Tief verwurzelt

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SB-Gespräch mit der Valeria-Koch-Preisträgerin Heidi Gerner

Heidi Gerner aus Nadasch/Mecseknádasd wurde im Rahmen der Landesgala der LdU mit dem diesjährigen Valeria-Koch-Preis ausgezeichnet. Im Folgenden können Sie ein Interview lesen, das Martin Szanyi mit ihr geführt hat.

SB: Würdest du dich ein bisschen vorstellen?

HG: Also ich heiße Heidi Gerner und wohne in Nadasch. Ich bin jetzt 19 Jahre alt und habe gerade meine Abiturprüfung abgelegt. Ich lebe seit meiner Geburt in Nadasch. Ich wurde in einer schwäbischen Familie großgezogen. Vor allem meine Mutter hat mit uns schon als Kleinkinder Deutsch gesprochen. So sind wir zweisprachig aufgewachsen und das hat mir wichtige Grundlagen für mein späteres Leben gegeben.

SB: Zum einen herzlichen Glückwunsch zum Koch Valeria Preis. Das ist eine schöne Anerkennung deiner Tätigkeit.

HG: Danke schön. Vielen Dank!

SB: Also, du tanzt, machst Musik und wie du gerade gesagt hast, du sprichst sogar Mundart. Du hast an Mundartwettbewerben teilgenommen und du trittst bei ungarndeutschen Veranstaltungen auf. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

HG: Also für mich ist das eine sehr große Ehre. Ich konnte es kaum glauben, als ich mich angemeldet habe. Ich dachte, ich versuche es. Ich habe ja nichts zu verlieren. Aber für mich war es natürlich wichtig, weil es eine große Anerkennung ist, so einen Preis zu bekommen. Aber für mich war es sehr wichtig für die Jugendlichen, die so sind wie ich, das so zu zeigen. Wenn sie sich bei solchen Sachen hinstellen und zeigen, dass es für sie auch wichtig ist und zum Beispiel auch tanzen oder Musik machen oder was auch immer, dann können sie für ihre Leistungen belohnt werden. Ich glaube, das Gefühl, wenn du auf einer Bühne stehst, und da sitzen tausende von Menschen und dann sagen sie auf einmal deinen Namen und du kannst auf die große Bühne gehen und alle verehren dich. Das ist schon etwas, was eigentlich unbeschreiblich ist. Also für mich war das ein sehr, sehr schönes Gefühl und ich wollte damit auch zeigen, dass man nicht nur mit guten Leistungen was erreichen kann, sondern wenn man sich immer wieder für etwas einsetzt, dann ist es nach einer Weile so, dass sie deinen Namen schon kennen. Und wenn sie wissen, ja, die habe ich schon bei einem anderen Wettbewerb getroffen, ja, die war letztes Mal hier, dann dort, dann sehen auch andere Leute, dass es nicht unbedingt das Wichtigste ist, dass du immer den ersten Platz machst. Das ist natürlich auch was und das ist auch wichtig, aber ich glaube, wenn sie sehen, dass du dich immer wieder für diese Dinge engagierst, dann ist das viel wichtiger, als dass du in allem die Beste bist.

SB: Also im Allgemeinen war das eine Rückmeldung für dich, was du geleistet hast, und das sollte belohnt werden.

HG: Ja, das war auch sehr wichtig für mich.

SB: Und was für ein Instrument spielst du?

HG: Also ich spiele Klarinette und seit einigen Jahren habe ich auch mit Saxophon angefangen. Ich habe in der Grundschule mit Klarinette angefangen, das habe ich jetzt 10 Jahre lang gelernt. Ich hatte immer Musikunterricht und dann habe ich vor 3-4 Jahren angefangen Saxophon zu spielen und da habe ich auch ein paar Jahre Unterricht gehabt, aber jetzt habe ich das schon abgebrochen.

SB: Warst du dann Mitglied einer Blaskapelle oder hast du alleine gespielt?

