Wie es angefangen hat. Heroische Jahre der Kolonisation von Kötsching/Kötcse (1700-1730)

Von Prof. Dr. Zoltán Tefner

Teil 4

Für die neuen Siedlungen gab es überall ausreichend Platz, doch erwies sich Kötcse-Pußta als geeignetstes, wofür es zwei Erklärungen gibt: Zum Einen liegt Kötsching ziemlich in der Mitte der Antal-Besitzungen, auf halbem Wege zwischen den Pußten Rád, Csicsal und Póca. Denn verbindet man diese Ortschaften auf der Landkarte, so bildet der südwestliche Dorfrand Kötschings den Mittelpunkt eines gleichseitigen Dreiecks. Fiele allerdings des Zentrum, die Domänenverwaltung, nicht auf diesen Punkt, wäre diese Lösung wohl nicht die beste. Ein zweites Argument, das für Kötsching spricht, ist das Vorhandensein von Wasser. Die Fachliteratur der Ansiedlungsgeschichte legt den Schwerpunkt im Falle aller Neubesiedlungen auf gesundes Trinkwasser – so Heinrich Schmidt, Experte der Schwäbischen Türkei.

Dass man sich dafür entschied, ist verständlich, wenn man nämlich bedenkt, dass die Somfolyó, ein kleiner Teich am Dorfrande, auch damals existierte. „Som” bedeutet in diesem Falle „Sió”, d. h. „Schleuse”, genauso wie im Ortsnamen Siófok. Ein kleiner Teich also, aus dem das Wasser durch eine Schleuse herausfließt. Und der Wasserstand der Nagyárok (alter deutscher Name Mühlbach) wird damals wesentlich höher gewesen sein als heute und diese Wasserwege, die es im Talkessel Kötschings insgesamt gab, liefen in diesen tief liegenden Punkt genauso zusammen wie heute. Der Mündungspunkt des Mühlbachs in den aus Südwesten kommenden Büdösgáti-árok schien um 1730 ein idealer Ort für die Siedler zu sein. Der „Büdösgát”, wortgetreu „stinkender Wall am Morast”, liegt in der Nähe von Karád, das Wasser dieses leitet der „Büdösgáti-árok” in den Balaton ab, unterwegs kanalisiert alle Gewässer des Kötcseer, Nagycsepelyer, Telekier und Szóláder Quellen.

Es wäre daher nur logisch – und man darf mit einiger Sicherheit davon ausgehen-, dass der Siedlungskern in diesem Gebiet tatsächlich in Kötcse-Pußta zu finden ist. Zwar gab es genügend Raum und Platz, es mangelte allerdings an Menschen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse wurden in den ehemals von den Türken besetzten Gebieten immer drückender, und die wenigen zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte waren kaum zu finden. Hätten die Grundherren ihre Arbeitskräfte innerhalb des Landes rekrutieren können, hätte es zu einer einfachen internen Umverteilung führen können, wofür es viele Beispiele gibt. Das Einführen von Arbeitskräften aus fremden Ländern schien zwar längerfristig die bessere Lösung zu versprechen, sie war aber auch die umständlichere.

Diese Ansiedlungen haben auch manche Entscheidungen in der Politik gewissermaßen beschleunigt. Karl VI. erließ 1715 ein neues Ansiedlungsgesetz aufgrund einer Reihe von Entwürfen des ungarischen Landtags in Pressburg, der feststellte, dass überall „verödete Landschaften” zu sehen seien und die Wiederbesiedlung des Königreiches nicht nur im Interesse des Souveräns, sondern auch des Landes stehe, und man bitte den Kaiser, dass er Patente in seinen Erblanden und im Imperium mit der Bestimmung erlasse, dass diejenigen freien Personen, die den Wunsch hegen, in das Ungarische Königreich zu kommen, auch tatsächlich kommen können. Das Elaborat Nr. 3. des Pressburger Landtages schildert, wie der Bevölkerungsüberfluss in einigen Gebieten anhand der „Überführung” zum Nutzen des Landes wäre. Der Entwurf sieht vor, dass es nur dann zur Aufnahme von Volksangehörigen aus anderen Ländern und Provinzen kommen könne, wenn es im Land selbst keinen Bevölkerungsübeschuss gibt. Die geplanten Verordnungen berufen sich dabei auf die große Verantwortung der Ansiedlungsherren in diesen Angelegenheiten und handeln davon, dass die Besiedlung der Orte sorgfältig und mit dem größten Fleiß durchgeführt werden muss. Die einzelnen Landtagsentwürfe sehen auch Beschlüsse zu Kooperation vor, dass zum Beispiel Loyalität und wechselseitige Hilfe unter den Ansiedlern obligatorisch sein muss. Dabei wurde vorgeschrieben: Sie müssen einander dadurch Hilfe leisten, dass sie sich nötigenfalls und unabhängig von ihren Umständen anderen Grundherren Kolonisten zur Verfügung stellen. Es wäre jedoch nicht wünschenswert, so der Entwurf weiter, wenn durch diese Hilfeleistung das eigene Gut „entvölkert” werden würde. Der Landtag betonte die Bedeutung der Pußten allein schon aus praktischen Gründen, denn die neu angekommenen Siedler konnten dort nämlich besser Fuß fassen, wo sie von vornherein auf gesicherte Lebernsverhältnisse stießen und so seien überall, auch im Falle der verlassenen Pußten, die ehemals geflohenen Menschen wieder aufzunehmen.

