So lebte man damals vor der Vertreibung in der Tolnauer Gemeinde Pari (Teil 2)

Von Ibolya Lengyel-Rauh

Teil 2

Im ersten Teil erhielt der werte Leser bereits erste Einblicke in die Dorfstruktur und den Alltag der Parier. Diese werden im zweiten Teil konkretisiert.

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Zug

Früh, mittags und abends konnte man mit dem Zug nach Budapest mit Umsteigen in Lepsény fahren oder nach Fünfkirchen/Pécs über Dombóvár.

Tagesverlauf im Winter

Ab 1. Nov. waren alle Feldarbeiten erledigt und es begann die Winterarbeit.

Für Männer:

Sie kümmerten sich um das Vieh im Stall (füttern, tränken, Ordnung halten im Stall, auf dem Hof, der Straße und in anderen Gebäuden wie Heuboden oder Schuppen). Der große Holzschuppen musste mit klein- u. großgehacktem Holz gefüllt sein. Zum Anfeuern wurden Papier, Maiskolben und kleines Holz verwendet.

Weitere Arbeiten: Seile flechten, Flechten von Körben u. Einflechten von Glasflaschen mit Weiden; Flechten von kleinen und großen Körbchen aus Stroh; Besen binden für die Wohnung aus Zirok, für Hof, Stall und Straße aus Reisig

Arbeiten im Weingarten: zweimaliges Abziehen des Weins (Umfüllen in neue, frischgewaschene Fässer)

Arbeit im Wald: Holzfällen im Bauernwald; einige Bauern hatten Jagdrecht im Bauernwald. Fasanen, Hasen, Wildenten und Hirsche wurden geschossen. An den Bauernwald schloss sich der riesengroße Herrschaftswald des Fürsten Eszterházy an. Lief ein im Bauernwald angeschossener Hirsch in den Herrschaftswald, gehörte er dem Fürsten!

Für Frauen:

Die Frauen waren für die Schweine, Schafe und das Federvieh verantwortlich. Schweine, Gänse und Enten wurden gemästet— sowohl zum Selbstschlachten oder zum Verkauf. Die Wolle der Schafe wurde auf dem Spinnrad gesponnen und dann daraus viele Sachen gestrickt (z. B. Socken, Strümpfe, Hausschuhe, Pullover, Strickjacken, Schals und Halstücher).

Neben der Wolle spielte der Hanf eine wichtige Rolle. Jeder Bauer hatte ein Hanffeld. Es war ein langer, aufwendiger Prozess, aus dem Hanf Fäden herzustellen, die dann gesponnen und gewebt wurden. Der Hanf musste 14 Tage im Wasser liegen, dann wurde er gespült und getrocknet, danach kam das Brecheln, Hecheln und das Trennen der feinen und groben Fäden. Einige Männer im Dorf hatten einen Webstuhl. Aus dem groben Leinen wurden Planen‚ Tücher und Säcke gefertigt, die man für die Ernte brauchte. Aus den feineren Leinen entstanden Tischtücher, Handtücher, Betttücher und auch Unterwäsche für Männer und Frauen. Jüngere Frauen haben am Tag zu Hause gesponnen, die Oma machte das Essen.

Am Abend ging es dann in die Spinnstube. Es waren fünf bis sechs Nachbarsfrauen, die sich mit ihrem Spinnrad bei einer Nachbarin trafen und sich schon sehr auf den Abend freuten. Es gab auch einen Plausch über Neuigkeiten im Dorf. Man reichte Gebäck, getrocknetes Obst, gekochten Kukuruz (Mais), frisches Wasser aus dem Brunnen oder ein Glas Wein. Es wurde auch ´mal ein Lied gesungen. Alles bei Petroleumlampe!!!

Die erste Arbeit im Frühjahr

Sobald der Frost vorbei war, begann die Arbeit im Weingarten. Jetzt mussten die im Herbst angehäufelten Weinstöcke (gegen Erfrieren) wieder aufgedeckt werden. Die ganze Familie half, denn es war eine schwere Arbeit. Alle paar Jahre wurde auch gedüngt. Der Stallmist wurde mit Weidenkörben auf dem Kopf zwischen die Weinreihen getragen. Alte Reben wurden abgeschnitten, neue Triebe mussten versorgt werden. Durch Hacken wurde das Unkraut entfernt und die Weinstöcke wurden mehrmals gespritzt. Das war eine Arbeit für jüngere Männer. Der Opa war oft das ganze Jahr im Weinberg.

