Die Ungarndeutschen nehmen an den Parlamentswahlen teil

Von Stefan Bürgermayer

Am 08. April 2018 finden die nächsten regulären Parlamentswahlen in Ungarn statt. Diese werden die zweiten in der neueren Geschichte der Ungarndeutschen sein, da sie 2014 – das erste Mal nach der Wende – bereits die Möglichkeit erhielten, sich an den Parlamentswahlen zu beteiligen. Natürlich, diese Chance wurde nicht nur den Ungarndeutschen, sondern allen 13 anerkannten Minderheiten Ungarns anberaumt.

Was bedeutet aber, sich an den Parlamentswahlen zu beteiligen?

Bei jeder Minderheit darf die jeweilige Landesselbstverwaltung darüber entscheiden, ob sie an den Wahlen teilnimmt oder nicht. Anders gesagt, ob sie eine Liste aufstellt oder nicht. Wenn sie sich für die Aufstellung einer Liste entscheidet, dann kann man einen Abgeordneten – mit ermäßigter Stimmenzahl – ins Parlament schicken. Die ermäßigte Stimmenzahl bedeutet 25 % der Stimmen des letzten Abgeordneten, der von den Parteilisten sein Mandat erhalten hat. Gelingt das nicht, dann sitzt für die jeweilige Minderheit vier Jahre lang ein Parlamentssprecher im Parlament. Auch die Ungarndeutschen haben 2014 die Hürde von dazu notwendigen 22.022 Stimmen nicht erreicht, deswegen sitzt Imre Ritter nun als Parlamentssprecher der Ungarndeutschen im Hohen Haus in Budapest.

Reicht das Mandat des Parlamentssprechers aus, unsere Ziele zu erreichen?

Die kurze Antwort ist: nein. Etwas länger ausgelegt: mit einem Parlamentssprecher hat man schöne Ergebnisse erreicht, man hat aber auch sehen können, wo die Grenzen liegen. Problem ist, dass jetzt Initiativen nur in Minderheitenfragen und nur zusammen mit den anderen 12 Minderheiten vor das Parlament gebracht werden können. Diese Minderheiten sind aber unterschiedlich groß, haben völlig unterschiedliche Probleme, manche haben sogar keine Institutionen. All das führt dazu, dass einige Minderheiten in der Lösung der Probleme der Ungarndeutschen eher nicht interessiert sind und diverse Vorschläge blockieren. Deswegen wäre es nützlich, wenn man es 2018 erreichen könnte, einen vollberechtigten Parlamentsabgeordneten ins Parlament zu schaffen. Ungarndeutsche Selbstverwaltungen gibt es seit mittlerweile 24 Jahren. Erst seit 4 Jahren ist der Parlamentssprecher der Ungarndeutschen im Amt. Es ist bereits sichtbar, dass man jetzt wesentlich mehr erreichen kann.

Wie könnte man einen vollberechtigten Parlamentsabgeordneten haben?

