Das Erbe (7) – Blogeintrag widmet sich der Geschichte der Deutschen im Waschoner Becken

Von Richard Guth

Ein bemerkenswerter Beitrag ist im Blog „Vázsonykő” Anfang 2022 anlässlich des Gedenktages der Verschleppung und Vertreibung erschienen („De hisz mi mind magyarok vagyunk!” – a Vázsonyi-medence német gyökerei). Autor des Beitrags ist Dr. Csanád Kandikó. Der Artikel beschäftigt sich mit der Geschichte der deutschen Gemeinschaft in und rund um Großwaschon/Nagyvázsony nördlich des Plattensees. Genauer gesagt geht es um fünf Ortschaften: neben dem Kinizsi-Ort Großwaschon Barnig/Barnag, Pulau/Pula, Werstuhl/Vöröstó und Totwaschon/Tótvázsony.

Kandikó wagt dabei einen Blick auf die historische Entwicklung und beschreibt die Ansiedlung der Deutschen zu Beginn des 18. Jahrhunderts, da die Siedlungen, gegründet in der Arpadenzeit, unter der osmanischen Herrschaft nahezu vollständig zerstört worden seien. Die Grafenfamilie Zichy als Grundherren kümmerte sich um die Anwerbung von deutschen Siedlern aus Süddeutschland. Die ersten Siedler kamen nach den Angaben Kandikós um 1715 nach Vázsonykő (Großwaschon), was die Zichys mit Landwirten bescherte und der Rekatholisierung diente. Zuletzt wurde auch Pulau besiedelt – eine Besitzung der Familie Esterházy (wohl die gräfliche Linie) – so dass die Deutschen im Becken von Waschon Ende des 18. Jahrhunderts die Mehrheit der Bevölkerung stellten.

Nach Angaben des Autors habe die deutsche Bevölkerung lange ihre Sprache bewahrt, dennoch habe sich schnell ein Zugehörigkeitsgefühl der deutschen Siedler – die vor der vornationalistischen Zeit die deutschen Gebiete verlassen hatten – zur ungarischen Nation entwickelt. Ein Beweis dafür sei gewesen, dass die Waschoner Deutschen im Freiheitskampf von 1848/49 zahlreiche Söhne als Soldaten zur Verfügung gestellt hätten, so unter anderem die Rekruten aus Pulau, die mit Kameraden aus Sala bei Ofen/Buda gekämpft hätten. Pulauer seien es übrigens gewesen, die aus Protest so genannte Kossuth-Hüte getragen hätten.

Die Deutschen hätten nach Kandikó vornehmlich untereinander geheiratet, hierbei habe die konfessionelle Zugehörigkeit den Ausschlag gegeben, so wie auch in anderen Landesteilen. Diese Segregation habe am längsten in Barnig gehalten; hier sei es erst in den 1960er Jahren zur ersten Mischehe gekommen. Der Autor geht dabei auch auf die Demografie ein: In Großwaschon stellten die Deutschen Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts knapp die Hälfte der Bevölkerung, in den übrigen Orten lebten fast nur Deutsche. Durch die Aufwertung von Schulbildung habe sich die Assimilation beschleunigt. Am deutlichsten ist dies im Zentrum Großwaschon zu beobachten, wo die Zahl der deutschen Muttersprachler bis 1910 von 1100 auf 307 fiel. Kandikó sprach dabei von einem natürlichen Prozess des Sprachverlustes, nicht zuletzt aufgrund des madjarischen Umfeldes der umliegenden Städte. Brauchtum hätten die Bewohner aber bewahrt, so auch die Pirgerschaft (ung. pirgerség/pürgerség) – am besten mit Bürgerwacht oder -garde zu übersetzen. Deren Aufgabe war es für Recht und Ordnung zu sorgen. Nach der Gründung der Gendarmerie habe sich die Rolle der Pirgerschaft auf protokollarische Aufgaben wie Ehrenwache bei religiösen Festen beschränkt. In Großwaschon gab es zwei Pirgertruppen: eine vornehmlich aus deutschen Landwirten bestehend und eine aus madjarischen Gewerbetreibenden. Interessant sei es, dass die Befehlssprache in beiden Truppen deutsch gewesen sei. Dies, obwohl die Zahl der Deutschsprachigen 1941 nur noch 65 betrug!

Die Vertreibung betraf etwa 40 % der Bakonyer Deutschen, die Mehrheit der deutschen Bewohner der fünf Gemeinden sei jedoch von der Vertreibung verschont geblieben. Interessant sei dabei das Schicksal der Barniger gewesen, die durch eine Sabotageaktion gegenüber den deutschen Besatzern die Anerkennung der madjarischen Bewohner erworben hätten, die sich wiederum bei den Behörden um einen Verbleib der Deutschen bemüht hätten.

Heute würden neben dem Hungarus-Selbstbewusstsein immer mehr Menschen zu ihren deutschen Wurzeln stehen und ihre Traditionen pflegen. Der Beitrag geht dabei auf die sprachliche Situation der Bakonyer Deutschen in der Gegenwart nicht ein.

Quelle: https://vazsonyko.blog.hu/2022/01/19/_de_hisz_mi_mind_magyarok_vagyunk_a_vazsonyi-medence_nemet_gyokerei?fbclid=IwAR3heyVuDVinf4YiHYo8qiZrxjSUDYdeVey83OrkEpLaOkU-SAVQhGvfbYE

Beitragsbild (Das Schumacher-Haus in Großwaschon): https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nagyv%C3%A1zsony,_a_Schumacher-h%C3%A1z_%28n%C3%A9prajzi_gy%C5%B1jtem%C3%A9ny%29_udvari_homlokzata.jpg

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