Von Ibolya Lengyel-Rauh
Als Fortsetzung meiner Artikelserie erhält der Leser jetzt einen Beitrag über den Alltag der Dorfbewohner in Pari von der Jugend bis zum Tod.
Nach dem Abschluss der Elementarschule begann das richtige Leben für die Jugendlichen. Sie halfen bei dem Haushalt zu Hause aus, arbeiteten auf den eigenen Feldern, im Wald oder verdienten ihr eigenes Geld als Tagelöhner. Die meisten haben keinen Beruf erlernt.
In den Wintermonaten kamen die Mädchen am Abend von 18.00 Uhr bis 21.30 Uhr bei jemandem zusammen und machten Handarbeiten. Sie strickten und häkelten. Die Jungen kamen auch dorthin und spielten Karten, unterhielten sich und sangen. Später begleiteten sie die Mädels nach Hause. Von diesen Bekanntschaften kam es oft zu einer Ehe. Im Frühling und Sommer sah man sich nur sonntagabends und an Feiertagen. Es gab jedes Jahr dreizehnmal einen Ball bzw. ein Fest: 1. Dreikönigsfest, 2. Faschingssonntag, 3. Faschingsmontag, 4. Faschingsdienstag bis Mitternacht, 5. Ostermontag, 6. 1. Mai, 7. Pfingstsonntag, 8. Peter und Paul, 9. Heiliger Stefan, 10. Kirmes (am St. Michaelstag) 11. Katharinentag, 12. Stephanstag, 13. Silvester
An diesen Bällen konnten sich die Jugendlichen einander kennen lernen und sich miteinander unterhalten. Oft waren die Mütter dabei, als die Heranwachsenden die ersten Worte miteinander wechselten. Nach so einem Kennenlernen kam es oft zu Hochzeiten in Pari. Die Verlobte war meistens minderjährig (14-16 Jahre alt). In vielen Fällen wählten die Eltern den zukünftigen Mann oder die Frau ihres Kindes aus. Nach dem Kennenlernen folgte bald die Hochzeit. Geheiratet wurde vor der Kriegszeit dienstags, während der Kriegszeit donnerstags.
Hochzeiten
Die Hochzeitsvorbereitung begann vier Wochen vor der Hochzeit mit dem Handstreich (die Verlobung). Das wurde auch schon gefeiert. Danach wurden die Brautleute in der Kirche zum Gottesdienst ausgerufen. Es wurde bekanntgegeben, wer wen heiratet. Die Brautleute waren in den vier Wochen bis zur Hochzeit immer im Gottesdienst anwesend und sehr festlich gekleidet. In dieser Zeit wurde zur Hochzeit eingeladen. Zu Friedenszeiten waren es an die 300 Gäste. Das Brautpaar lud die jugendlichen Gäste, d. h. die Jungferkränzli und die Junggesellen ein. Die Eltern luden die übrigen Gäste ein. Die Jugendlichen trafen sich schon am Vorabend der Hochzeit. Sie wurden zusammengepaart und die Mädchen mussten den Jungen die Hüte schmücken. 14 Tage vor der Hochzeit musste die Kleidung (Tracht) der Braut vorbereitet werden. Die Péntek (Unterröcke) wurden gewaschen und gestärkt. Dazu kamen auch schon die Verwandten zu Hilfe. Die Röcke wurden plissiert (gefältelt), dazu brauchte man mehrere Hände. Die Braut zog sich am Hochzeitstag mehrere Male um und zeigte, wie viele schöne Trachten sie besitzt. Das Brautkleid war meist dunkel, aus Seide oder Brokat, auch gemustert. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich das Hochzeitskleid und die Braut bekam ein weißes Kleid. Vor Mitternacht zog sich die Braut noch einmal ganz hell an, sogar auch weiß.
Die Vorbereitung des Essens für die Hochzeit dauerte acht Tage. Die nächsten Verwandten waren immer dabei. Man begann mit dem Brotbacken (Schwarzbrot, Weißbrot). Dann Gugelhupf und Nudeln machen! Die Männer schlachteten Schweine und bereiteten Fleisch und Wurst vor. Die Frauen schlachteten Hühner und buken Strudel. Die Kuchelleute (Helfer) mussten natürlich auch essen. Mittags gab es Einmachsuppe, gekochte Brat- und Blutwurst und Strudel. Abends gab es Suppe, Kochfleisch mit Meerrettich, Kraut und Knödel, gebratenes Geflügel und Schweinefleisch – alles mit Brot und Saurem.
Anschließend wurden beim Abendbrot Gebäck und Torte serviert. Die Verwandten brachten Musik (Kapelle) mit und servierten mit Gesang und Juchzen den Nachtisch. Sie hatten aber auch pro Familie eine Henne, Eier, Quark und Sahne mitgebracht. Zur Hochzeitsvorbereitung bei den verwandten Männern gehörte auch, dass im ganzen Dorf Teller, Schüsseln, Töpfe, Bratpfannen, Essbesteck zusammengeholt werden mussten. Und auch Tische, Stühle und Bänke!
