Ein Bild und seine Geschichte – Gregor Wagenhoffer auf der Spur der Vergangenheit

Von Richard Guth

Ein junger Mann kniet mit dem Schleifpapier hinter einem Grab. Die Grabinschrift ist gut lesbar, sie ist in deutscher Sprache. Die Story dahinter lieferte das regionale Blatt „Kisalföld”. Auch das Sonntagsblatt ging der Sache nach und sprach mit dem jungen Freiwilligen, der einen deutschen Namen trägt: Gregor Wagenhoffer.

Nach eigenen Angaben interessiert er sich seit seiner Kindheit für Geschichte. Für ihn seien die Werte, der Glaube, die die Familie mitgegeben hätten, ein entscheidender Motivationsfaktor. Er beschäftigte sich anfangs mit Familienforschung, aber „ich verspürte dann eine gewisse Mission, um immer mehr menschliche Schicksale zu retten, in Ortschaften, wo meine Vorfahren gelebt haben”. Dieser Gedankenprozess führte nach eigenen Angaben zum Ergebnis, dass man irgendetwas mit den alten Gräbern im Friedhof von Peterd/Bakonypéterd anfangen sollte. Auch wenn er jetzt im Mittelpunkt medialen Interesses stünde, möchte er darauf hinweisen, dass es noch viele andere gäbe, die sich genauso um die Rettung der Werte der Vergangenheit kümmerten.

Die mittlerweile 10 Jahre alte Auseinandersetzung mit der Geschichte von Peterd habe dazu geführt, dass er alle Familien aus der Vergangenheit und den Großteil der Gräber kenne. Dabei beherberge der Friedhof auch das Grab der Eltern eines ehemaligen Abtes von Tihany sowie der Großeltern eines Nobelpreisträgers. Das älteste Grabmal wurde in den Jahren 1817-1820, als die Pfarrkirche neu errichtet wurde, hierher versetzt.

Es freut ihn sehr, dass sich viele Peterder für die Rettung der Schätze der Vergangenheit interessierten – so erhalte er auch von dem Gemeinderat und dem Kirchengemeinderat Unterstützung. Dank deren Unterstützung habe man den Friedhof in Ordnung bringen können, mittlerweile umgeben von einem neuen Zaun.

Mit seinen Helfern aus dem Freundes- und Bekanntenkreis plant er alle Schritte, denn ohne weiteres wollten sie sich nicht an die Gräber heranmachen, sondern nur mit Einverständnis der Besitzer. Aber auch die unterschiedlichen Materialien, aus denen die Grabsteine entstanden, erforderten höchste Sorgfalt: „Wir erneuern vorläufig nur solche Gräber, bei den wir die letzte Rettung sind. Grabsteine werden nicht bewegt, höchstens zurechtgerückt. Wir schmirgeln, kleben, waschen, bemalen und impregnieren.”

Eine Tätigkeit, die so gar nichts mit dem Beruf von Gregor Wagenhoffer zu tun hat. Er ist studierter Agraringenieur, aber arbeitet gegenwärtig bei der Erzabtei Martinsberg/Pannonhalma und beschäftigt sich weiterhin mit Familienforschung, die einem helfe um „bestimmte Dinge im Leben zu verstehen oder unser Wertesystem neu zu überdenken”.

Auch die Erforschung der eigenen Familiengeschichte habe einiges zutage gefördert. So erfuhr er, dass sein Großvater väterlicherseits in Peterd geboren wurde, in einer alteingessenen Bakonyer Schwabenfamilie. Er habe erst in der Schule Ungarisch gelernt. Nach Tod der Mutter, des jüngeren Bruders und des Onkels wie der Vertreibung des Vaters, der später nach Amerika auswanderte, sei er bei seinen Großeltern aufgewachsen, die zwangsausgesiedelt worden seien. Auch die Großmutter väterlicherseits erfuhr Vertreibung – sie kam im Rahmen des slowakisch-ungarischen Bevölkerungstransfers aus dem ehemaligen Oberungarn. Mütterlicherseits weist er Adlige von der Tiefebene und Gewerbetreibende aus Siebenbürgen als Vorfahren auf – auch ihr Leben hätten die Ereignisse im 20. Jahrhundert verändert.

Trotz dieser Vielfalt bei der Herkunft fühlt er sich heute stark mit dem Deutschtum verbunden. Deutsch spricht er leider nicht. Aus dieser Verbundheiten erwuchs seine publizistische Tätigkeit: Er schrieb mehrere Artikel in Zoltán Biharis „Mi, svábok” sowie im Sammelband „Győr nemzetiségei” über die Nationalitäten von Raab. Aber auch beim Dokumentarfilm von Gábor László „Mi svábok mindig jó magyarok voltunk” hat er nach eigenen Angaben mitgeholfen. Als Meilenstein bezeichnet er seine Dorfmonografien von Peterd und Romand, einst rein deutsche Dörfer. Im Moment arbeite er mit der Schauspielerin und Valeria-Koch-Preisträgerin Sandra Holczinger (Film „Ewiger Winter”) an der Dorfchronik von Sitsch/Bakonyszücs.

Für ihn hat diese Auseinandersetzung mit der Vergangenheit eine wichtige Botschaft für Gegenwart und Zukunft: „Ich glaube nicht, dass einer, der angefangen hat, sich mit der Vergangenheit und dem Deutschtum verbunden zu fühlen, jemals aussteigen kann. Viele sagen, man soll nicht in der Vergangenheit leben, wir sollen sie einfach vergessen. Aber was ist denn Vergangenheit? Wo habe ich morgens geparkt? Wann sind die Deutschen Fußballweltmeister geworden? Oder wer waren meine Urgroßeltern? Man kann in der Tat so leben, dass man der Vergangenheit gedenkt, aber gleichzeitig in der Gegenwart lebt und sich auf die Zukunft vertraut.”

Bild: kisalfold.hu/Ádám Rákóczy (https://www.kisalfold.hu/helyi-kozelet/2022/09/gondozatlan-gazdatlan-regi-sirokat-ujit-fel-a-lelkes-bakonypeterdi-fiatal)

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