HG: Also in der Schule hatten wir immer Musikunterricht und den habe ich dann regelmäßig besucht, bis ich in die 10. Klasse gekommen bin. Dann habe ich damit aufgehört wegen Abitur und Schule. Ich konnte das nicht mehr so zusammenbringen, dass ich dann immer nach Hause gekommen bin und dann wieder nach Fünfkirchen gefahren bin. Wir haben auch eine Familienband mit der Familie und dann habe ich nur Proben und dann spiele ich, wenn wir zusammen spielen.

SB: Du tanzt auch. Magst du lieber tanzen oder musizieren?

HG: Also ich tanze eigentlich sehr gerne. Ich habe ein paar Freundinnen und dann, wenn wir uns zum Beispiel abends hier treffen, dann läuft auch schwäbische Musik und dann können wir auch hier im Garten nur so herumtanzen. Also für uns ist es egal, wo. Ich mag Tanzen richtig gern, aber natürlich auch Musizieren. Ich habe ja mit Musik angefangen und das liegt mir schon nah an meinem Herzen. Aber eigentlich, wenn es um die Party geht, dann tanze ich lieber.

SB: Also ist das bei euch so eine Sache, dass man spontan schwäbische Tänze tanzt?

HG: Ja, ich habe ein paar Freundinnen, die das genauso gerne machen wie ich. Wir verabreden uns und dann kommen sie zum Beispiel zu uns. Meine Brüder spielen auch verschiedene Instrumente und dann kommen sie vielleicht auch mit einem Akkordeon oder mit einer Trompete. Und dann spielen sie was und wir tanzen einfach hier, also nichts Besonderes. So, wenn wir Lust haben und alle zusammen sind, dann passiert das manchmal.

SB: Ich glaube, das ist schon etwas Besonderes, weil es einzigartig ist. Das ist schon selten.

HG: Ja, ich weiß. Aber für mich ist das jetzt nichts Besonderes. Für mich war das immer sowas Alltägliches und ich bin damit aufgewachsen, für mich ist das schon was Gewohntes.

SB: Ja, was ich noch fragen wollte, wie läuft so ein Mundartwettbewerb ab?

HG: Zuerst werden die Schüler auf die verschiedenen Komitate aufgeteilt und dann gibt es eine erste Runde. Die besten fünf werden dann von jedem Komitat nach Budapest geschickt. Und leider – weil es nicht mehr so viele Schüler sind – von der neunten bis zur zwölften Klasse werden die Schüler zusammen bewertet. Eigentlich ist es so aufgeteilt, die erste-zweite Klasse, die dritte-vierte Klasse …, aber leider je älter die Schüler werden, desto weniger sind es und dann sind die älteren Jahrgänge schon zusammen. Und der Wettbewerb ist dann so, dass jeder eine Nummer ziehen muss, dass man keine Namen sieht. So kann die Jury unbeeinflusst entscheiden. Dann geht es so weiter, dass wir dann nach Nummern aufgerufen werden und dann werden auch die Aussprache, die Vortragsweise – wie schnell man spricht – bewertet. Das dauert insgesamt eine Stunde, bis alle vorgetragen haben und dann haben wir eine Pause. Danach bewertet die Jury, aber wir werden noch nicht aufgerufen, wir erfahren erst die Ergebnisse. Bei der großen Preisverleihung werden die ersten drei rausgerufen und bekommen eine Belohnung oder ein Geschenk. Und dann dürfen in jeder Kategorie die Erstplatzierten ihre Geschichten noch einmal für alle vortragen.

SB: Du hast erzählt, dass deine Mundartkenntnisse aus der Familie kommen.

HG: Ja, von meinen Urgroßeltern, also vor allem natürlich von meiner Mutter, aber meine Urgroßeltern haben es meiner Mutter beigebracht. Und wenn wir sie besucht haben, haben sie mit uns vor allem auch schwäbisch gesprochen, also sie konnten auch nicht richtig ungarisch. Sie haben mit uns sehr viel in der Mundart gesprochen und so wurde das auch dann uns beigebracht.

SB: Und benutzt du sie im Alltag?

