Von Dr. László Antal
Info: Mein Vater wurde in Helfgott (Țibeni/Istensegíts) geboren. Nach seinem Tode begann ich mich mit seinem Leben sowie mit der Geschichte der Ungarn in der Bukowina zu befassen. Ich habe alle mir zugänglichen Schriften gelesen, wodurch ich auch auf die Deutschen in der Bukowina gestoßen bin. Mich hat ihr Schicksal zwischen 1940 und 1948 tief bewegt, davon unabhängig, was sie 1940 oder 1941 gewählt haben. In der Literatur die sich mit der Geschichte der Ungarn in der Bukowina befasst, habe ich darüber nichts gelesen, dass mit den Ungarn auch Deutsche gekommen wären. Aber es sind welche gekommen und nicht nur aus Helfgott, sondern in bedeutender Anzahl auch aus Dornești (Hadikfalva) und aus Măneuți (Andrásfalva).
Ich habe versucht mir vorzustellen, was sich in der Seele jener deutschstämmigen Menschen hat abspielen können, die aus der Bukowina mit den Ungarn sich auf den Weg gemacht haben und die man nach dem Abstecher in die Batschka als Habenichtse in das Eigentum der geplünderten und vertriebenen Ungarndeutschen gesetzt hat.
Vorwort
Während der ersten Teilung Polens im Jahre 1772 erhielt das Habsburgerreich Galizien. Diese Provinz war jedoch im Süden militärisch verwundbar. Deshalb wollte der Wiener Hof die Bukowina im Süden als historische Region ergattern. Das gesamte Gebiet der Bukowina war jedoch bereits seit Jahrhunderten unter der Herrschaft der Woiwoden aus Moldau dem Osmanischen Reich Untertan. Nachdem der 1768 ausgebrochene erneute russisch-türkische Krieg mit einem russischen Sieg endete, stand nun die gesamte Bukowina unter russischer Besatzung.
Da sich dieses Gebiet am westlichen Ende der langen Linie der russisch-türkischen Front erstreckte, war es für die Russen weniger wichtig. Dies wurde von der österreichischen Diplomatie erkannt und noch bevor die Russen ihre Truppen abgezogen hatten, marschierte eine nicht allzu große österreichische Militäreinheit unter dem Kommando von General Gábor Splényi von Galizien aus in die Bukowina ein. Splényis Soldaten setzten schnell die Grenzsäulen. Die Beschlagnahme wurde von den mit den Österreichern verbündeten Russen stillschweigend akzeptiert und der türkische Kaiser trat trotz dem Drängeln der Woiwodschaft Moldau durch keine Militärgewalt auf.
Die österreichische Militärverwaltung hatte in der neu erworbenen Provinz Fuß gefasst und sie begann – gemäß ihrer ursprünglichen Ziele – die sozioökonomische Basis des militärischen Engagements wie üblich durch Ansiedlungen auszubauen. Zunächst fiel ihre Wahl auf die Szekler-Ungarn, die auch ursprünglich aus wirtschaftlichen Gründen oder vor dem Militär beziehungsweise um die Militärpflicht zu umgehen, in den Norden Moldawiens ausgewandert oder dorthin geflohen waren. So wurden 1776 die ersten beiden ungarischen Siedlerdörfer Helfgott und Vergeltsgott (Fogadjisten/Iacobești) gegründet und nach etwa zehn Jahren entstanden die anderen drei Ortschaften.
Nach der Erschöpfung der ungarischen Ansiedlungsmöglichkeiten und nach einer genaueren Erkundung der natürlichen Ressourcen der Provinz hielt es die Wiener Führung für zweckdienlicher, die Ansiedlung aus dem deutschsprachigen Raum fortzusetzen. Neben österreichischen Beamten wurden in erster Linie Familien angeworben – hauptsächlich für den Bergbau, für industrielle Aktivitäten sowie für Forst- und Landwirtschaft. Diese Ansiedlung wurde vom Ende des 18. Jahrhunderts bis Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts gefördert.
