Aus aktuellem Anlass

Wenn einem das Gedicht „Meine zwei Sprachen“ des vor 110 Jahren geborenen Franz Zeltner in den Sinn kommt

Von P. Rieckmann

Während ich Ende Januar 2021 den Artikel „Für das deutsche Volk in Ungarn – 100 Jahre Sonntagsblatt” von Herrn Georg Krix studierte, kam mir Einiges, was ich darin las, irgendwie vertraut vor. Bald wurde mir klar, warum: Es war das Bleyer’sche Credo, dem ich schon an anderer Stelle begegnet war. Herr Krix formuliert es im Sonntagsblatt so: „Deutschtum und Ungartum, deutscher Volkszugehöriger und ungarischer Staatsbürger.”

Ich grübelte und grübelte, bis ich schlagartig an das 1981 von einem gewissen Franz Zeltner in Brennberg verfasste Gedicht „Meine zwei Sprachen” erinnert wurde.

Es geht so:

1.

Als Mensch bin ich ein Deutscher,

Als Bürger ein Madjar;

Wir sprachen, sangen, träumten deutsch,

Weil es die Muttersprache war.

5.

Als Jüngling und als Freier

Mit Mädchen Hand in Hand

Da braucht man keine Worte nicht,

Die Sprache gilt in jedem Land.

2.

Als Kinder, wenn wir spielten,

War uns die Sprach’ egal;

Wir stritten und wir rauften uns,

Versöhnten uns auch wieder mal.

6.

Zwei Sprachen sprech’ ich heute,

Mal Deutsch, mal Ungarisch,

Wenn’s eilig oder hitzig wird,

Ist’s oft ein lustig Wortgemisch.

3.

Mir ist, in diesen Jahren

Hatt’ ich kein Sprachproblem,

Doch als ich in der Schulbank saß,

War’s oftmals schwer und unbequem.

7.

Die eine zum Erzählen,

Die zweite Sprach’ im Amt;

Sollt’s einmal nicht ganz richtig sein,

So helft! Und spottet nicht, verdammt!

4.

Da lernt’ ich schreiben, lesen

In Landessprache nur;

Die Mundart war nicht fein genug,

galt nur am Schulhof und im Flur.

8.

Als Bürger bin ich Ungar,

Als Mensch, so wie ich war;

Ich leb’ mit beiden Sprachen zwar,

doch kann ich eine besser, klar.

Wegen der Wichtigkeit seiner Aussagen und aus aktuellem Anlass am 18. Februar 2021 jährte sich sein Todestag zum 29. Male möchte ich dem Gedicht und seinem Autor hier einige Zeilen widmen.

F. Zeltner war ein Dichter aus Brennberg (ungarisch: Brennbergbánya) bei Ödenburg (ungarisch: Sopron), der von 1911 bis 1992 lebte und sowohl in der heanzischen deutschen Mundart als auch in der Hochsprache schrieb.

Das unterhaltsame Gedicht „Meine zwei Sprachen“ ist ein humorvoll gehaltenes, liebevolles Bekenntnis zur Zweisprachigkeit. Doch das Gedicht enthält noch ein zweites Bekenntnis: das zum Deutschtum.

Dieses eindeutige Bekenntnis, das ohne Herabsetzung Anderer auskommt und ganz im Sinne Bleyers steht, hat etwas so Zeitloses, etwas so erfrischend und entwaffnend Natürliches, dass man für einen Augenblick vergisst, wie wenig opportun ein solches Bekenntnis in heutigen Zeiten ist, wo die politische Korrektheit einschüchtert, Gefühle und Gedanken vorgeben möchte und gerade das Bekenntnis zum Deutschtum als etwas völlig Widersinniges verteufelt. Das Bekenntnis zu einer ethnischen Zugehörigkeit sollte, denke ich, auf freiwilliger Basis erfolgen können und reine Privatsache sein. Doch ich frage mich: Gibt es wohl heute noch ungarische Staatsbürger deutscher Herkunft, die sich – trotz der nationalistisch aufgeladenen, doch relativ unduldsamen öffentlichen Meinung heutzutage – so klar wie Zeltner bekennen würden, der sein Bekenntnis aus seiner Muttersprache herleitet?

Womit wir beim zweiten Thema sind: Was die Pflege der deutschen Muttersprache an ungarischen Schulen angeht, weisen Zeltners Worte auf einen Missstand von brennender Aktualität hin:

Doch als ich in der Schulbank saß, war’s oftmals schwer und unbequem.

Da lernt’ ich schreiben, lesen in Landessprache nur.“

Schwer und unbequem: Natürlich, ohne muttersprachlichen Deutschunterricht an den ungarischen Schulen ist das kein Wunder! Was in den 1910er und 1920er Jahren für Zeltner galt, gilt heute für die Deutschen Ungarns umso mehr. Wie gut haben es da die Angehörigen der madjarischen Minderheiten z. B. in der Slowakei und in Siebenbürgen. Ihnen steht ein komplett muttersprachlicher Bildungsweg zur Verfügung, von dem die Deutschen Ungarns nur träumen können, da die strukturellen Voraussetzungen für eine umfassende deutsche muttersprachliche Förderung an ungarischen Schulen nicht vorhanden sind (mit „Deutsche“ meine ich hier Menschen deutscher Muttersprache und/oder Abstammung, die sich als Deutsche im Sinne Bleyers und Zeltners sehen).

Es liegt gerade an uns, den deutschen Muttersprachlern, im Bereich des muttersprachlichen Deutschunterrichts in Ungarn durch persönliche Initiative, Ideen und Anregungen für Besserung zu sorgen und Abhilfe zu schaffen.

Persönliches: Mich verschlug es vor etlichen Jahren in die Ödenburger Gegend. Wie so viele Deutschödenburger der letzten 200 Jahre (z. B. Johann R. Bünker, Friedrich Rösch, Moritz Kolbenheyer, Friedrich Seltenhofer, Johann A. Muck, Karl Romwalter, Stefan Dorfmeister u. v. .m) war auch ich ursprünglich ein „Zugroaster” aus einem fernen Winkel des deutschen Sprachraumes. Für mich, meine Frau und meine Kinder ist die im Gedicht genannte ungarisch-deutsche Zweisprachigkeit ein fester Bestandteil unseres Alltags.

________________________________________________________

Der Großteil der Gedichte Franz Zeltners findet sich im Buch „Jahresringe” (Ungarndeutsche Anthologie) von 1984 und in der Broschur „Literarischer Rundbrief” (Nr. 5) von 1985.

Bild: LNLNLN, pixabay.com

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!