HG: Nicht so oft leider, aber ich habe zwei Freundinnen, die ich vor ein paar Jahren kennen gelernt habe und mit denen spreche ich nur Dialekt. Also wenn sie mich anrufen, wenn wir uns treffen, wir schreiben in der Mundart sogar! Also sonst kann ich das leider nicht so oft anwenden, weil es einfach wenige sind, die den Dialekt verstehen. Aber wenn ich die Möglichkeit habe, dann spreche ich natürlich den Dialekt.

SB: Und wie ist das in Nadasch? Wird hier deutsch oder ungarisch gesprochen?

HG: Die ältere Generation vielleicht, die spricht noch den Dialekt. Also das ist so wie in diesen Geschichten, dass die älteren Frauen da draußen sitzen und dann sprechen sie den Dialekt, das ist eigentlich in Nadasch eine sehr übliche Sache. Die jüngere Generation eher nicht mehr oder immer weniger! Und wenn, dann Hochdeutsch, aber eigentlich nicht Dialekt!

SB: Wie ist dein Verhältnis zur ungarndeutschen Identität? War sie schon immer Teil deines Lebens?

HG: Eigentlich ja! Und für mich ist das ein bisschen komisch, weil alle sagen, dass das eine große Sache ist, aber ich kann das nicht so gut einschätzen, wenn ich das so sagen darf. Für mich ist das selbstverständlich, also ich bin so aufgewachsen, meine Familie, meine Freunde sind im gleichen Kreis, also wir haben schon diese Gemeinsamkeit. Als ich klein war, konnte ich das noch nicht so schätzen, was das eigentlich bedeutet. Ich kann mich noch gut erinnern, wo meine Mutter mit mir deutsch gesprochen hat und ich habe absichtlich auf Ungarisch geantwortet, dass sie das jetzt lassen soll. Und später habe ich gemerkt, dass es so viele Möglichkeiten für mich gibt, dass ich das auch weitergeben und weitermachen kann.

SB: Was denkst du über die ungarndeutsche Jugend? Es ist sehr selten, dass man solche Jugendliche findet, die es cool finden, dass man diese deutsche Identität, diese Sprache behält.

HG: Ich denke, das ist auch sehr unterschiedlich. Ich kenne auch Jugendliche, die ich jedes Jahr beim Rezitatorenwettbewerb getroffen habe. Eigentlich habe ich sie nie getroffen, aber wir haben uns immer im Mai beim Landesfinale getroffen, weil sie das genauso begeistert gemacht haben wie ich, sie waren jedes Jahr dabei. Ich glaube, und das ist vielleicht ein bisschen schade, dass man immer die gleichen Leute trifft. Also es sind wenige, die neu sind. Die begeistert sind, die machen es mit Leib und Seele. Ich glaube, dass man die heutigen Jugendlichen am besten zum Beispiel mit einer Party überzeugen kann, mit einem Schwabenball zum Beispiel. Und zwar nicht, weil das dann so eine große Sache ist, sondern weil es für alle eine gute Erinnerung ist, irgendwo mit Freunden zu sein und zu tanzen, zu singen, egal ob man singen kann oder nicht. Das ist eigentlich egal in der Situation. Ich habe zum Beispiel auch von verschiedenen Freundinnen tanzen gelernt. Und dann natürlich mit der Familienband konnte man immer wieder neue Leute kennen lernen und was Neues lernen. Ich habe mit meiner Familie schon viele Orte besucht, wo wir aufgetreten sind. Ich habe gesehen, dass es in jedem Ort Leute gibt, die sich dafür engagieren und denen das wichtig ist. Ich glaube, man muss sich etwas einfallen lassen, um die Jugendlichen besser überzeugen zu können. Aber ich weiß leider nicht, was das sein könnte, denn wenn man eine Party organisiert und das zieht die Jugendlichen nicht mehr an, dann weiß ich es auch nicht.

SB: Vielen Dank für das Gespräch und deine Zeit!

HG: Gerne, ich habe zu danken!

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