Wir konnten in letzter Zeit viel über die Schlüsselrolle der Jugend für den Fortbestand der deutschen Gemeinschaft lesen. Auch die LdU startete eine Initiative, um junge Aktive als Ehrenamtliche zu gewinnen, auch wenn die Wahl des vornehmlichen Kommunikationsmediums der Kampagne – sprich der Sprache – durchaus Fragen aufwirft. Der Jugendausschuss des obersten Selbstverwaltungsorgans hat sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe entwickelt – von der jährlich stattfindenden Jugendkonferenz ganz zu schweigen. Und auch die Aktualisierung unserer Leserlisten hat ergeben, dass die Jugend durchaus bereit ist in den örtlichen Selbstverwaltungen Verantwortung zu übernehmen. Alles gut so!
Dass diese Jugend anders ist als die vorangegangene Generation, ist eine Selbstverständlichkeit: Man denkt vielfach anders, man handelt anders – das Ziel sollte aber das Gleiche sein.
Stellen wir uns eine Jugendorganisation vor, die Jubiläum feiert. Dazu gehören stets – seit Jahrzehnten – geselliges Beisammensein, gute Musik, flotte Tanzschritte und eine gehörige Portion Netzwerkbildung. Alles gut so!
Nun ist es im Laufe der Zeit zur guten Tradition geworden, dass einzelne Gliederungen dieses Jugendverbands die alljährliche Zusammenkunft der Zukunftsvertreter der Gemeinschaft organisieren. Das erfordert mediale Präsenz auf Facebook, Instagram oder TikTok. Man würde von einem deutschen Jugendverband erwarten, dass dieser in erster Linie auf Deutsch kommuniziert. Nicht anders ist es im Kreise der Siebenbürger Madjaren oder der Banater Schwaben. Angesichts der sprachlichen Situation unserer Volksgruppe ist man aber seit längerem gezwungen, sich (auch) der ungarischen Sprache zu bedienen. Die elegante (aber in der Tat mühselig(er)e) Variante ist dabei die zweisprachige Kommunikation. Beim Facebook-Bewerben dieser Veranstaltung suchte man aber vergebens danach: Die Texte, Ankündigungen und Informationen waren „akkurat” auf Ungarisch gehalten. Da fiel einem ein Fall von vor einigen Jahren ein, als wir die neue, schicke Internetpräsenz des Landesverbandes beanstandeten – auch diese war rein ungarischsprachig. Daran hat sich seitdem leider nichts geändert. Also kein gutes Vorbild für die Gliederungen!
In diese sprachliche Eintönigkeit schlug ein Begriff ein, wie ein Meteorit: Sold out. Dieser englische Begriff will zum Ausdruck bringen, dass etwas ausverkauft ist. Das klingt hip und strahlt Modernität aus – gemeint ist, dass die Veranstaltung des Landesverbands ausverkauft ist. Nun muss ich mich an dieser Stelle an der eigenen Nase fassen: Es ist schon öfters vorgekommen, dass mir beispielsweise Begriffe wie fresher Style und cleanes Fit über die Lippen gingen, als ich den ansprechenden, geschmackvollen oder wie auch immer gearteten Kleidungsstil von anderen gelobt habe. Auch grüßt man sich wie selbstverständlich mit „Hi” und verabschiedet sich mit cu (see you) – in etwa „Wir sehen uns”. Auch das berühmte F-Wort hört man des Öfteren, wenn man sich über etwas ärgert. Englisch ist allgegenwärtig, es prägt uns. Die Jugend, die mit digitalen Endgeräten und einer globalisierten Modewelt aufwächst, ist umso mehr davon betroffen. Englisch ist zum Kommunikationsmittel Nr. 1 geworden, wenn wir mit Instagram-Bekanntschaften am anderen Ende der Welt chatten (also plaudern) oder uns am Check-In-Schalter im Ausland mit dem Personal unterhalten. Daher ist die Verwendung von „Sold out” wie eine Selbstverständlichkeit. Es klingt ja irgendwie auch weltmännischer als „ausverkauft” und wertet ja das Event – pardon – Ereignis in seiner Bedeutung auf. Jedenfalls scheint es so.
Fassen wir also zusammen: Wir haben eine Jugend, die gar nicht so inaktiv ist, wie manche sich denken oder einbilden. Diese Jugend tanzt und musiziert gerne, kommuniziert aber am liebsten auf Ungarisch. Diese Jugend ist neben all dem Traditionsbewusstsein – nicht zuletzt bekannt aus dem schulischen Volkskundeunterricht – modern und zeigt sich weltmännisch.
Hier könnte diese Merkwürdigkeit eigentlich enden.
Aber irgendwie ergreift einen das Gefühl: Da fehlt etwas. Findet damit nicht ein großer Ausverkauf unseres sprachlichen Erbes statt? Hatten wir uns nicht eigentlich der Wiederbelebung der deutschen Sprache verschrieben? Sollten wir nicht mit gutem Beispiel vorangehen?
Oft wird argumentiert, dass man ja damals, nach dem Krieg nicht deutsch sprechen durfte, so dass man die Sprache nicht an die nachfolgende Generation weitergegeben hat (stimmt so nicht). Ein anderes Argument lautet, dass man nur in den Randstunden Deutschunterricht hatte (stimmt wiederum). Die Zeiten sind aber längst vorbei, selbst der Besuch der sprachunterrichtenden Form (Deutsch jeden Tag) ermöglicht es jedem die Sprache so weit zu erlernen, dass man sie als Kommunikationsmittel einsetzen kann (von den zweisprachigen Schulen ganz zu schweigen). Auch langjährigen Vertretern unserer Gemeinschaft stünde es offen, Sprachkenntnisse nachträglich zu erwerben. Wo ein Wille, da auch ein Weg – wie es so schön heißt. Ganz schmerzhaft ist zu beobachten, dass die Vernachlässigung der Pflege des sprachlichen Erbes auch in solchen Ortschaften üblich ist, in denen wir zahlenmäßig (noch) stark vertreten sind.
Ich habe oft das Gefühl, dass wir diesem „Sold-out” unseres sprachlichen Erbes Tür und Tor öffnen, ohne kritisch zu reflektieren: Ist dieses Verhalten vorbildhaft für die Jugend (oder als Jugendvertreter für andere Jugendliche)? Das lasse ich am besten als rhetorische Frage stehen.