Zeitschrift Bonnharder Nachrichten feiert 15. Geburtstag –
Chefredakteurin Susanna Lohn stellte sich den Fragen des Sonntagsblattes
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SB: Wie kam es zur Gründung der Bonnharder Nachrichten, wer waren die Gründungsredaktionsmitglieder?
SL: Im Herbst 2006 wurde in Bonnhard/Bonyhád eine neue deutsche Selbstverwaltung gewählt. Bald darauf traf eine Einladung aus der ersten deutschen Partnerstadt Wernau ein – vom damaligen Bürgermeister Roger Kehle. Daraufhin reisten drei Mitglieder nach Wernau: die Vorsitzende Ilona Köhler Koch, ihre Stellvertreterin Eva Glöckner sowie Daniel Krähling, der bereits mit dabei war, als der Partnerschaftsvertrag unterzeichnet wurde. Im „Reisegepäck“ auf dem Heimweg hatten sie u.a. die Idee – gleichzeitig auch die Zusage auf Unterstützung – für eine deutschsprachige Zeitung für Bonnhard und die Region.
Ich arbeitete damals beim Auslandsdienst des Ungarischen Rundfunks, so fragte mich Ilona Köhler-Koch, ob ich nicht Lust hätte, bei der Zeitung mitzuwirken – und ich sagte zu. Eva Glöckner, Primarstufenlehrerin von Beruf, hatte später – von den Bonnharder Nachrichten inspiriert – auch Medienwissenschaften studiert. Erfahrung im Bereich Printmedien hatte damals jedoch keine von uns beiden – Begeisterung umso mehr.
In den ersten fünf Jahren gab es noch relativ viele engagierte Menschen, die über unterschiedliche Ereignisse berichteten. Korrigieren, Lektorieren, Übersetzen, über einige Ereignisse zu berichten und für einen einheitlichen Stil zu sorgen waren mein Bereich, Eva Glöckner schrieb ab und zu Artikel und machte vor allem den redaktionellen Teil (was wo mit welchen anderen Themen zusammen erscheint). Nachdem sie ihr zweites Kind bekommen hatte, konnte sie diese Arbeit nicht mehr versehen und so langsam blieb sie endgültig weg. Die Begeisterung ließ auch bei anderen nach, auch sie blieben weg.
Es wäre aber ungerecht, wenn ich jene Personen nicht erwähnen würde, die an die Stelle der „Entmutigten“ traten: die sehr engagierten Pädagogen – vor allem Lehrerinnen – sowie einige Führungspersönlichkeiten von deutschen Selbstverwaltungen in der Region Talboden/Völgység. Ohne ihre Berichte und Fotos würden uns diese Informationen nicht erreichen. Hier soll auch die Fotografin Réka Máté erwähnt werden, die von der ersten Nummer an mit dabei ist und ihre (oft auch preisgekrönten) Fotos ebenfalls ohne Gegenleistung zur Verfügung stellt. (Natürlich bekommen wir auch Amateuraufnahmen bzw. Bilder aus Familienalben.)
SB: Welche Erfahrungen haben Sie in den letzten 15 Jahren gesammelt?
SL: Ich würde sagen, eher positive, sonst hätten wir sicherlich schon längst aufgegeben. Viel Nützliches brachten die beiden Kurse des damaligen Ungarischen Journalistenverbandes für lokale Zeitungen, die ich besuchte. Die Kurse waren natürlich für ungarischsprachige Blätter, aber die Fachkenntnisse konnte man auch bei den Bonnharder Nachrichten nutzen (Grundkenntnisse in Fotografieren, Layout usw.).
SB: Was wissen wir über die Leserschaft, welche Rückmeldungen erhält die Redaktion von den Lesern? Wie sieht die redaktionelle Arbeit im Einzelnen aus?
SL: Anfangs kamen mehrere schriftliche Reaktionen (Gratulationen, Danksagungen); man ermutigte uns weiterzumachen. Später konnten wir eher aus Bemerkungen der Leserschaft in unserer näheren Umgebung folgern, dass die Zeitung gut ankommt und beliebt ist. Man vermisste sie, wenn sie etwas später kam; wir waren damals ja alle aktiv und machten die Zeitung in unserer Freizeit (und tun es bis zum heutigen Tag). Die BoNa erschien/erscheint zwar relativ regelmäßig (Ende Januar/Anfang Februar, im Juni sowie Ende September/Anfang Oktober), trotzdem kam es manchmal vor, dass sie etwas später erschien.
Eine Redaktion im ursprünglichen Sinn des Wortes gab und gibt es nicht. Mit einem „Ausdruck der Corona-Zeit“ könnte man sagen, sie entstand und entsteht im Homeoffice.
Gelten auch Bitten um Hilfe bei Familienforschung, Diplomarbeit u. Ä. als Rückmeldungen, so kann ich darüber berichten, dass mehrere solche und ähnliche Mails uns erreichten und weiterhin erreichen. Eine Studentin aus London beschäftigte sich mit den deutschen Minderheiten in Mittel-Ost-Europa, sie reiste sogar für einige Tage nach Bonnhard. Zur Familienforschung baten Nachkommen von ehemaligen Bonnhardern (bzw. Einwohnern aus der Umgebung) – aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und sogar aus Belgien – um Hilfe. Ein evangelisch-reformierter Pfarrer aus der Schweiz wurde auch durch die Bonnharder Nachrichten auf unsere Region aufmerksam. Aus seinem Besuch entwickelte sich praktisch eine Freundschaft. Die Kirchengemeinde aus Bad Ragaz (CH) und die Deutsche Selbstverwaltung Bonnhard organisierten sogar schon zweimal gemeinsame Urlaubsreisen nach Bayern. (Die Junior-Gruppe des Tanzvereins Kränzlein hielt im vergangenen Sommer sogar ein Tanzlager in der Schweiz ab.)