Die erste Gruppe von etwa zwanzig in der Landwirtschaft kundigen Familien mit vielen Kindern kam im Juni 1782 aus dem Banat und ließ sich zum Teil im Dorf Molodia nieder. Im August 1787 kamen dann weitere 50 Familien mit etwa 180 Personen aus Galizien, die ursprünglich aus den fränkischen und schwäbischen Regionen stammten. Die meisten von ihnen ließen sich in der Nähe der bereits bestehenden ungarischen Dörfer (Fratóc, Szatulmáre, Millesóc, Bágyóc usw.) nieder. Einige von ihnen siedelten sich in den leeren Häusern der ungarischen Dörfer (Hadikfalva, Andrásfalva) an. In Molodia und Szatulmáre ließen sich Katholiken nieder, die anderen waren im Allgemeinen evangelischer Konfession.
Inzwischen änderten sich in Europa auch die strategischen Machtverhältnisse: Das türkische Reich wurde nach und nach schwächer und Frankreich wurde nach Napoleons Machtergreifung auf militärischer Ebene rasant stärker. Infolgedessen ging die strategische Bedeutung der Bukowina praktisch verloren und verwaltungstechnisch schloss man sie an Galizien an. Die Wiederherstellung der administrativen Unabhängigkeit der Bukowina begann im Jahr 1849, der wirtschaftlich-soziale Aufstieg nahm erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einen Anlauf.
Über die Anfänge
Personen mit deutschem Namen sind bereits Ende des 18. Jahrhunderts in den Matrikelbüchern zu finden – gewöhnlich dann, wenn ein Szekler-Ungar-Bursche eine Frau aus den neu gegründeten deutschen Dörfern oder aus deutschen Familien in Andrásfalva und Hadikfalva geheiratet hat. So war auch das Beispiel von Dorothea Knoblauch oder einfach ungarisch gesagt: „Fokhagyma Dorottya“.
Auch aus der von dem in Vergeltsgott niedergelassenen Blechschmied Meister Meichel gegründeten Familie kamen im Späteren Bräute und Bräutigame nach Helfgott, die seinen Namen trugen.
Ende der 1810er Jahre und in den frühen 1820er Jahren wanderte ein Handwerker namens Johann Bauerfeind, der sich mit der Herstellung verschiedener Schuhe auskannte – also Schuster war – nach Helfgott aus. Er verliebte sich in ein Mädchen namens László alias Éva Miklós, die er am 18. November 1821 auch heiratete. Aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor, von denen fünf das Erwachsenenalter erlebten. Drei Töchter und zwei seiner Söhne gründeten eine Familie.
Sein Sohn Stephan bekam nur Töchter, sein Sohn Franciscus hatte einen Sohn. Den Leuten in Istensegíts fiel es schwer, den Namen Bauerfeind auszusprechen, daher erhielt die Familie den Spitznamen „Szász“ (Sachse). Die Familie stammte aus Hermannstadt (Szeben) und war evangelischer Konfession. Dies wurde mir erst offensichtlich, als ich die Aufzeichnung vom 22. April 1866 fand, in der es heißt: „Witwe Anna Maria Bauerfeind, geb. Folbath, 87 Jahre alt, geboren in Hermannstadt, Lutheranerin, sie konvertierte zur katholischen Religion.”
Es sieht so aus, dass Johann Bauerfeinds Mutter, die Großmutter vieler Kinder, sich eine ehrenhafte Beerdigung wünschte, und der damalige Geistliche, Dominikanermönch Druzsbacki (Druzbáczky) Bonaventura ihr diese Bedingung stellte. Mit der Eintragung des Todes von Ferenc Bauerfeind und seines zwei Jahre alten Sohnes Pius und schließlich durch die zweite Ehe von Johanns Tochter Eva, mit István Roth, Ende der 1860er Jahre, verschwinden die Eintragungen als Elternteil zum Familiennamen „Bauerfeind“ aus den Kirchenbüchern von Helfgott. Nach den 1880er Jahren wird der Name Bauerfeind nicht einmal mehr als Großelternteil eingetragen. Im späteren Status Animarium von Pastor János László können wir weder als Familienoberhaupt noch als Ehefrau auf diesen Namen stoßen.
Die Burschen und Mädchen der ungarischen Dörfer in der Bukowina suchten normalerweise einen Ehepartner in ihrem eigenen Dorf. Obwohl es nicht sehr üblich war, dass Jungen und Mädchen aus unterschiedlichen ungarischen Dörfern einander heirateten, geschah dies ab und zu doch. Manchmal kam es natürlich auch vor, dass ein nicht-ungarischer – meist deutscher – Mann aus den umliegenden Ortschaften eine Frau aus Helfgott heiratete oder ein Bursche aus Istensegíts sich eine nicht-ungarische – meist deutsche Braut – aus den umliegenden Dörfern nahm.