Um 1730, acht Jahre nach Beginn der ersten Ansiedlungen unter Karl VI., fand János Antal bewährte Strukturen vor, im Rahmen derer er die Besiedlung von Kötcse zu Ende bringen konnte. Er sollte ein „politischer Typ” gewesen sein, wenn er diesen komplizierten Prozess „abkommandieren” konnte. (N. b.: direkte Abkommen von ihm sind die Familienmitglieder der Antalls, namens der spätere ungarische Ministerpräsident József Antall.) Die natürlichen Gegebenheiten der Gutswirtschaft fielen auf Grund der Vorzüge, wie die Versorgung mit Wasser, des Klimas, der Bodenverhältnisse und einiger anderer Parameter, überdurchschnittlich günstig aus. So fanden im Kreise der Pressburger Landesabgeordneten die Absichten und Interessen des ungarischen Hochadels, der kleinen Gutsbesitzer und des höheren Offizierkorps mit jenen des Souveräns zusammen, wodurch die Voraussetzungen für den größten Migrationsprozess der ungarischen Geschichte geschaffen waren, der sich in drei Etappen vollzog, nämlich in einer karolinischen, einer theresianischen und schließlich in einer josephinischen.

Von den Auswirkungen dieses gleichsam erdbebenartigen Vorganges blieb natürlich auch das abgelegene Gebiet der Nord-Schomodei um 1730 nicht verschont. Die überwiegende Mehrheit der Kötschinger Ansiedler kam natürlich nicht unmittelbar aus Deutschland direkt ins Dorf, sondern sie waren so genannte „Sekundäransiedler” und stammten mehrheitlich aus bereits entwickelteren Dörfern der Tolnau und Branau. Die zeitliche Verzögerung machte immerhin sieben Jahre aus, während dieser Zeit stieg jedoch in der Tolnau die Bevölkerungszahl in den von den einzelnen Domänen umgebenen Gemeinen ständig an, ja es entwickelten sich sogar einige Knotenpunkte mit einem gewissen Bevölkerungsüberschuss.

Um die Wurzeln und den Charakter der ersten Dorfbewohner Kötschings besser verstehen zu können, müssen wir in Betracht ziehen, dass dieses Dorf nur eine Sekundärsiedlung ist. Wenn wir also von der Urheimat und von den Ahnen ein wirklichkeitsgetreues und differenziertes Bild gewinnen wollen, ist es notwendig, uns mit jenen Gebieten in Deutschland zu beschäftigen, aus denen die ersten Bewohner von Tormasch/Kistormás, Warschad/Varsád, Groß-Säckel/Nagyszékely, Jink/Gyönk, Gallas/Kalaznó, Falschnannen/Felsőnána, Ismin/Izmény, Maiesch/Majos, Kleinmanok/Kismányok, Großmanok/Nagymányok, Seiwicht/Závod usw. kamen. Diese sind die Primärsiedlungen von Kötsching/Kötcse, die Muttergemeinden also, die als Basisort für die Sekundärgemeinden dienten.

Es bestand sowohl innerhalb dieser Ortschaften eine enge Verwandtschaft, als auch mit einigen Gemeinden der Branau, vor allem aber mit jenen der Nord-Schomodei (Dörötschke/Somogydöröcske, Fiad, Bonna/Bonnya, Etsching/Ecseny, Hatsch/Hács); Groß-Säckel pflegte zum Beispiel mit relativ entfernten Ortschaften wie Wadkert/Soltvadkert und Balmazújváros Beziehungen. Das evangelische und reformierte Deutschtum in der Tolnau, Branau und in der Nord-Schomodei kann – laut des Geschichtsschreibers und des evangelischen Pfarrers von Jerking/Györköny, Johann Schmidt – gemäß ihrer Verwandtschaftsverhältnisse als eine alleinige große Gemeinschaft aufgefasst werden.

Welche Zustände bescherte die alte Heimat ihren Bewohnern und welche Ursachen zwangen sie zur Aussiedlung in Ungarn? Um diese Frage zu beantworten, werden wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die deutschen Verhältnisse zu Beginn des 18. Jahrhunderts lenken (Fortsetzung folgt).

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