Tagesablauf im Sommer

Im Sommer wurde früh aufgestanden und zuerst das Vieh versorgt. Danach gab es Frühstück. Die Männer tranken vor dem Frühstück einen Schnaps. Zu Mittag wurde Essen mit aufs Feld genommen. Dort waren nur jüngere Menschen. Brot, Wurst, Speck und Wasser zum Trinken – alles wurde in Weidenkörbe gepackt.. Ältere gingen meist in den Weingarten oder auf die Hauswiese oder zur Gartenarbeit. Manchmal mussten sie auch Kleinkinder versorgen, die zu Hause waren. Am Abend wurde gekocht. Die Schweine und Schafe wurden im Sommer vom Sauhalter und vom Schäfer früh auf die Weide getrieben und am Abend wieder nach Hause gebracht..

Wie viele Tiere hatte ein Bauer?

Pferde, Ochsen, Kühe, 5-6 Kälber, 5-6 Schafe, Schweine (Muttersau und mehrere Springer) – diese wurden gemästet, geschlachtet und verkauft. Es gab dann noch Gänse, Enten und Hühner. Gänse und Enten wurden ebenfalls gemästet u. verkauft.

Milch

Die Milch wurde früh und abends im Milchverein abgeliefert. Dort wurde sie verarbeitet. Man konnte auch Magermilch zurückkaufen, die an die Schweine verfüttert wurde. Milch wurde viel zum Kochen verwendet und auch getrunken. Auf dem Hof wurden Butter und Quark aus der Milch gemacht. Butter wurde wenig gegessen, aber man konnte sie gut auf dem Markt verkaufen.

Zum Kochen und Backen wurde Schmalz benutzt und auch Schmalzstullen waren sehr beliebt.

Große Wäsche

Die große Wäsche wurde über zwei Tage erledigt. Am Nachmittag vorher wurden Bettzeug, Tischwäsche, Handtücher und andere weiße Sachen eingeweicht. Am anderen Morgen wurde der Kessel, der in der Sommerküche stand, gefüllt und eingefeuert. Zum Waschen wurde viel Wasser gebraucht. Es musste aus dem Brunnen mit Eimern geholt werden. Das Leinenzeug wurde in selbstgemachter Lauge ausgekocht. Sie bestand aus Holzasche und Seife (selbst hergestellt aus Schlachtfett und Soda). Alles musste mit der Hand erledigt werden, auch das Auswringen der Wäsche. Aufgehängt wurde die Wäsche an starken Stricken aus Hanf oder am Zaun. Die Lauge wurde auch zum Kopfwaschen verwendet.

Sechteln der Wäsche: In ein Holzfass mit Stöpsel wurde die weiße Wäsche gelegt, darauf ein Tuch, darauf Asche, dann kochendes Wasser, mehrmals kochendes Wasser nachgießen – nach 2-3 Stunden Lauge ablassen – eventuell noch für bunte Wäsche verwenden. Das Bügeln geschah mit dem Bügeleisen, das mit Holzkohle gefüllt wurde.

Was wurde verkauft und gekauft?

Auf dem Markt wurden Butter, Quark, Geflügel (Gänse, Enten), Mohn, Wein, Schnaps, Bohnen und auch Wolle, Socken und Kapseln(tutyi) verkauft. Im Laden musste man Salz, Zucker, Öl, Pfeffer, Lorbeer, Essig, Schmiersach, Bachkalfoni (Backpulver), Tabak und Zigarettenpapier kaufen, außerdem teure Stoffe für Gewänder. Genäht wurde alles selbst. Zu großen Märkten mussten die Männer weit laufen. Dort konnte man auch junges Vieh wie Kälber kaufen und verkaufen. Der Dorfladen wurde von Georg Roth gegründet, der das dazu nötige Geld in Kanada verdient hatte.