In den 1870er Jahren mit dem Bau der Eisenbahn beginnen sich die Hinweise auf deutsche Familiennamen zu vermehren. Anfangs sind es die Eisenbahnangestellten vom Stationsleiter über den Telegraphenbetreiber bis hin zu den Stationsangestellten.
Die Ansiedlung deutscher Familien
Der größere Zustrom wurde durch die Migration der Ungarn aus der Bukowina in die Gegend der unteren Donau ausgelöst. Die Mehrheit der umsiedelnden Ungarn war land- und besitzlos und versuchte der Hoffnungslosigkeit zu entkommen. Aber es gab auch eine gute Anzahl Ungarn, die Häuser und kleineres oder größeres Land hatte, aber in der Hoffnung auf materiellen Wohlstand und ein besseres Leben abwanderte. Diese Ungarn machten ihre Häuser und ihr Land zu Geld und verkauften alles hauptsächlich an wohlhabendere Bauern in der Gegend, die an Platzmangel litten und mehr Land wollten, aber auch Ersparnisse hatten.
Mehr als tausend, ganz genau 1.160 Menschen, etwa ein Drittel seiner Bevölkerung, verließ auch Istensegíts. Ein solcher Bevölkerungsrückgang konnte nicht ohne negative Folgen stattfinden. Obwohl die Überbevölkerung des Dorfes gemildert wurde, war das Gleichgewicht der Arbeitsteilung innerhalb der Dorfgemeinschaft gestört. Die meisten Abgewanderten hatten ihr tägliches Brot in Moldawien verdient, aber auch viele unter ihnen waren vorher Bedienstete örtlicher Bauern. Es gab in der Zahl weniger hungrige Mäuler, aber auch die Zahl der arbeitsfähigen Menschen war zurückgegangen. Fachgerecht ausgedrückt, kam es im Dorf zum Arbeitskräftemangel.
Wie in solchen Fällen üblich begann die Einwanderung aus den umliegenden Dörfern in die leer gewordenen Räume. Es waren überwiegend katholische oder evangelische Deutsche mit einer ähnlichen Kultur sowie landwirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen. Einige von den Zuwanderern mieteten oder kauften sich Häuser und Grundstücke, so dass sie Bauern wurden. Es gab auch einige Zuwanderer, die keinen Besitz hatten und somit Knechte ungarischer Bauern wurden. Natürlich gab es unter ihnen auch Handwerker (Schmiede, Dachdecker oder Tischler). Aus den Aufzeichnungen der Taufmatrikel von Istensegíts geht hervor, dass zwischen 1882 und 1900 mindestens 60 Familien im Dorf lebten, in denen sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau Deutsche waren. Sie kamen nicht nur aus nahe gelegenen Dörfern, sondern auch aus abgelegenen Gebieten der Bukowina. Einige kamen sogar aus Galizien.
– Bei jeder Migration gibt es eine große Fluktuation. Das war auch hier der Fall. Von den 60 deutschen Familiennamen blieb bis nach dem Ersten Weltkrieg nicht einmal die Hälfte erhalten. Es gab Deutsche, die vor dem Krieg von Amerika verlockt wurden und andere, die durch den Kriegswind und den anschließenden Herrschaftswechsel verweht wurden. –
Die Mehrheit der aus den umliegenden Dörfern eingewanderten Deutschen hatte eine Familie mit mehreren Kindern und schwangeren Frauen gehabt. Anfangs wurde die vertraute deutsche Hebamme zur Geburt gerufen, auch die Paten waren Deutsche und man heiratete untereinander. Aber das dauerte nicht lange.
Innerhalb weniger Jahre war auch die ungarische Hebamme gut genug geworden, auch ein Teil der Paten wurde ungarisch und die Mischehen begannen. Immer mehr deutsche Burschen heirateten ungarische Mädchen und ungarische Jungen heirateten deutsche Mädchen. Die Deutschen integrierten sich langsam in die szekler-ungarische Bauerngesellschaft von Istensegíts. Vor dem Ersten Weltkrieg nahm die Zahl der Kinder zu, deren Familienname deutsch und deren Muttersprache jedoch Ungarisch oder deren Familienname ungarisch, aber Deutsch die Muttersprache war.
