Regelmäßige deutsche Messen in Schaumar/Solymár überraschend eingestellt – Lösungssuche gestaltet sich schwieriger als gedacht
Es kam anders als erwartet. „Magyar mise lesz” (die Messe wird auf Ungarisch sein), flüsterte man dem Neuankömmling zu. Und tatsächlich stimmte die Organistin ein Kirchenlied auf Ungarisch an und der Priester begann die Liturgie statt „Der Herr sei mit euch” mit „Az Úr legyen veletek” an. Die Gemeindemitglieder schauten sich mit Unverständnis an und haben mit Widerwillen mitgemacht.
Die Entscheidung, die Anfang Mai von der Kanzel aus verkündet wurde, hat in der Umgebung für Entsetzen gesorgt: Es werde keine deutsche Sonntagsmesse in Schaumar mehr geben, jedenfalls in regelmäßigen Abständen (sprich: wöchentlich), verkündete János Szemere, Pfarrer der Mariengemeinde Werischwar.
Spoiler: An dieser Stelle muss ich Befangenheit anmelden. Nicht nur deswegen fühle ich mich befangen (und irgendwo auch betroffen), weil ich jeden Verlust, was unser sprachlich-kulturelles und religiöses Erbe betrifft, bedauere, sondern weil ich mich seit dem Erwerb unseres Grundstücks auf der Hutweide vor 34 Jahren mit der Schaumarer Pfarrgemeinde verbunden fühle. Ich durfte auch den Entwicklungsweg der damals 10-Uhr-Messe begleiten, in deren Rahmen bis 1998, als Pfarrer János (Johann) Mits (mütterlichseits ein Bakonyer Schwabe) vom jungen, dynamischen Pfarrer Mátyás Illéssy („Matyi atya”) abgelöst wurde, einmal im Monat deutsch gebetet und gesungen wurde. Die Ernennung von Matyi atya bedeutete eine Zäsur: Ab dort wurde das Hochamt auf Deutsch gefeiert, mit einem bunten Mix von Jung und Alt, Trachtenträgerinnen (damals noch einige dutzend Frauen) und Eltern mit Kleinkindern. Die Heilige Messe erfuhr durch das Engamenent des aus Siebenbürgen stammenden und vormals im Bistum Eisenstadt aktiven Geistlichen Emmerich Salat eine Aufwertung, indem er in deutscher Sprache predigte. Nach dem Amtseintritt von Pfarrer Péter Kertész wurde die Messe mit ungarischsprachiger Teilliturgie und mit ungarischer Predigt gefeiert. In diese Zeit fiel die Herausgabe eines deutschsprachigen Gebet- und Gesangbuches. Durch die Übernahme der benachbarten Pfarrgemeinde in St. Iwan bei Ofen durch Dommherrn Kertész schwebte bereits einmal der Damoklesschwert über der deutschen Messe – die Gefahr konnte durch die Verpflichtung des deutschen Pfarrers der St. Elisabeth-Gemeinde Budapest, Gregor Stratmann, abgewendet werden. Auch die deutsche Sonntagspredigt kehrte ins Gotteshaus zurück. Wehrmuttropfen: Die Messe wurde fortan um 8:15, später um 7:45 und dann um 7:30 gefeiert. 2021 übernahm nach dem frühen Tod von Pfarrer Csaba Kiss, der die Tradition der wöchentlichen deutschen Messen weiter pflegte, ein Pázmány-Absolvent (Fächer: Deutsch und Polnisch) die Leitung der Pfarre: János Szemere. Nach eigenem Bekunden habe er sogar angeboten, auf Deutsch zu predigen, was aber als nicht notwendig abgelehnt worden sei. Ein Gesprächspartner berichtet sogar, dass der Pfarrer auf Deutsch gepredigt, aber nach kurzer Zeit auf Wunsch auf Ungarisch umgestellt habe – mehrere Gesprächspartner haben bestätigt, dass dies nur der Wille weniger gewesen sein soll.
