Wahlgeografe analysiert mögliche Beweggründe bei der Nominierung von Gregor Gallai
Am Freitag veröffentlichte das konservative, regierungskritische Online-Portal „Válasz Online” einen längeren Beitrag des Wahlgeografen Mátyás Bódi, dem Analysten der Facebook-Seite „Választási földrajz” (Wahlgeografie). Er geht in seiner Analyse der Fragestellung nach, was die Beweggründe gewesen waren, Ritter gegen Gallai auszutauschen. Pointiert formuliert: „Lässt Fidesz das deutsche Parlamentsmandat los?”, wie es in der Überschrift des Artikels etwas tendenziös lautet.
Der Beitrag rekapituliert das Wahlverhalten von Emmerich Ritter seit 2018 und kommt zum Schluss, dass das deutsche Mandat im Grunde als extra Fidesz-Stimme im Parlament funktioniere. Viele hätte der Wechsel auf der Spitze der Landesliste unerwartet getroffen, auch wenn die Ablösung seines Mentors Ritter wohl vorbereitet gewesen sei: Dabei verweist Bódi auf Gallais Veranstaltungsreihe „Wechselgespräche”, die er als Wahlkampftournee Gallais bewertet. Er sei insgesamt, so die LdU-Quellen des Autors, viel autonomer als Amtsinhaber Emmerich Ritter. Gallai zeigt sich bezüglich seines zukünftigen Wahlverhaltens (im Fall seiner Wahl) bedeckt, so seine Reaktion auf eine Anfrage von Bódi, und verweist auf die kommende Richtliniensitzung der LdU im Januar, die dies verbindlich regeln soll. Er schließe dabei ein „dynamisches” Normensystem nicht aus, ohne dies zu spezifizieren. Wobei die Unterstützung der Regierung nicht ungewöhnlich ist, nimmt man mitteleuropäische Beispiele aus Rumänien beispielsweise, betont Bódi im Beitrag.
Der Autor verweist darauf, dass sich in der LdU auch Menschen mit oppositioneller Gesinnung sitzen würden, wenngleich in der Minderheit. Gallai ist nach eigenem Bekunden parteiunabhängig beziehungsweise gehört keiner Partei an. Er wurde von der LdU ohne Gegenstimme und -kandidaten als Listenführer aufgestellt. Bódi spricht daneben von einer ambitionierten Kandidatur vom Landesrat-Chef László Kreisz (der 18 Jahre lang Takser Bürgermeister von der Partei Fidesz war, ehe er 2024 von einem parteilosen Kandidaten mit Zweidrittel abgelöst wurde), die aber keinen Zuspruch erfahren habe, so mehrere Quellen einhellig.
Die Deutsche Wählerliste befinde sich seit einiger Zeit in einer kontinuerlichen Abwärtsspirale, was in erster Linie auf demografische Gründe zurückzuführen sei, so der Experte. Gegenwärtig stehen weniger als 30.000 Wählerinnen und Wähler auf der Liste, was für ein erneutes Mandat nicht ausreichen würde. Hier rechnet Bódi lange nach und kommt zum Schluss, dass Gallai dann Glück hätte, wenn die prognostizierte Steigerung bei der Wahlbeteiligung den Wiedereinzug der extremen rechten „Mi Hazánk” vereiteln würde. Daher liege es an Gallai, neue Wähler von der Deutschen Liste zu überzeugen. Dies bedeute eine Positionierung in der Mitte – die Überzeugung von Nicht-Fidesz-Sympathisanten davon, dass er nicht den Machtinteressen der Partei dienen werde. Ein schwieriges Unterfangen, so Bódi, habe dieses System Fidesz selbst erschaffen. Daher sei es unwahrscheinlich, dass Fidesz bereit sei, die Kontrolle darüber abzugeben.
Bódi vermutet, dass die Nominierung von Gallai auf den Unwillen der LdU zurückzuführen sei, wieder mit einem offen Fidesz-freundlichen Kandidaten anzutreten – Bódi geht ferner davon aus, dass man dem Herausforderer Tisza nicht das Gefallen habe tun wollen, bei potenziellen Wählern darum werben zu können, sich vom Wählerverzeichnis streichen zu lassen. Denn die Wählerschaft sei heteregon und keinesfalls pro Fidesz-Regierung. Somit sei der Schritt eine Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen, so das Fazit des Wahlgeografen.