Vortragsreihe in Sanktiwan bei Ofen anlässlich der 300-Jahr-Feier der Ansiedlung / Organisatorin Dr. Maria Mirk im SB-Gespräch
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Von Richard Guth
„Die Vortragsreihe war in der Tat meine Idee, auch die Organisation obliegt mir. Am zweiten Donnerstag jeden Monats halten Experten zu verschiedenen Themenbereichen einen Vortrag. Beim ersten Vortrag im Januar ging es um die Geschichte Sanktiwans vor der Ansiedlung im 18. Jahrhundert. Den Vortrag hielt der Historiker und Archäologe, der die Ausgrabungen vor Ort führte. Die Stimmung war wunderbar, die Zuhörerschaft hat mit viel Interesse zugehört. Aufgrund des vollen Raumes haben wir uns entschlossen, die Veranstaltungsreihe in die Aula der Grundschule zu verlegen”, gewährt Dr. Maria Mirk, Organisatorin der Vortragsreihe im Jubiläumsjahr 2024, einen Einblick hinter die Kulissen.
Der Ansiedlungsvertrag
Am 24. April 1724 unterschrieben deutsche Siedler den Ansiedlungsvertrag mit dem Grundherrn, dem Augustinerorden, also vor 300 Jahren – ein Grund zum Feiern. In diesem besonderen Jahr soll das Gedenken das ganze Kalenderjahr umfassen: Neben der Vortragsreihe sind unter anderem das Aufstellen eines Denkmals, das Einbetonieren einer Zeitkapsel und die Vorführung eines Schauspielstücks über die Ansiedlung geplant.
Die Vortragsreihe selbst findet in ungarischer Sprache statt. Warum eigentlich?, wollte ich von der Germanistin wissen. „Viele Vortragende sind der deutschen Sprache nicht mächtig, dabei wollten wir wirkliche Experten des jeweiligen Bereichs wie Traditionen, Dialekt, Religionsleben oder Tracht für die Reihe gewinnen. Zudem leben in Sanktiwan mittlerweile viele Zugezogene, auch sie wollen wir mit den Vorträgen ansprechen”, lautet die Antwort von Maria Mirk. Aber auch unter den Einheimischen beherrschten immer weniger Menschen die Sprache, vor allem den donaubairischen Dialekt, was „ich bedauere”, so die Organisatorin. „Wir müssen dabei zugeben, dass die Sprache immer mehr ins Hochdeutsche übergeht”, ergänzt sie, mit dem Ableben der Dialektsprecher habe sich beispielsweise auch der Mundartkreis aufgelöst. In der Gemeinde sehe man immer mehr unbekannte Gesichter, man fühle sich zunehmend fremd im eigenen Heimatdorf.
Dennoch betrachtet die gebürtige Sanktiwanerin die Lage differenziert: „Wir sind zwar in der Minderheit, trotzdem haben wir sehr gute Vereine wie den Ortsgeschichtsverein, den Chor oder die Musikkapelle. Wir pflegen die Traditionen aus der Vergangenheit, aber wollen in die Zukunft weitergehen”, so die pensionierte Lehrerin. Dabei hebt sie das Sommerlager und den Volkskundeunterricht in der Schule hervor, beide stärkten das ungarndeutsche Selbstbewusstsein („ich habe das Gefühl, dass man sich gerne dazu bekennt”), zumal für die Kinder die alten Traditionen nur noch Geschichte seien, die in der Familie nicht mehr erlebt würde. Dies sei aber ein globaler Trend, so der Eindruck der Akademikerin.
Auch bei der Gemeindepartnerschaft mit Marktleugast seien es die Vereine, die diese tragen würden. Und hier treffen sich Partnerschaft mit dem Mutterland und das Jubiläum, was mit Begeisterung vorbereitet werde: Eine Abordnung aus Marktleugast, mit Musikkapelle, wird Ende April in der einstigen Bergbaugemeinde im Pilisch erwartet.
Die Vorträge in ungarischer Sprache (jeweils ab 18 Uhr, Aula der Grundschule):
- Januar: Sanktiwan vor der Ansiedlung im Spiegel von Ausgrabungen, https://www.youtube.com/watch?v=XMkgCjK7Fqg (den Vortrag können Sie hier nachsehen)
- Februar: Die Ansiedlung der Deutschen in Sanktiwan (Agathe Ziegler, István Kovács)
- März: Die Volkstracht in Sanktiwan (Szabolcs Zsámboki)
- April: Der deutsche Dialekt des Ortes (Dr. Maria Mirk)
- Mai: Die Pfarrkirche von Sanktiwan (Thomas Marlok)
- Juni: Das religiöse Leben von Sanktiwan (Ildikó Somogyi-Marlok)
- Juni: Familien- und sonstige Feier, Ernährungsgewohnheiten im alten Sanktiwan (Renata Scheller, Maria Drevenka-König)
- August: Der Kohlebergbau in Sanktiwan (Balázs Csovics)
- September: Kindergarten und Schule im alten Sanktiwan (Gyöngyvér Keszléri, Zsuzsanna Pogonyi-Mravinac)
- Oktober: Die Friedhöfe (Stefan Stocker)
- November: Musik, Tanz und Gesang in alten Zeiten (Jessica Marlok, Henriett Rádler, Dr. Maria Mirk)
- Dezember: Kulturleben in der Vergangenheit (Elisabeth Gátas)