Minderheitenrechte sollen auf Initiative des LdU-Abgeordneten Emmerich Ritter juristisch ausgebaut werden / Jobbik-Abgeordneter Dr. Koloman Brenner setzt sich für Wirtschaftsförderprogramm ein
Von Richard Guth
Der deutsche Abgeordnete, Emmerich Ritter, berichtete letzte Woche gegenüber der Tageszeitung „Népszava” von den Ergebnissen der Tätigkeit einer Arbeitsgruppe, die im Rahmen des Nationalitätenausschusses des Parlaments Vorschläge zur Änderung des Nationalitätengesetzes von 2011 unterbreitet haben soll. Nach Angaben von Ritter hat diese Arbeitsgruppe mit allen Parlamentsfraktionen, parteilosen Abgeordneten und Nationalitätenlandesselbstverwaltungen sowie mit den Ministerien konsultiert und so genieße dieser Änderungsantrag, der ausdrücklich nicht die Meinung der Regierung widerspiegele, die Unterstützung aller Parteien im Parlament. Die Modifizierung des Gesetzes bedarf einer Zweidrittelmehrheit, die deshalb als sicher erscheint.
Darin werden Bestimmungen des Gesetzes aus dem Jahre 2011 zum Teil modifiziert, zum Teil werden aber neue Bestimmungen aufgenommen, die den Sprachgebrauch und die kulturellen Autonomierechte der Minderheiten betreffen. So soll es weiterhin auf Iniitative der örtlichen NSVW obligatorisch sein, Protokolle und Beschlüsse der Veordnetenversammlungen der Gemeinden auch in der Sprache der Nationalität abzufassen, die im Ort mehr als 20 % der Bevölkerung stellt. Hier liegt der Schwerpunkt weiterhin auf den Initiativrecht der örtlichen Nationalitätenselbstverwaltungen, die diesen Wunsch auch äußern müssen. Was sich ändern soll, ist die Maßgabe, dass die Zahlen der letzten Volkszählung dabei entscheidend sein sollen. Neu hinzukommen soll die Bestimmung, wonach bei der Einstellung von kommunalen Beamten und Angestellten darauf geachtet werden soll, dass Bewerber mit entsprechenden Kenntnissen der Sprache der 20% – Minderheit zum Zuge kommen. Auch hier besteht das Gesetz auf das Initiativrecht der NSVW. In Ortschaften, in den sich 10 % der Bevölkerung zu einer der 13 anerkannten Minderheiten bei der letzten Volkszählung bekannte, sollen öffentliche Bekanntmachungen, Formulare, Schilder und Aufschriften sowie Presseauftritte auch in der Sprache der Nationalität erfolgen beziehungsweise verfügbar sein. Auch hier besteht die Änderung darin, dass die Daten der letzten Volkszählung zugrundegelegt werden sollen.
Letztes Jahr stand die fehlende Anonymität bei der Volkszählung im Fokus der Diskussion. In der Gesetzesänderung soll nun das Recht auf Anonymität bei der Angabe der Nationalitätenzugehörigkeit Aufnahme.
Bei der Übernahme von Bildungseinrichtungen sollen die neuen Träger nicht nur die Nutzungsrechte der Immobilien, sondern auch die Eigentumsrechte erhalten. Das ist nicht die einzige geplante Änderung im Schulwesen: So wird den Trägern ausdrücklich eingeräumt, Nationalitätenunterricht auch dann anzubieten, wenn sich die Zahl der Interessenten die Mindestanzahl von acht Schülern nicht erreicht. Hier wird aber sicherlich die Frage der Finanzierung die Entscheidung maßgeblich beeinflussen. Festgeschrieben werden soll zudem die Lernmittelfreiheit an Nationalitätenschulen, was im Hinblick auf die wegen den vergleichsweise geringen Auflagen hohen Kosten für Lehr- und Lernmittel im Nationalitätenschulbereich als Fortschritt gewertet werden kann.
Die Wahl der Nationalitätenselbstverwaltungen betrifft eine geplante Änderung, wonach die Gründung einer NSVW nur noch von 25 (statt 30 bisher) Wahlbürgern durch Wahlempfehlung initiiert werden muss. Als eine Stärkung der Mitspracherechte der NSVW kann der Vorstoß gewertet werden, dass diese nun die Möglichkeit haben verwaltungsrechtlich (über die Regierungspräsidien) und gerichtlich gegen Kommunen vorzugehen, die sich nicht an die verbrieften Minderheitenrechte halten.
Zudem wird den Landesselbstverwaltungen das Recht eingeräumt, in Absprache mit dem Gesundheitsministeriums soziale Einrichtungen zu betreiben.
Die Modifizierung des Gesetzes stand bereits in der ersten Maiwoche auf der Tagesordnung des ungarischen Parlaments. Der Abgeordnete der Jobbik, Dr. Koloman Brenner, sprach sich in der Parlamentsdebatte für ein Sonderwirtschaftsprogramm für Gebiete mit Nationalitätenbevölkerung aus. Ein entsprechender Antrag soll für die Zeit nach der Corona-Krise vorgelegt werden. Da dies, nach Ansicht von Brenner, im Einklang mit der Bürgerinitiative des Nationalrats der Sekler stehe, dürfte er von allen Parteien unterstützt werden.
Bild: Tim Reckmann/Flickr