Steh’ dazu, aber tu’ auch aktiv was dafür!

Aktualisierte LdU-Strategie liegt vor – es kommt auf uns an, diese mit Leben zu füllen

__________________________________________

Von Richard Guth

„Die deutsche Sprache ist unsere Muttersprache, sie ist eines der wichtigsten Elemente unserer Identität und gleichzeitig Symbol der Zusammengehörigkeit unserer Volksgruppe. Unsere Muttersprache zu gebrauchen ist unser Recht, aber auch unsere Pflicht. Wir müssen alles in unseren Kräften stehende tun, damit der Gebrauch der deutschen Sprache verbreitet und zur Selbstverständlichkeit wird. deshalb setzen wir uns für den bewussten Gebrauch der deutschen Sprache im öffentlichen Leben ein. In den Veranstaltungen unserer Gemeinschaft, aber auch in unserer alltäglichen Kommunikation sprechen wir deutsch. Dem Gebrauch der deutschen Sprache in den kirchlichen Zeremonien messen wir eine besondere Bedeutung bei. Die Bewahrung und Weitergabe der ungarndeutschen Dialekte an die jüngeren Generationen ist unsere besondere Pflicht”, so steht es in der Präambel zu „Steh´ dazu!“, der aktualisierten Strategie der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU). „Steh´ dazu!“  ist unterteilt in unterschiedliche Bereiche wie Politik/Öffentlichkeit, Erziehung und Bildung, Kultur, Kommunikation und Jugendarbeit und versucht, diese Bereiche über die Formulierung von Zielsetzungen mit Inhalt zu füllen, die mit Indikatoren verbunden sind. Diese Indikatoren lassen selbst aber noch viel Spielraum für eine Interpretation – ob diese erreicht wurden – zu.

Wie jede Strategie, bewegt sie sich dennoch auf einer abstrakten Ebene. Die richtige Arbeit, die das Ganze mit Inhalt und Leben füllen soll, muss die Basis leisten. Bemerkenswert ist dabei, dass die Präambel mit einem Bekenntnis zur deutschen „Mutter-”Sprache beginnt – somit wird diese an die oberste Stelle gehoben, gewissermaßen als Dreh- und Angelpunkt unseres Tuns und Handelns – ganz im Sinne der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft und des Sonntagsblattes.

Der Anspruch eines aktiven Sprachgebrauchs durchzieht die Strategie und taucht an unterschiedlichen Stellen auf. So gleich unter Punkt vier der Präambel, wo es um die „Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls” geht: Demnach müsse es zu einer „Selbstverständlichkeit werden, dass wir bei unseren Veranstaltungen, bei unseren Festen deutsch sprechen”. Darüber hinaus befürwortet die Strategie, dass „Eltern ihren Kindern deutsche Vornamen geben”. Beide Bereiche stehen im Brennpunkt des Interesses, jedenfalls bei uns vom Sonntagsblatt. Denn wie oft verzichtet man bereits beim Online- oder Offline-Bewerben von Veranstaltungen auf die deutsche Sprache und wie selten hört man deutsches Wort oder Mundart bei den Veranstaltungen?! Vor dem Hintergrund dieses Befundes könnte sich jeder kritische Geist fragen, was uns von einer madjarischen Organisation unterscheidet?! Die Sprachpraxis sicherlich nicht! Deutsche Vornamen? Ja! Das entsprechende Verzeichnis kann jeder auf der Internetseite der LdU herunterladen und bei jedem Standesamt des Landes vorlegen lassen. Im Falle der bereits Geborenen stünde eigentlich nichts im Wege einer offiziellen Namensänderung – einige haben es bereits getan. Aber auch inoffiziell ließe sich doch gerade in der ungarndeutschen Öffentlichkeit die deutsche Vornamensvariante verwenden – selbst bei LdU-Abgeordneten vermisst man oft schmerzlich dieses bewusste „Ich steh’ dazu”. Bei allem Respekt gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen bei der Namenswahl!

Auch im Abschnitt „Politik” taucht die Sprache an prominenter Stelle auf: „Die Vermittlung – bzw. Wiederbelebung – der deutschen Sprachkompetenzen und der damit verbundenen kulturellen Werte ist die unerlässliche Voraussetzung für die Stärkung einer deutschen Identität. Beim Ausbau unserer Bildungsautonomie setzen wir uns deshalb für die Entwicklung des zweisprachigen bzw. einsprachigen Unterrichts ein.”