Die deutsche Sprache wurde in den deutschsprachigen Familien immer mehr in den Hintergrund gedrängt, da man im Dorf auf der Straße oder in der Kneipe ungarisch sprach; man hatte auch eine ungarische Messe in der Kirche und die Kinder wurden in der Schule auf Ungarisch unterrichtet. In einer abgelegenen Dorfgemeinschaft in der Bukowina wie in Helfgott spielte es keine große Rolle, dass während der österreichischen Verwaltung Deutsch die Amtssprache war. Das Zusammenleben muss andere soziale und wirtschaftliche Auswirkungen auch gehabt haben, zum Beispiel auf den Lebensstil, die Arbeitskultur und den Standard der Landwirtschaft.
Herrschaftswechsel nach dem Ersten Weltkrieg
Nach 1920 änderte sich jedoch vieles: Die Bukowina kam zu Rumänien. Die neue Staatsmacht, die es zuvor noch nicht gegeben hatte, erschien direkt in den Dörfern in der Form von rumänischen Gendarmen und Lehrern. Dies konnte jeder Erwachsene und jedes Kind auf seiner eigenen Haut spüren. Nun erfuhr der gute Cibényi (hier sind wohl die Ungarn gemeint) – woran er bislang gar nicht gedacht hat -, dass er rumänisches Brot isst. Und wenn man rumänisches Brot isst, muss man rumänisch sprechen. Die Gendarmerie ertappte die Leute im Wirtshaus, man unterrichtete und lernte rumänisch in der Schule. Dies betraf natürlich in der multiethnischen Bukowina alle, aber – wegen der Änderung der Staatssprache relativ gesehen – die Deutschen am meisten. Aber sie konnten sich natürlich auch besser an die veränderte Situation anpassen.
Noch bevor die Visionen von der Verwirklichung des großrumänischen Nationalstaates bis in die entlegensten Winkeln hätten durchdringen können – Anfang der 1930er Jahre – begannen in Europa neue Winde zu wehen. Auch hier stieß die NS-Propaganda nicht nur auf taube Ohren. In Berlin und Moskau begannen die politischen Führer wieder zu träumen und fleißige Hände zogen neue Grenzen – vorerst nur auf Karten und auf dem Papier, um zu berechnen, wie viele Eisenbahnwaggons benötigt werden, damit die Probleme hinsichtlich bestimmter ethnischer Gruppen gelöst werden könnten.
Die Umsiedlung der Deutschen in das Dritte Reich
Bis 1940 wurde es endgültig offensichtlich, wo die Stifte der Berliner und der Moskauer Kartenzeichner aufeinandertrafen. Davon profitierte auch Rumänien nicht. Im Juni 1940 forderte die Sowjetunion Bessarabien und die Nordbukowina in einem Ultimatum für sich. Unter deutschem und italienischem Druck gab Rumänien nach und so kam es zu einer sowjetischen Besetzung Bessarabiens und der Nordbukowina. Da sich Hitler zu dieser Zeit bereits mit dem Gedanken des Angriffs auf die Sowjetunion befasst hatte, wurde es notwendig, die in sowjetische Hände gefallenen, und sich in der Konfliktzone befindenden Deutschen zurückzuziehen.
Am 5. September 1940 unterzeichneten die Sowjetunion und Deutschland das Dokument „Abkommen über die Umsiedlung der deutschstämmigen Bevölkerung Bessarabiens und der Nordbukowina in das Deutsche Reich”. Dieser Vertrag regelte detailliert – unter anderem – den Kreis der umzusiedelnden Personen. Danach galt jeder als Deutscher, der nachweisen konnte, dass er mindestens einen deutschen Großelternzweig hat, und war dadurch Umsiedler.
Am 15. September 1940 nahm das Neuansiedlungskomitee für die Nordbukowina seine Arbeit in Tschernowitz auf und der erste Eisenbahntransport mit 1000 Umsiedlern traf bereits am 27. September 1940 in Deutschland ein. Der Frist entsprechend überquerte der letzte Transport am 17. November die Grenze.