Um für die Liste der Ungarndeutschen abstimmen zu können, muss sich jeder Wahlbürger bis zum 23. März 2018 in die „extra“ Wählerliste der Ungarndeutschen eintragen lassen. Es ist allgemein bekannt, dass jeder Staatsbürger an den Parlamentswahlen das Recht hat für einen Direktkandidaten (eine Person) und für eine Liste (eine Partei) abzustimmen. Die Ungarndeutschen auf dieser „extra“ Wählerliste entscheiden sich bereits vor den Wahlen, dass sie lieber einen ungarndeutschen Abgeordneten ins Parlament schicken, als dass sie sich für eine Partei entscheiden. Ziel wäre es, die Zahl der in der Wählerliste der Ungarndeutschen registrierten – von aktuell über 20.000 Wählern – auf knapp 40.000 Wahlbürgern zu erhöhen. Das wäre aus zweierlei Gründen notwendig: einmal, weil sich die Zahl der notwendigen Stimmen – abhängig von allen und für alle gültig abgegebenen Stimmen – ändert und andermal, weil in der Zeit bis zu den Wahlen manche Wahlbürger erkranken oder eben anderweitig daran gehindert werden können, zur Abstimmung sich in die Wahllokale zu begeben. Auf diese Weise wäre das Ergebnis der Wahlen: ein vollberechtigter Parlamentsabgeordneter der Ungarndeutschen. Aufgaben hätte der neue Abgeordnete reichlich. Es wäre äußerst elegant, wenn sich die Wähler bei den Parlamentswahlen, die sich in die Wählerliste der Ungarndeutschen eingetragen haben, überhaupt nicht entscheiden müssten, ob sie für eine Partei oder eben für die Ungarndeutschen abstimmen möchten (zum Beispiel ist diese Stimme in Kroatien eine zusätzliche – sozusagen „bonus“ – Stimme für die Registrierten). Außerdem wäre es nützlich, wenn die ungarndeutschen Selbstverwaltungen selbst entscheiden könnten, welche größere Investitionen sie in der Zukunft unternehmen möchten und nicht, dass sie gegen Ende jeden Jahres die Restgelder – manchmal auch für sinnlose Sachen – ausgeben müssen.

Wer sind die Kandidaten?

Der erste an der Liste ist Emmerich Ritter (Budaörs/Wudersch), der in der nächten Zusammensetzung des Parlaments nicht mehr als Parlamentssprecher, sondern als Parlamentsabgeordneter der Ungarndeutschen arbeiten wird. Ihm folgt Otto Heinek (Budapest), Vorsitzender der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen. Die dritte ist Ibolya Englender-Hock (Kozármisleny/Mischlen), die Hauptdirektorin des Valeria Koch Schulzentrums in Pécs/Fünfkirchen. Ihr folgt Josef Manz (Baja/Baje), Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Selbstverwaltungen des Komitats Bács-Kiskun. Die fünfte an der Liste ist Kinga Gáspár (Leányvár/Leinwar), eine der jüngsten Mitglieder der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen.

In der Baranya/Branau und Somogy/Schomodei hat man die Interessenten über das Wichtigste auf Sitzungen in sieben Kleinregionen informiert. Themen waren das Wahlsystem selbst, das vom Parlamentssprecher in der letzten Zeit Erreichte, die Ziele für die nächste Periode, die weiteren Kandidaten an der Liste und die anstehenden Aufgaben in jeder Gemeinde vor Ort. Die Anwesenden hatten auch Fragen, auf die man gerne geantwortet hat. Am 01. Februar fand eine solche Sitzung für die 4. Kleinregion in Mohács/Mohatsch statt. In Somberek/Schomberg folgte am 06. Februar dann die zweite Zusammenkunft für die 5. Kleinregion, wo Imre Ritter zu Gast war. Am 08. Februar war Ottó Heinek zu Gast in Bóly/Bohl an der Sitzung der 3. Kleinregion. In Pécs/Fünfkirchen wurde die Sitzung der 2. Kleinregion am 12. Februar abgehalten. Da die 7. Kleinregion ein sehr großes Gebiet zusammenfast, wurde sie auf zwei Standorte aufgeteilt: beide Sitzungen fanden am 13. Februar statt, allerdings die eine in Szigetvár/Siget und die andere in Sásd. An diesen beiden Sitzungen waren auch die Mitglieder der deutschen Selbstverwaltungen aus Somogy/Schomodei anwesend. Am 14. Februar traf sich die 1. Kleinregion in Villány/Willand, wo auch Ibolya Englender-Hock teilnahm. Die 6. Kleinregion kommt am 15. Februar in Pécsvárad/Petschwar zusammen.

Nützliche Links:

http://www.wahl2018.hu (die Wahlseite der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen)

http://www.valasztas.hu (offizielle Website des Nationalen Wahlbüros)

Foto: MTI (Emmerich Ritter gibt seine Stimme an den Wahlen von 2014 ab)

 

 

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