Das Schlachtfest

Das Schlachtfest fand in den Familien vom ersten Frost bis in den Februar hinein statt. Da zur Ausrichtung alle Familienmitglieder gebraucht wurden, mussten sich die Verwandten vorher absprechen, wer wann schlachtet.

Vorbereitungen für das Schlachtfest:

Sie begannen schon Tage vor dem Schlachttag. Die nächsten Verwandten wurden eingeladen. Die Schlachterfamilie musste Messer, Tröge, Schüsseln und Eimer bereitstellen. Die Frauen begannen mit dem Nudelmachen und dem Zubereiten von Meerrettich (putzen, reiben, bähen und anmachen). Es wurden zwei Sorten Brot gebacken: süßes und normales.

Schlachttag:

Es wurden mindestens zwei Schweine geschlachtet. Der Tag begann mit einem gemeinsamen Frühstück, es gab süßes Weißbrot mit Äpfeln. Der Pálinka (Schnaps) durfte auch nicht fehlen. Dann wurden die Schweine abgestochen, gebrüht, geputzt und ausgenommen. Beim Zerlegen der Schweine wurde schon die spätere Verwendung des Fleisches beachtet (Schinken, Speck). Beim Ausbluten der Sau musste das Blut immer gerührt werden, damit es nicht klumpt. Während die Därme gesäubert und für die spätere Füllung vorbereitet wurden, ging es an die Vorbereitung für die Wurstverarbeitung und die Vorbereitung des Mittagessens.

Blutwurst und Blutmagen: Das Fleisch wurde gekocht. Aus den’ fetteren Stücken wurden die “Augen” der Blutwurst geschnitten, das übrige Fleisch wurde gemahlen. Gebratene Zwiebeln kamen dazu und aus allen Zutaten wurde die Blutwurst gemischt und in die Därme oder den Magen abgefüllt. Nach dem Abbinden wurde alles abgekocht und aufgehängt.

Bratwurst: Es wurde nur rohes Fleisch verwendet. Es wurde gemahlen, zum Wurstteig kamen Knoblauch und Gewürze dazu. Nach dem Abfüllen in Därme wurde sie später geräuchert.

Schwartenwurst und Schwartenmagen: Es wurde dazu Bratwurstteig ohne Knoblauch verwendet. Außerdem kam Schwarte hinzu und die Masse wurde in Därme oder Mägen gefüllt. Diese Wurst musste nach dem Räuchern noch reifen und wurde erst im Sommer angeschnitten.

Speck und Schinken: Sie wurden in Salzwasser gelegt und später geräuchert.

Fett: Für das Fett wurde fettes Fleisch ausgelassen und in Schmalzdosen abgefüllt.

Nachdem alle Würste abgetrocknet waren, wurden sie am nächsten Tag in den Rauch gehängt.

Das Schlachtfest war mit viel Arbeit verbunden, aber es war auch ein Fest. Alle Helfer bekamen ein reichliches Mittagessen: mehrere Sorten Fleisch, Schlachtertunke, Bratkartoffeln, saure Gurken, Paprika und Brot.

Abends: helle Nudelsuppe, Meerrettich, gekochtes Suppenfleisch, gefülltes Kraut und von jeder Sorte der frischen Wurst kam eine Probe auf den Tisch. Während des Abendessens gesellten sich die Nachbarn dazu, die mit Briefsteckern der Schlachterfamilie ihre Wünsche überbrachten. Der Briefstecker ist ein Stock, an dem viele Gabeln befestigt sind, um möglichst viel Wurst aufspießen zu können. Manchmal waren am Stecker auch Gedichte oder Briefe befestigt, die nachbarliche Meinungsverschiedenheiten zum Inhalt hatten. Oder es klopfte an der Tür und Verkleidete kamen. Sie sorgten mit ihrer Verkleidung zusätzlich für gute Stimmung. Man unterhielt sich bis spät in die Nacht, sang und musizierte. Es war ein Familienfest.

So verlief das Jahr. Das kirchliche Jahr war mit vielen Traditionen verbunden, worüber ich in der nächsten Auflage schreiben werde.

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