Deutschkenntnisse in Ungarn

Sprachprüfungsstatistiken: Deutschkenntnisse in Ungarn in dramatischem Rückgang

Im Vorjahr 2024 sank die Zahl der Sprachprüfungskandidaten in Ungarn dramatisch. Laut den offiziellen Statistiken des Landesschulamtes (Oktatási Hivatal) versuchten nur 58.969 Personen, eine Sprachprüfung abzulegen, überwiegend auf B2-Niveau, mit insgesamt 46.649 bestandenen Sprachprüfungen, während diese Zahl 2019 noch bei etwa 124.500 lag, mit 82.369 erworbenen Zertifikaten. Dies bedeutet einen Rückgang um mehr als die Hälfte innerhalb von nur fünf Jahren.

Unter den gewählten Sprachen führt weiterhin Englisch die Liste an (Prüflinge: 49.109, erfolgreich abgelegt 39.229), gefolgt von Deutsch mit 7.760 Kandidaten, dann Spanisch und Französisch – dabei wurden 2024 nur 5.769 (!) erfolgreiche Deutschprüfungen abgelegt, in den Niveaustufen A1 bis C2.

Die Anzahl der in Ungarn beworbenen und abgelegten deutschen Sprachprüfungen zeigt zwischen 2019 und 2024 unbestreitbar einen dramatischen Rückgang. Im Spiegel der veröffentlichten Daten liegt Folgendes vor: Im Jahr 2019 meldeten sich 21.926 Personen zur Deutschprüfung an, mit einer Erfolgssumme von 13.405. Im Vergleich zu 2024 bedeutet dies einen Rückfall um 65 und 57% (Prüfungsteilnehmer und abgelegte Prüfungen), was angesichts der Entwicklung der letzten Jahre ein drastisches, stufenweises Verschwinden der Deutschkenntnisse im Lande darstellt. Noch auffälliger ist der alarmierende Trend, wenn man die fortgeschrittenen C1- bzw. C2-Sprachprüfungen betrachtet, die bereits konventionell kompetente Sprachkenntnisse belegen: Im Jahr 2024 wurden lediglich 1.044 Prüfungsteilnehmer auf diesem Niveau registriert, was im landesweiten Vergleich als eindeutig gering einzustufen ist. Der Sinkflug wurde nach 2016 mehr als deutlich, da 2016 landesweit noch 27.841 Prüflinge mit Deutsch als Prüfungssprache erfasst wurden. Also innerhalb von acht Jahren (2016-2024) sage und schreibe, 72 % weniger! Eine ähnliche, wenn auch etwas gemäßigtere Talfahrt ist in den Statistiken des Deutschabiturs zu beobachten: Im vergangenen Jahr fiel die Zahl derjenigen, die Deutsch als Prüfungsfach im Abitur wählten, erstmals unter 10 000 -der niedrigste Wert seit vielen Jahren.

Zwei Fragen stellen sich im Zusammenhang mit dem allmählich erfahrenen „Mundsterben“ des Deutschen in Ungarn. Erstens: Woran liegt diese Tendenz? Sicherlich ist jener Umstand zu beklagen, dass die ungarische Regierung im Jahr 2022 ankündigte, die zuvor eingeführte Sprachprüfungspflicht für den Erwerb eines Hochschuldiploms abzuschaffen. Damit entfiel einer der wichtigsten Motivationsfaktoren, was auch dadurch bestätigt wird, dass der Rückgang bei der Zahl der Sprachprüfungen besonders deutlich in der Altersgruppe der 20- bis 25-jährigen Studenten zu beobachten ist. Hinzu kommt der zahlenmäßige Rückgang bei den jüngeren Altersgruppen in der ungarischen Gesellschaft. Dabei soll eine immer kleinere Gruppe mit immer weniger Motivation für das Sprachenlernen begeistert werden, vor dem Hintergrund von finanziellen und strukturellen Schwierigkeiten beim Zugang zum Sprachunterricht und bei der intensiven Suche nach alternativen Wegen und deren Nutzung, etwa über Online-Applikationen, die ein weniger formelles, sondern eher „praxisorientiertes” Wissen vermitteln. Dabei muss betont werden, dass der glaubwürdige Nachweis der Sprachkenntnisse nach wie vor die Sprachprüfung bzw. das Sprachzertifikat bleiben – worauf auch die Stufen und die schulischen Lehrpläne für den Sprachunterricht basieren-, die auf dem Arbeitsmarkt in vielen Bereichen als Voraussetzung gelten. Alles in allem zählen die Ungarn in Bezug auf Sprachkenntnisse in der Europäischen Union zu den hintersten Nachzüglern, nur Bulgarien produziert schlechtere Werte: Laut einer Eurostat-Erhebung von 2022 sprechen 51,3 % der Ungarn im Alter von 25 bis 64 Jahren gar keine Fremdsprache.

