Der zweite Artikel unserer Artikelreihe zum Thema der Zweisprachigkeit der Ungarndeutschen ist der zweite Teil des Artikels über den Vortrag von Ágnes Sauer (erschien in Sonntagsblatt 2010/1). Den ersten Teil finden Sie hier.
Gyula, den 23. 10. 2009 – Vortrag von Agnes Sauer (Auszüge)
Sollte man eventuell die Erwartungen konkreter formulieren?
Um nicht missverstanden zu werden, muss betont werden: nichts gegen die vielen Veranstaltungen, an denen die Kinder ihr Können präsentieren, unter Beweis stellen. Kleinkinder brauchen die Gelegenheiten, wo sie sich ausprobieren, an denen sie vor einem Publikum auftreten können, das fördert ihr Selbstbewusstsein, das trägt dazu bei, dass sie mit sicheren Schritten durchs Leben marschieren. Das soll aber nicht dabei bleiben! Diese Gedichte, Spiele, Tänze sollen, wie die ungarischen auch, den Alltag im Kindergarten abwechslungsreicher machen und nicht als Ziel gesetzt werden.
Immer wieder muss das Ziel dieser Art Kindererziehung betont werden. Die Kinder werden zur Sprache, zum Verstehen und nicht zur automatischen Widergabe der Sprache erzogen. Das ist kein einfacher Weg. Eine schwere Aufgabe nicht für die Kinder, sondern für die Erwachsenen. Wir haben kreative, gut ausgebildete Kindergärtnerinnen, die an einem Tag viel leisten und schaffen. Mit Geduld, Ausgeglichenheit, Einfallsreichtum gestalten sie den Alltag der Kleinkinder. Lächeln auf dem Gesicht, leichtes Runzeln der Stirnhaut bei Problemen, sonst Gleichgewicht.
Bei den Kindergärtnerinnen ist das wichtigste Mittel die Sprache, in unserem Falle die deutsche Sprache. Um die Kinder zum Gebrauch, zum Verstehen der deutschen Sprache zu erziehen, erziehen zu können, muss man vor allem DEUTSCH reden. Mit deutscher Betonung, deutscher Wort- und Satzintonation. Und das alles frei. Frei sprechen über ein Thema kann man nur dann, wenn man die Inhalte verarbeitet, aufgenommen hat. Wenn man die Sprache im Alltag benutzt, wenn man genügend Übung hat. Zu schwierigen Themen, Inhalten braucht man nicht immer die schwierigsten Konstruktionen. Genau so wie im Falle der ungarischen Sprache.
Sehr viele Kindergärtnerinnen haben ihre Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Manche sind der Überzeugung, dass sie den Erwartungen, die ihnen gegenüber gestellt werden, völlig genug tun. Mit der Begründung: so viel, wieviel die Kinder sprechen müssen, weiss ich auch. Wieviel? Woran ist das zu messen? Woher will man das wissen? Diese Meinungen sind auf die oben schon angedeutete Praxis zurückzuführen. Die deutschen lexikalischen Einheiten sind nicht eingebettet worden in einen deutschsprachigen Tag, trugen nicht zum Sprachverstehen der Kinder bei. Das wurde und wird in ungarndeutschen Kreisen nicht als Problem betrachtet! Die allgemein verbreitete Meinung lautet ja: die deutsche Sprache wird das Kind in der Schule schon erlernen, die Aufgabe des Kindergartens kann nur die Vorbereitung auf die Schule sein. Diese Vorbereitungsarbeit, bzw. die Auffassung über diese Vorbereitung auf die Schule kann ganz extreme Auswüchse haben. Gut deutsch sprechende Kinder – manchmal findet man auch solche – werden von braven Erzieherinnen zur ungarischen Sprache erzogen, sonst habe das Kind Schwierigkeiten in der Schule, lautet die Erklärung. Bei anderen Fällen werden die Kinder zwar zweisprachig angesprochen, aber von derselben Person wird das Deutsche sofort ins Ungarische übersetzt! Mit der Begründung: sonst verstehen die Kinder das nicht!
Es kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig dieses Alter bei der zweisprachigen Kindererziehung ist. Die Kinder haben in diesem Alter ein Aufnahmevermögen, wie nie mehr in späteren Lebensabschnitten. Wenn im Kindergarten die deutsche Sprache ständig gebraucht und angeboten wird, kann man von zweisprachiger Erziehung sprechen. Die Aufgabe ist vor allem für die Erzieherinnen eine Herausforderung, die aber mit Ausdauer sehr-sehr viel Freude bereiten, Früchte tragen kann. Der Erwerb der zweiten Sprache geschieht ähnlich wie der der ersten Sprache. Wie bei der ersten Sprache, geschieht bei den Kindern der Erwerb der deutschen Sprache in unterschiedlichem Tempo.
Die Umgebung des Kindergartenkindes muss sich echt anstrengen um das einsprachige deutsche Umfeld zu sichern, um nicht aufzugeben und bei Problemfällen nicht sofort zur ungarischen Sprache zu greifen. Bei gut deutsch sprechenden Kindergärtnerinnen ist es auch festzustellen, dass sie nicht überzeugt davon sind, dass der Spracherwerb im frühen Kindesalter erfolgreich sein kann. Sie schauen sich andere Modelle an, finden sie auch nützlich, heimkehrend bleiben sie aber bei ihrem altbewährten Modell. Die Liste der Begründungen und Ausreden ist sehr lang. Manche sind natürlich auch zu akzeptieren, die aber, die sich auf die Sprachkenntnisse der Kinder berufen, nicht.