Also übte die Obrigkeit in Berlin den Zusammenhang zwischen den Problemen von Volksgruppen und der Anzahl von Waggons als erstes an ihrem eigenen Volk aus. Da die Bukowina ursprünglich zu Österreich gehörte, betrachtete Hitler die ehemalige österreichische Provinz als deutsches Interessengebiet. Deswegen weitete er die Umsiedlung auch auf die Südbukowina aus. Von dem banalen Umstand, dass die Südbukowina bei Rumänien verblieb, ließ sich Hitler nicht stören. Man erzwang rasch einen Vertrag, in dem Rumänien seiner Staatsbürger deutscher Nationalität in der Südbukowina entsagte, gestattete, dass sie Rumänien mit deutscher Militärhilfe verlassen, und versprach, die Hinterlassenschaften der auswandernden Deutschen (Land, Haus, landwirtschaftliche Ausrüstung usw.) durch Erdöl- und Benzinlieferungen auszulösen. Es muss betont werden, dass Rumänien nicht die Auswanderer entschädigte, sondern an deutschen Staat bezahlte.
Letzten Endes wurden 95.770 Seelen aus der Bukowina umgesiedelt. Laut einer Volkszählung im Jahre 1941 lebten 7.295 Deutsche in der Bukowina – also nur geringfügig mehr als sieben Prozent der ursprünglichen Zahl.
Das Schicksal der Umsiedler im nationalsozialistischen Deutschland
Die ankommenden Umsiedler wurden zuerst in ein Aufnahmelager gebracht, wo sie aus verschiedenen Gesundheits-, Sicherheits- etc. Gesichtspunkten untersucht wurden. In diesem Lager gab es eine strenge Ordnung mit Ausgangssperre. Hier erhielten die Umsiedler ihre Staatsbürgerschaft, hier tätowierte man ihnen ihre Blutgruppe auf ihre Haut. Gewöhnlich wurden die Männer und jungen Burschen bereits von hier zum Militär gebracht, meistens in die SS. Hier, im ersten Lager, begann man die Menschen zu selektieren und in verschiedene Gruppen einzuteilen. Die Klassifizierung basierte hauptsächlich auf der familiären Abstammung. Einfach ausgedrückt: Wenn nur ein Großelternteil nachweisbar deutsch war, wurde man in die Gruppe A eingeteilt und wenn alle vier Großelternteile Deutsche waren, galt man „reiner Deutscher” und kam in die Gruppe O.
Da auch andere zuverlässigkeitsbezogene Faktoren berücksichtigt wurden, wurde die Gruppe A weiter unterteilt und auch die Gruppe O wurde differenziert. Die überwiegende Mehrheit der Umsiedler waren in der Bukowina einfache Bauern gewesen, die man dadurch verlockt hatte, dass sie ein schlüsselfertiges Wohnhaus mit vierfachem Land erhalten sollten.
Eine Familie in der O-Gruppe konnte sich bereits freuen und eine Familie in der A-Gruppe hoffte darauf, in die O-Gruppe zu kommen. Das „A” bedeutete so viel, wie „Altes Reich“: Die Menschen dieser Gruppe arbeiteten in Arbeitslagern im Vorkriegsgebiet des Dritten Reiches und konnten darauf hoffen, durch ihre Arbeit und durch ihren Fleiß aufzusteigen. Das „O” bedeutete „Ost“. Im Wesentlichen kam eine zu dieser Gruppe gehörende Familie in der Erwartung einer selbstständigen Landwirtschaft in den durch den Krieg dem Reich angegliederten Gebieten (das heißt in Polen und in der Tschechischen Republik). Wie konnte der deutsche Staat dem Umsiedler einen schlüsselfertigen Bauernhof geben? So, dass man ihn dem ursprünglichen tschechischen oder polnischen Besitzer unter irgendeinem Vorwand einfach weggenommen hat!
Oft musste der Neuankömmling die strengen Auflagen der Kriegswirtschaft und seine Abgabepflichten unter ihm unbekannten Naturverhältnissen, in feindseliger Umgebung erfüllen. Mit der Zeit wuchsen dann die Abgabeverpflichtungen und als sich die Front näherte, wurde auch das Umfeld immer feindseliger. Schließlich musste man auf einmal fliehen und der umgesiedelte Deutsche – unter anderem – aus der Bukowina, den es hierher verschlagen hatte, wurde besitzlos.