Und nun nach vier Jahren sei die Zeit gekommen, um eine Entscheidung zu treffen, so Pfarrer Szemere gegenüber Radio Schaumar (Rádió Solymár) am ersten Maisonntag, das von einem „Wendepunkt” sprach. Szemere begründete die Entscheidung mit mehreren Faktoren: Zum einen habe die Zahl der Gemeindemitglieder stets abgenommen: Manchmal säßen in den kalten Wintermonaten weniger als 30 Gläubige in der schmucken Barockkirche (ein Geimenderatsmitglied habe die Zahl der Interessenten dem Pfarrer gegenüber mit 67 angegeben). Auf der anderen Seite hätten sich immer mehr Menschen den Wunsch geäußert an einer Sonntagsfrühmesse in ungarischer Messe teilzunehmen (in Schaumar gibt es neben der Vorabendmesse am Samstag noch zwei ungarische Sonntagsmessen um 10:30 und um 18:00). Deren Zahl überwoge mittlerweile, was am „Ende eines Prozesses” diese Entscheidung rechtfertige, so der Gottesmann. Diese Entwicklung habe Szemere dem noch amtierenden Pfarrgemeinderat (der sich zum Sachverhalt im Moment nicht äußern will) bereits mehrfach signalisiert – deren Mitglieder samt Familienangehörige nähmen ohnehin kaum an der deutschsprachigen Messe teil. Ein weiterer Faktor sei die Trennung von „Kultur” und „Religion” gewesen, die er von Anfang beobachte – auch zum Selbstverwaltungsorgan der deutschen Minderheit, der Deutschen Nationalitätenselbstverwaltung (DNSVW) Schaumar, bestünden lediglich „ad hoc”-Kontakte. Diese waren nach der Verkündung der Entscheidung aber alles andere als ad hoc gewesen. Bereits zwei Tage nach der Nachricht setzten sich Vertreter der deutschen Nationalität (darunter auch Abgeordnete der DNSVW) mit Pfarrer Szemere zusammen – das Ergebnis wurde wenige Tage später verkündet: Es soll eine deutsche Messe geben, aber von einem anderen Priester gelesen, Pfarrer Szemere stehe nicht mehr zur Verfügung. Anfangs zeichnete sich eine schnelle Lösungsfindung ab, aber diese zerschlug sich rasch – es ist nicht einfach für Ersatz zu sorgen: Dies liegt nicht nur an der Sprache, sondern auch an der immer geringeren Zahl von aktiven Priestern im Bistum Weißenburg. Diejenigen, die aktiv im Dienst sind, müssten ohnehin mehrere Pfarrgemeinden parallel betreuen. Zurück nach Schaumar: Man befinde sich noch auf der Suche, so die am Prozess Beteiligten einhellig.
Die Verkündigung des Pfarrers löste Unmut im Kreise der deutschen Gemeinschaft im Ofner Bergland und dem Pilischtal aus. Ein seit Jahrzehnten aktiver Ungarndeutscher aus der Region gibt zu bedenken, dass die deutsche Messe – nicht zuletzt über das Kirchenliedgut – Teil des kulturellen Erbes und der deutschen Identität sei und deshalb die bloße Zahl der Gottesdiensbesucher über deren Weiterbestand alleine nicht entscheiden dürfe. Gemeindemitglied und Caritas-Aktive Rita Ostheimer-Szalay verfasste einen offenen Brief an den Pfarrer und brachte ihre Hoffnung auf ein Einsehen zum Ausdruck. Darin schreibt sie, dass man besorgt sei, nicht zuletzt, weil die deutschsprachigen Messen für diejenigen Gemeindemitglieder, die ihren Glauben und ihre Kultur auch über die Muttersprache pflegten, nicht nur eine religiöse Zeremonie, sondern ein wichtiges Element der Identität und des Zusammenhalts als Gemeinschaft sei. Sie bringt im Brief ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass im Zeichen der Vielfalt, dem Respekt den Traditionen gegenüber und der Bedürfnisse der Gläubigen eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Aber auch andere Facebook-Nutzer äußerten ihr Bedauern, gar Verärgerung, und dies ziemlich unverhohlen, darunter viele mit madjarischem Hintergrund. Aber auch auf der anderen Seite (der des Pfarrers) scheinen viele Emotionen im Spiel zu sein, so der Eindruck vieler Beobachter.
Als abschreckendes Beispiel nennt der Werischwarer Kulturschaffende Szabolcs Zsámboki den Fall und appelliert an die Gemeinschaft, die Jugend zu ermuntern, die deutsche Messe regelmäßig zu besuchen. Denn auch in der benachbarten Kreisstadt leerten sich die Bänke (übrigens ein gesamteuropäisches Phänomen, Red.), was die Bewahrung der Tradition der deutschen Messen und der religiösen Identität gefährde.
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