SB: Bereitet die Deutschsprachigkeit des Presseprodukts Probleme, was die Erreichbarkeit der Mitglieder der deutschen Gemeinschaft anbelangt?
SL: Nein. Ich lege großen Wert darauf, dass keine – oder so wenig wie möglich – Fremdwörter benutzt werden und die Sätze einfach, jedoch korrekt formuliert sind. So dürfte die Sprache weder für die über 80-jährigen Mundartsprecher noch für jene Leser, die die Sprache gerade erlernen, Schwierigkeiten bereiten. Aber es wurde schon der Wunsch geäußert, die Zeitung zweisprachig zu gestalten. Doch das ist unter der gegenwärtigen personellen Situation unmöglich.
SB: Eine Besonderheit der Zeitschrift stellen für mich die persönlichen Glückwünsche dar. Wie kommen diese zustande und welche Rolle spielen sie im Leben der Gemeinschaft?
SL: Im zweiten oder dritten Jahr meldete sich eine Leserin mit dem Wunsch, jemandem „öffentlich“ zur Goldenen Hochzeit zu gratulieren. Wir kamen dem Wunsch nach und allmählich verbreitete sich diese „Möglichkeit“ – und wurde immer beliebter.
Die ersten Mitglieder der Tanzgruppe Kränzlein erreichten das Alter, wo sie heiraten, Kinder kriegen und diese Ereignisse auch auf den Seiten der Zeitung mitteilen möchten. (Es gab auch schon Eltern, die keine Ungarndeutschen sind und die Geburt ihrer Kinder auch auf diese Weise bekanntgaben. Die Mutter arbeitete – bzw. arbeitet – im Rathaus.) Wir fragen nach und die Betroffenen entscheiden, ob sie die Möglichkeit wahrnehmen wollen oder nicht. Es kam auch vor, dass Kinder oder Enkelkinder den Eltern oder Großeltern zum Hochzeitstag oder zum runden Geburtstag gratulierten (oder im Nachhinein darüber berichteten).
SB: In welcher Form erscheint die Zeitschrift? Mit welchen Herausforderungen hat sie zu kämpfen?
SL: Gedruckt in Größe A4, wird sie per E-Mail in PDF-Format verschickt. Print und PDF-Version sind völlig identisch, einen Unterschied gibt es nur in der Bildqualität (in der PDF-Form ist die Ausbreitung der Fotos deutlich kleiner.)
Bekanntlich sind Papierpreise sowie Druckkosten und Postgebühren deutlich angestiegen. Die Leser in Bonnhard erhielten die Zeitung und erhalten sie auch heute noch kostenlos. Das soll nach unseren Plänen auch in Zukunft so bleiben. Einige ältere Vertriebene bekommen die Zeitung per Post zugeschickt, ebenfalls kostenlos für sie. Die Zahl dieser noch verbliebenen Vertriebenen wird von Jahr zu Jahr niedriger. Die Stadt Bonnhard/Bonyhád stellt von Anfang an jährlich eine gewisse Summe zur Verfügung, die aber die Kosten nicht deckt. Relativ regelmäßig kommt finanzielle Unterstützung aus der ältesten deutschen Partnerstadt, aber auch die beiden anderen unterstützen uns. Der Freundeskreis Bonyhád-Hochheim und mehrere Hochheimer sind regelmäßige Leser der Bonnharder Nachrichten. Man hat regelmäßige Veranstaltungen, aus deren Einnahmen die Zeitung mit unterstützt wird.
Im Jahr 2020 wurden uns Fördergelder zugesprochen, die erste Nummer war bereits fertig, als wegen der Pandemie die Fördergelder zurückgezogen worden sind. Damals wandten wir uns zum ersten Mal an unsere Leser um Spenden. Wegen der enorm angestiegenen Ausgaben sind wir gezwungen, uns auch weiterhin an unsere Leserschaft zu wenden. Jährlich bewirbt sich die Deutsche Selbstverwaltung Bonnhard beim Fondverwalter Gábor Bethlen um Fördergelder. Die Einnahmen decken die Kosten auch so nicht. Nur der Begeisterung, dem Engagement der Zeitungmacher und -schreiber ist es zu verdanken, dass die Zeitung erscheinen kann. Alle „arbeiten“ ehrenamtlich für die Zeitung – ohne jegliches Entgelt.
SB: Gibt es Weiterentwicklungspläne für die Zukunft vor dem Hintergrund der voranschreitenden Digitalisierung?
SL: Die Bonnharder Nachrichten sind auch auf Facebook und auf einigen Internet-Seiten zu lesen. Solange wir noch eine Leserschaft ohne Internet haben und wir die Finanzierung sichern können, bleibt wahrscheinlich die Printversion.
SB: Was gibt Ihnen beziehungsweise der Redaktion in einem nicht immer einfachen Umfeld Kraft für die weitere Arbeit?
SL: Unsere Besessenheit! Die etwas ernsthaftere Antwort: Dass sich unsere Leserschaft auf die Zeitung freut und wir ihnen diese Freude gerne sichern wollen!
SB: Frau Lohn, vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Richard Guth.