt Kaffee im Anschluss an den Gottesdienst.

Dankenswerterweise chauffierte uns unsere Cousine Martina mehrmals mit ihrem geräumigen VW nach Ohfala/Ófalu und Grawitz/Grábóc um Kirchen und Dörfer zu besichtigen mit dem weiteren Ziel Mohatsch an der Donau. Eine Fahrt durch das west-nördliche Balatongebiet endete Nähe Balatonudvari im „Laci pince” zu gutem Essen und Trinken mit Balatonpanoramaaussicht.

Es war jedem vergönnt auch individuelle Ausflüge vorzunehmen: zur elebenswerten Aussichtsplattform Balatongyörök, zum Stausee bei Zalacsány oder zur Burg Sümeg.

Nicht zuletzt sei aber der gemeinsame Besuch in Masa-Saswar/Mázaszászvár (bis 1991 eine zwangsvereinigte Gemeinde in der Tolnau und Branau, seit 1991 wieder eigenständige Gemeinden, Red.) erwähnnt: Wohl etwas erschüttert standen wir am Bahnhof vor den Gleisen, auf denen 1948 unsere Eltern und nahen Angehörigen einwaggoniert wurden wie Tiere mit bescheidenen Habseligkeiten in bereitstehende Güterwagen, um darauf nach tagelanger menschenunwürdiger Fahrt in Pirna (ehemalige Sowjetisch Besetzte Zone) in Deutschland zu „landen”. Von Vertriebenen durfte man in der DDR nicht sprechen, „Umsiedler” waren sie.

Erst mitunter verhöhnt, bauten sie alsbald mit viel Fleiß eine neue Existenz auf. Mein Schwiegervater Heinrich Kerber, einst Bauernsohn, qualifizierte sich zum Obermeister in der Zellstoff- und Papierfabrik in Trebsen bei Leipzig.

Umso erfreulicher war die Begegnung mit Ungarndeutschen, die sich seinerzeit in Masa-Saswar ansiedelten wie Familie Schwab. Viele der „Masaer” waren in den Bergwerken um Kumlau/Komló bei Fünfkirchen beschäftigt, u. a. unser Onkel Johann Rippert, oft Urlaubsquartiergeber. Seine Tochter Edith, Seniorenpflegerin bei München, war zum Treffen angereist.

Die Stadt Kumlau erkannten wir nach längerer Besuchspause hinsichtlich des enormen Baufortschritts kaum wieder. Zurück fuhren wir gen Norden über Boglárlelle auf bewundernswert gut ausgebauten Landstraßen. Zugegeben waren wir „Ossis” nach der Wende weniger in Ungarn als im westlichen Ausland. Dennoch erkannten wir trotz gesundheitlicher Einschränkungen die Pflicht, am lang geplanten Treffen „Mutschwa” teilzunehmen.

Im Reisegepäck führten wir auch eine schwere Reisetasche mit Fotoalben und ungarndeutscher Literatur mit bis hin zu Unterlagen unserer Eltern und ihrer Vorfahren. So tauschten wir oft emotional Gedanken, Erfahrungen und Erinnerungen auf den Spuren unserer Ahnen aus. Besonderer Dank gilt fabei Gatsgeberin Martina Schmidt sowie Andreas Kolbert von Lebenbaum-Életfa (DNSVW Bonnhard).

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!