Die eiserne Höhle

Die eiserne Höhle

Blitz und Gewitter versetzten die Menschen früher oft in Schrecken. Es lebte einmal ein sehr reicher Mann. Seine Frau war schon lange gestorben, aber ein schönes Töchterchen war ihm geblieben. Er hütete es wie seinen Augapfel. Nie ließ er es allein unter die Menschen gehen. Eines Tages gingen sie in das Dorf. Ein Kräuterweib, das auch wahrsagte, hielt sie an, lobte das Mädchen und sprach dann zu dem reichen Manne:

”Verzeiht, ich möchte Euch etwas sagen! Achtet sehr auf Eure Tochter, denn es kann sein, dass sie vom Blitz erschlagen wird!”

Der reiche Mann erschrak sehr. Als er wieder nach Hause kam, ließ er sofort den Schmied aus dem Dorf kommen.

„Was weißt du gegen den Blitz?”– fragte er ihn.

„Darüber müsste man nachdenken!” – antwortete der Schmied.

Und damit ging er nach Hause. Er kam aber nicht wieder, denn er wusste auch nichts gegen den Blitz. Nicht lange danach war Markt im Nachbardorf. Auch der reiche Mann ging mit seiner Tochter hinüber. Unter den vielen Zelten stand auch das Zelt einer Wahrsagerin. Dort gingen sie zuerst hin. Der reiche Mann gab ihr zwei Goldstücke; vielleicht sagte sie etwas Besseres als die andere. Aber auch diese warnte:

,„Achtet sehr auf Eure Tochter, denn es kann sein, dass sie vom Blitz erschlagen wird!”

Als er nach Hause kam, schloss er sich in seinem Zimmer ein. Drei Tage und drei Nächte kam er nicht heraus. Dann ließ er die Handwerker und die Bergleute aus dem Dorf zu sich kommen. Er sagte ihnen:

„Baut eine eiserne Höhle unter der Erde! Meterdick sollen ihre Wände sein, fünf Meter Erde sollen darüber liegen! Bequem soll sie sein, auf drei starken Angeln soll ihre Tür ruhen! Dort soll meine Tochter wohnen.”

Die eiserne Höhle wurde gebaut. Die Leute aus dem Dorfe lachten nur darüber, als der Reiche seine Tochter hineinziehen ließ; er selbst blieb in seinem Hause. Nur wenn die Sonne schien, ließ er das Mädchen aus der eisernen Höhle. Alle bedauerten das Mädchen.

“Dieser Mensch ist verrückt”, sagten die Leute, „sonst würde er mit seiner Tochter nicht so umgehen!”

Einmal war Kirchweih im Dorfe. Auch der reiche Mann ging hin und nahm seine Tochter mit. Die Leute des Dorfes zeigten auf ihn: “ Das ist der Verrückte, der sein Kind in einer eisernen Höhle versteckt hält.”

Der Reiche ging nur deshalb zur Kirchweih, und die Wahrsagerin sagte wieder:

“Achtet sehr auf Eure Tochter, denn es kann sein, dass sie vom Blitz erschlagen wird!”

Der Reiche wusste weder einen noch aus. Schon auf die kleinste Wolke hin schickte er seine Tochter in die eiserne Höhle. Vergebens sagte die arme Kleine, dass sie weder vor Regen noch vor Donner Angst habe, ihr Vater gab nicht nach.

Wieder einmal kam ein Gewitter. Es donnerte und blitzte. Der reiche Mann lief mit seiner Tochter in die eiserne Höhle.

Er schloss die Tür hinter ihr zu und ging in sein Haus zurück. Die Tür der eisernen Höhle

konnte man aber auch von innen öffnen. Nach einiger Zeit war die Kerze abgebrannt, das Mädchen ging zur Tür, öffnete sie und lief zum Grabstein seiner Mutter auf den Friedhof. Das konnte der Vater nicht wahrnehmen, denn der Wind wirbelte so viel Staub auf, dass er nicht bis zur eisernen Höhle sehen konnte. Das kleine Mädchen stand wehmütig am Grabe unter den schützenden Ästen einer Trauerweide wartete es. Auf einmal gab es ein schreckliches Krachen und der Blitz schlug in die eiserne Höhle. Der Reiche lief gleich hin und sah, dass der Blitz die eiserne Höhle völlig zertrümmert hatte. Anstelle der Höhle war nur noch das geschmolzene Eisen zu sehen. Er dachte, seine Tochter wäre tot und er starb vor Schreck im gleichen Augenblick.

Als das Gewitter vorüber war, ging das Mädchen vom Friedhof nach Hause. Da erfuhr es, was geschehen war. Sie  beweinte ihren Vater sehr. Des kleinen Waisenkindes nahmen sich die Bergleute an. Es dachte kaum mehr an die eiserne Höhle. Zog aber ein starkes Gewitter über das Land hinweg, überkam das Mädchen große Traurigkeit.

 

Die eiserne Höhle

Folgen Sie uns in den sozialen Medien!

Spende

Um unsere Qualitätsarbeit ohne finanzielle Schwierigkeiten weitermachen zu können bitten wir um Ihre Hilfe!
Schon mit einer kleinen Spende können Sie uns viel helfen.

Beitrag teilen:​
Geben Sie ein Suchbegriff ein, um Ergebnisse zu finden.

Newsletter

Möchten Sie keine unserer neuen Artikel verpassen?
Abonnieren Sie jetzt!