Sprache und Identität gehen also Hand in Hand. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass dieser Gedanke auch im Teil „Erziehung und Bildung” (in dieser aus meiner Sicht richtigen Reihenfolge) Kernthema ist, denn: „Die deutsche Sprache und Kultur erachten wir als unverzichtbare Voraussetzungen für die Erhaltung und Stärkung ungarndeutscher Identität”. Dabei wird bei der Vermittlung der deutschen Sprache und Identität sowohl dem Elternhaus als auch den Kindergärten und Schulen gleichermaßen eine „bestimmende Funktion” zugesprochen. Bei den Indikatoren bekennt sich die Strategie zur ein- und zweisprachigen Form, wobei „die zweisprachige Unterrichtsform an Bedeutung” gewinnen soll (durchaus eine realistische Lageeinschätzung). Dies wäre insofern ein großer Wurf, denn heute dominiert die „sprachunterrichtende Form” – vielfach und immer noch ein Abbild deutschen Fremdsprachenunterrichts – ergänzt um Nationalitäteninhalte. Auch der Anspruch, dass „im Alltag der ungarndeutschen Erziehungs- und Bildungsinstitutionen die Zweisprachigkeit” „charakteristisch” sein soll, ist ein hoher. Bei der derzeitigen Krisensituation im schulischen Bereich (geringe Löhne nahe des Existenzminimums, Lehrermangel, hohe Fluktuation, fehlender Nachwuchs, immer rigidere normative Bestimmungen und Beschneiden von Autonomierechten) stellt sich die berechtigte Frage, inwiefern sich – selbst mit eigenen Institutionen im Rücken – über die bloße Bewahrung des Status quo hinaus deutliche Fortschritte in Richtung des Ausbaus des zweisprachigen bzw. einsprachigen Unterrichts erzielen lassen. Die Versorgung mit DFU-Fachlehrern stellt die Schulen ja schon seit jeher vor große Herausforderungen. Zudem bildet sich das Ganze in vielen Familien in Form von Deutsch versus Englisch ab – Deutsch zieht dabei oft den Kürzeren. Dies müsste eigentlich eine bewusste Entscheidung sein, dabei verkennt man aber, dass für die Mehrheit Deutsch keine Muttersprache mehr darstellt. Dieses als Familiensprache wiederzubeleben – was wiederum Voraussetzung für diese bewusste Entscheidung zugunsten des zwei- oder einsprachigen Unterrichts wäre – ist ein schwieriges, wenn auch nicht unmögliches Unterfangen. Das zeigen zahlreiche positive Beispiele! Dass der LdU die Brisanz der Lage und die begrenzten Möglichkeiten durchaus bewusst sind, zeigt unter anderem, dass man selbst bei Qualitätssicherungsmaßnahmen wie beim Erlangen des Gütesiegels „Exzellente ungarndeutsche Schule” auf Freiwilligkeit setzt. Richtig so, denn mit der Brechstange wird man im Bildungssektor keine nachhaltigen Veränderungen erreichen.

Der Begriff „Sprache” findet sich in den Abschnitten „Kultur” und „Kommunikation” bereits seltener, wobei auch im Alltag der Kulturgruppen der in der Präambel formulierte Anspruch der Deutsch- bzw. Zweisprachigkeit Einzug halten müsste. Für „Religion/Kirche” gelten folgende Indikatoren: „Die Zahl der deutschsprachigen Messen und Gottesdienste sowie die der deutschsprachigen Teile von kirchlichen Zeremonien (Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen) ist erhöht” und „das Mitwirken der Jugendlichen bei den deutschsprachen Messen nimmt zu”. Ersteres lässt sehr viel Interpretationsraum zu, womöglich ist es auch einer realistischen Lageeinschätzung geschuldet. Denn die Generation mit muttersprachlicher Glaubenspraxis stirbt aus und die spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zahlenmäßig ohnehin bescheidenen Gelegenheiten muttersprachlicher Religionsausübung haben in den letzten Jahren eher abgenommen. Denn auch die Priester mit Deutsch als Muttersprache sind mit ihren Gemeinden gealtert, für die Jüngeren, falls es überhaupt noch welche gibt, ist Deutsch keine Muttersprache mehr – falls sie dann überhaupt ein Pfarramt in einer ungarndeutschen Gemeinde innehaben. Die großen Kirchen, insbesondere die dominante Katholische Kirche, scheinen dabei kaum Interesse an der Förderung muttersprachlichen Glaubenslebens zu haben, was auch an der diesmal tatsächlich oft mangelnden Nachfrage nach deutschsprachigen Gottesdiensten, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen liegt. Auch der niedere Klerus tut sich weiterhin oft schwer, dem Verlangen der Gemeindemitglieder danach zu entsprechen. Einen Fels in der Brandung stellen in solchen Zeiten Initiativen wie die wiederbelebte deutsche Messe in Fünfkirchen unter Beteiligung von jungen Leuten dar.

Es ist sicher kein Zufall, dass die Strategie mit dem Abschnitt „Jugend” endet. Neben dem Anspruch einer Netzwerkbildung im In- und Ausland, Nachwuchsförderung in den Organisationen und der Öffnung zur Moderne findet sich auch die Sprache, wenngleich nur an einer Stelle: ”Die ungarndeutschen Jugendlichen betrachten Deutsch immer mehr als ihre Muttersprache.” Dies zielt sowohl auf eine praktische als auch emotionale Ebene ab. Wie hehr das Ziel ist, darauf habe ich bereits hingewiesen! Trotzdem führt kein Weg daran vorbei, wollen wir in 50 oder 100 Jahren immer noch als Gemeinschaft mit nicht (vornehmlich) folkloristischen Eigenarten bestehen.

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!