Bezüglich der schwierigen Situation der deutschen Sprache in Ungarn lässt sich feststellen, dass dahinter in erster Linie die vollständige Dominanz der englischen Sprache an den ungarischen Schulen steht, und zweitens die Probleme beim Zugang zu qualitativ hochwertigem Deutschunterricht sowie die unzureichende landesweite Abdeckung. Eine Ausnahme bilden die ungarndeutschen und deutschsprachigen Bildungseinrichtungen (z. B. Audi-Schule, Deutsche Schule Budapest, DNG oder UBZ), denen der Großteil der Deutschprüfungen zu verdanken ist. Das zuvor erwähnte Fehlen der Motivation hat auch Auswirkungen auf die Zahl der Lerner – die Mehrheit der jungen Menschen entwickelt keine identitätsstiftende Beziehung zur Sprache oder Bestrebungen zum Spracherwerb, selbst wenn sie sich ihrer deutschen Herkunft bewusst sind, was in Ungarn innerhalb der ungarischen Bevölkerung weit verbreitet ist und in einigen Regionen sogar als Massenphänomen erscheint. Über die eigenen sowie die landes- und regionsspezifischen kulturellen Gegebenheiten hinaus wird nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen, welchen großen Vorteil die Deutschkenntnisse in der Arbeits- und Berufswelt in Ungarn bieten.

Trotz alledem berichten die Volkszählungsdaten genau vom Gegenteil: Die landesweite Volkszählung von 2022 zeigte, dass 1,2 Millionen Ungarn die deutsche Sprache beherrschen, was um 200.000 mehr ist als 2011, als eine Million Menschen ihre Deutschkenntnisse angaben. Können wir uns also beruhigt zurücklehnen? Keineswegs, denn diese Zahlen sind nicht völlig zuverlässig, wenn es um die Verbreitung der deutschen Sprache im Land geht. Zum einen beruht diese Frage auf Selbstauskunft, sodass Massen von Menschen mit „Ja“ antworten konnten, ohne verlässliche Überprüfung, auch wenn ihre Kenntnisse der Sprache Goethes sich nur auf ein paar Sätze beschränken oder sie sie lediglich irgendwann früher, vielleicht vor Jahrzehnten, in der Schule gelernt haben. Demgegenüber vermitteln die Statistiken über Sprachprüfungen ein realistischeres Bild der überprüften, tatsächlich lebendigen Sprachkenntnisse. Ihre Erhebungsdaten werden Jahr für Jahr aktualisiert, sie zeichnen ein Bild vor allem über die junge und mittlere Generation und skizzieren eine aktuelle Entwicklungslinie. (Ihr Nachteil besteht darin, dass die älteren Altersgruppen dabei nicht sichtbar werden.)

Die Sache der deutschen Sprache in Ungarn ist eine Herzensangelegenheit der Jakob Bleyer Gemeinschaft, daher haben wir uns entschlossen, unter Einbeziehung unserer Mitglieder und Bildungsexperten Lösungsansätze zu entwickeln, die die Wiederbelebung des Deutschen als Nationalitätensprache zum Ziel haben, verbunden mit der Verbesserung der landesweiten Deutschkenntnisse und der Förderung der deutsch-ungarischen Zweisprachigkeit als Modell.

Statistiche Quellen: https://nyak.oh.gov.hu/doc/statisztika.asp

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