Um verlassene deutsche Dörfer zu finden muss man nicht nach Siebenbürgen fahren

Bergrückener Geschichten 3

Von Patrik Schwarcz-Kiefer

Neulich war das 335-Seelen-Dorf Kisvaszar (dt. Wasser) aufgrund von Korruptionsvorwürfen bezüglich des Roma-Integrationsprogramms öfters Thema in der ungarischen Öffentlichkeit. Vor deren Hintergrund hätten sicherlich wenige gedacht, dass im Falle dieses Dorfes im Tolnauer Bergrücken/Hegyhát um ein ehemals deutsches Dorf handelt.

Wasser wurde 1750 mit Donauschwaben aus dem Komitat Tolnau/Tolna wiederbesiedelt. Der Volksbund wurde im Dorf mit 250 Anwesenden gegründet, was natürlich das spätere Schicksal des Dorfes negativ beeinflusste. Nach der Vertreibung stellten laut einer Schätzung des Innenministeriums aus dem Jahre 1951 die Deutschen noch knapp die Mehrheit der Bevölkerung (344 Personen unter den 625 Einwohnern), Ende der 1940er Jahre wurden vor allem Oberländer (felvidékiek) angesiedelt. Laut einem anderen vorhandenen Bericht hatten die neuen Einwohner des Dorfes beachtliche Probleme bei der Integration, wie es im Bericht geschrieben wird, träumten sie weiterhin von der alten tschechoslowakischen Demokratie.

Ehrlich gesagt ist es schwierig aus der Ferne zu beurteilen, wohin diese deutsche Bevölkerung verschwunden ist, aber bis 1980, also in 30 Jahren, ist die Zahl der Deutschen bereits auf 25 (!!!) gesunken. Wie und wann genau die Roma im Dorf angekommen sind, kann ich auch nicht sagen. Aus unserer Sicht ist es auch irrelevant.

Man muss überhaupt nicht weit aus Wasser rausfahren, um das nächste aus ungarndeutscher Sicht verlassene Dorf zu finden. Kisvaszars Nachbardorf, Ág (dt. Neuda), war im Gegensatz zu Wasser ein evangelisches Dorf. Die evangelische Kirche ist einer der letzten Boten, die an die deutsche Geschichte des Dorfes erinnern. Ein weiterer Unterschied zu Wasser ist, dass nach der Vertreibung die Donauschwaben nur noch 15 % der Gesamtbevölkerung ausmachten. Das weitere Schicksal ähnelt dem von Wasser, heute findet man kaum Deutsche weder dort noch in Neuda.

Die Liste der Bergrückener Dörfer mit ähnlichem Schicksal ist deutlich länger. Heutzutage hätte man noch die Möglichkeit, mehr über diese Dörfer zu erfahren, aber mit der Zeit wird es immer schwieriger nachvollzuziehen, was zu dieser Tragödie geführt hat. Es ist eine Tragödie, dass die einst blühenden Dörfer in Armut und Aussichtslosigkeit versunken sind. Und wenn man den negativen Tendenzen tatenlos zusieht, werden in paar Jahrzehnten womöglich auch unsere noch schwäbische Dörfer dasselbe Schicksal erfahren, so dass mein Nachfolger im Jahre 2090 auch nur noch über einst deutsche Dörfer wird berichten können.

Bild: MichaelGaida, pixabay.com

 

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