Reaktionen nach dem Straßburg-Urteil fallen verhalten aus

Von Richard Guth

Wir haben Ende November über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) berichtet (https://sonntagsblatt.hu/2022/11/29/egdr-ungarisches-wahlgesetz-bezueglich-nationalitaeten-rechtswidrig/), das das ungarische Wahlgesetz bezüglich des Minderheitenwahlrechts Ungarn in mehreren Punkten zu juristischen Schritten verpflichtet hat. Das Gericht stellte unter anderem fest, dass die meisten Minderheitengruppen aufgrund der zahlenmäßigen Stärke der jeweiligen Volksgruppe nicht die Chance besäßen ein vollwertiges Mitglied ins Parlament zu entsenden. Dadurch würden politische Meinungsäußerungsrechte eingeschränkt. Geklagt hat je ein/e Angehörige/r der griechischen und armenischen Minderheit. Hauptbeschwerdeführerin Kaliope Bakirdzi monierte auch die Einheitsliste, die keine richtige Wahlmöglichkeit zulasse, und kritisierte gegenüber dem Wochenblatt HVG auch das System der Parlamentarischen Fürsprecher massiv. Darüber hinaus rügte das Richtergremium, dass Minderheitenangehörige auf das Parteilistenwahlrecht verzichten müssen.

Über neue Entwicklungen berichtete die zweitgrößte Zeitschrift Ungarns für Politik und Gesellschaft, Magyar Hang, in ihrer jüngsten Ausgabe (Nemzetiségi választás: jogsértéseket talált az Európai Bíróság, von László Zsolt Szabó, 6. Januar 2023). Das regierungskritische konservative Blatt hat Sitzungsprotokolle des Nationalitätenausschusses studiert und gewann den Eindruck, dass sich die Ausschussmitglieder nicht wirklich über das Urteil, das nach Angaben von „Magyar Hang” bereits mehrfach Thema der Sitzungen war, gefreut hätten. Das Urteil wurde laut Protokoll vom griechischen Fürsprecher Laokratis Koranis vorgestellt, der hinzufügte, dass der Vorwurf erhoben worden sei, dass der Ausschuss „nichts tue”. Er distanzierte sich laut Sitzungsprotokoll von der Klage der grieschischen Beschwerdeführerin. Der slowakische Fürsprecher Anton Paulik meinte, dass man sich mit dem Fall noch nicht befassen müsse, denn das Urteil werde erst später rechtskräftig, womit sich dann auch der EU-Ministerrat befassen werde. In einem späteren Protokoll soll Paulik gemeint haben, dass man sich überlegen sollte, wie man regiert, denn „man werde in dieser Angelegenheit auf sie zukommen”. Daraufhin schlug Ausschussvorsitzender Emmerich Ritter, dass man das Thema später im Rahmen eines Tagesordnungspunktes diskutieren solle.

Das Blatt habe, ähnlich wie HVG und das Sonntagsblatt, das Justizministerium (und andere betroffene Stellen) um eine Stellungnahme gebeten – diese Anfrage(n) sei(en)/sind jedoch unbeantwortet geblieben.

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