Ablauf der Hochzeit
Die Trauung beim Standesamt war vormittags – nur die zwei Trauzeugen waren dabei. Das Fest begann mit der kirchlichen Trauung. Vom Hochzeitshaus ging es mit Musik erst zum Bräutigam. Beim Spielen des dritten Marsches übergab der Vater seinen Sohn den Trauzeugen. Nun holte der Hochzeitszug die Braut ab. Beim dritten Marsch übergab der Brautvater seine Tochter den Brautführern und es ging mit Musik zur Kirche. Die Hochzeitsgäste waren alle schon dabei. Das ganze Dorf kam zur Brautschau. Von den Kuchelleuten wurden Weißbrot, Gugelhupf und Wein an die Zuschauer verteilt. Nach der Trauung ging es ins Hochzeitshaus. Erst wurden dem Brautpaar Glückwünsche ausgesprochen, danach wurden Ehrenreihen mit dem Brautpaar getanzt. Dann folgten lustige Tänze, z. B. „Schuster, flick mein’ Schuh“, „Gólya, Gólya, das ist mein Kopf“, und viele andere. Es ging bis zum Abendessen. Nach dem Abendessen wurde die Tanzfläche wieder freigemacht und es ging sehr lustig weiter mit Spielen und Tänzen. Um Mitternacht wurde der Kranz abgenommen. Die Brautleute kleideten sich als junges Ehepaar. Es wurden die Geschenke überreicht, meist Geld, aber in kleineren Mengen. Nun ging es bis früh lustig weiter. Das junge Paar verabschiedete sich eher, es ruhte sich etwas aus und wurde früh mit der Kapelle wieder ins Hochzeitshaus geholt. Es musste den Kuchelleuten helfen, Ordnung zu machen, da ging es auch lustig zu. Die kommende Woche zog die junge Frau zu ihrem Mann zu den Schwiegereltern. Sollte aber eine Familie mehrere Kinder haben, zog der jüngere Sohn zu seinen Schwiegereltern. Es lebten drei bis vier Generationen in einem Haus. Das Sagen hatten aber nicht die Jungen, sondern die Alten. Vor allem hatte die Schwiegermutter das Recht, den Haushalt zu führen und das Geld einzuteilen. Sie kümmerte sich um den Haushalt, das Geld und das Kochen. Die jungen Verheirateten mussten auch selbst nach Geld fragen, wenn sie das brauchten.
Der Tod
Da mehrere Generationen zusammenlebten, war der Tod auch ein fester Bestandteil des Lebens. Damals war die Gesundheitsversorgung nicht ausreichend, dementsprechend war die Todesrate sehr hoch. Viele starben an gängigen Seuchen wie Tuberkulose etc. Zwischen 1920 und 1950 starben 680 Dorfbewohner, darunter mehr als die Hälfte an Lungenentzündung. Die Sterblichkeit war bei den Säuglingen und Kindern auch sehr hoch. Einen Arzt hatte das Dorf nicht. Sollte jemand schwer erkrankt sein, wurde nach dem Arzt gerufen, der im Nachbardorf zu finden war. Da die Parier religiös waren, war die Krankensalbung ihnen sehr wichtig. Sollte jemand kurz vor dem Sterben stehen, wurde nach dem Priester gerufen; er rieb den Kranken an den Händen und der Stirn mit geweihtem Öl ein. Außerdem erhielt der Schwerkranke noch die Sakramente der Buße und der Kommunion. Sollte er sterben, wurde der Verstorbene gewaschen und festlich gekleidet und im ersten Zimmer ins Bett gelegt. Die Familienangehörigen hielten Nachtwache und Tag und Nacht beteten sie für ihn. Die Fenster und die Spiegel wurden mit einem weißen Tuch bedeckt. Der Tote blieb bis zur Beerdigung in seinem Haus, die Dorfleute kamen vorbei und beteten für ihn auch. Nach dem Tod wurde der Pfarrer benachrichtigt und die Glocken verkündeten den Verlust eines Dorfbewohners. Als der Tag der Beisetzung (1-2 Tage nach dem Tod) kam, kamen die Angehörigen und nahe Bekannte beim Todeshaus zusammen und begleiteten den Toten auf seinem letzten Weg in den Friedhof. Beerdigt wurde immer nachmittags. Das Grab wurde von den Verwandten gegraben und der Sarg von ihnen beigesetzt. Mit Blumen wurde das Grab geschmückt, einen Kranz gab es damals nicht. Die Beisetzung fand religiös statt. Sollte jemand Selbstmord begangen haben, wurde er ohne Zeremonie am Rande des Friedhofs zur Ruhe gelegt, ebenso auch ein Säugling, der tot auf die Welt gekommen oder kurz nach seiner Geburt aus dem Leben ohne Taufe geschieden war. Einen Monat später wurde ein Festmahl für den Verstorbenen gehalten. Dem Verstorbenen wurde auch ein Grabstein aufgestellt, wenn die Familie sich das leisten konnte. Es gibt in Pari ein Denkmal auf dem Friedhof für die angesiedelten Deutschen, die damals ihre Heimat hier gefunden hatten. Dort sind alte Grabsteine aus der Zeit 1920-1950 aufgestellt. Getrauert wurde ein Jahr. Sollte ein Mann verwitwet werden, durfte er bald wieder heiraten, eine verwitwete Frau blieb hingegen ein Jahr lang Witwe. Danach durfte sie sich einen neuen Mann wählen.
So ergab sich das in meiner Familie: Als in meiner Familie die Frau meines Ururgroßvaters verstorben war, wählte er eine Witwe aus einem anderen ungarndeutschen Dorf aus, die schon ein Jahr lang alleine gelebt hatte. Sie nahm ihre Kinder mit in die neue Ehe, wo es auch schon gleichaltrige Kinder gab, später heirateten die Stiefgeschwister und ein Teil meiner Familie entstand so. Heutzutage würden wir das „Patchworkfamilie“ nennen.
In meinem nächsten Artikel werde ich über die Feste in Pari schreiben.