Im Trubel der Geschichte (Teil 4)

Im Trubel der Geschichte (Teil 4)

Erinnerungen eines Heimatvertriebenen aus Wudersch

Diese Zeilen geben Einblick in das Leben eines Mannes, der die Wechselfälle des 20. Jahrhunderts miterlebt hat. Es ist interessant zu beobachten, wie sich Kindheitserinnerungen mit rückblickenden Momenten des Erwachsenwerdens vermischen.  Geschichte nicht aus der Vogelperspektive, sondern Momente der Selbstfindung oder eben auf dem Fußballplatz! Diese Ausschnitte aus seinem Leben sind wie ein Fenster in eine Vergangenheit.

Es geht um Auszüge aus den Erinnerungen des aus Wudersch/Budaörs stammenden Industriekaufmanns Norbert Riedl, der in Neuhausen auf den Fildern heimisch wurde. Der Name Riedl dürfte vielen von uns wohlklingen, hatte sich der Heimatforscher Dr. Franz Riedl, der Vater von Norbert, doch um die Heimatforschung und die Pflege der Kontakte – also um die Heimatverbliebenen insgesamt – ebenso verdient gemacht.

 Teil 4

1976

Mit zehn Monaten, also im Februar 1976, kann unser Robert schon viele Worte deutlich aussprechen. Mit seinem Alexander gelingen ihm amüsante Spielchen. Ander Fasnet geht Alexander als Cowboy, als „Teufele” und sogar als Hexe. Er unternimmt auch spritzige Fahrrad-Ausflüge mit Kunststücken gekonnt im Hof in der Lindenstraße vor den Garagentoren.

Am Samstag, den 1. Mai 1976, hat unser Robert-Büble Geburtstag. Er ist ein Jahr jung. Die Familien Fingerlin und Riedl streicheln und küssen unser Söhnlein.  Als Höhepunkt schmettern wir einen fröhlichen Gesang beim Waldspaziergang zum „Lindenhof”. Dort darf Robertle Kinderkarussell fahren und Schoppele-Trinken auf Holzstämmen mit seiner lieben, schönen Mama.

„Dr Schwob‘ wird erst mit 40 gscheit!”

Am Samstag, dem 29. Mai 1976, feierte ein lustiges Völklein – nämlich die Schulkameradinnen und die Schulkameraden von Sieghilde – ihren 40. Geburtstag im Gasthaus zum „Ochsen” in Neuhausen. Die „Haus-Musikkapelle” spielte zünftig-schmissig zum Tanze auf. Erzählen, lachen, singen und tanzen – das können die Neuhausener besonders gut. Es herrschte lustige Stimmung pur. Noch lange zehrte die Schulgemeinschaft und Kameradschaft von den unvergesslichen Stunden im Ochsensaal.

Am Freitag, dem 18. Juni 1976, läuft Robert erstmals alleine. Barbara, Bettina und Roland vom Bodensee sind da. Alle freuen sich über Roberts „Alleingang”.

Bei der KURBAU AG ging es zügig weiter. Da ich eine gründliche Teneriffa-Erfahrung bei der Firma CONTIGRUND gesammelt hatte, übertrug man mir die Vermarktung der KURBAU-Objekte auf Teneriffa. Besonders begehrt waren die Appartements „MOLINO BLANCO” und „ACAPULCO” in Puerto de la Cruz und Bungalows in der Urbanisation „JARDIN DEL SOL” in TACORONTE. Für die Akquisition dieser Objekte schaltete ich eine spezielle Anzeige in der Zeitschrift „Der Beamte im Ruhestand”. Viele Besichtigungs- und Verkaufsflüge nach Teneriffa brachten satte Provisionseinnahmen. Bei den Besichtigungen fungierte ich als Reiseleiter, Busleiter und Verkaufsleiter.

Meine Interessentengruppe führte ich auch an den Teide. Dort oben im „PARADOR” (ein staatlich geführtes Hotel und Restaurant) traf ich am Samstag, den 26. Juni 1976, auch Hannes Löhr, Fußballspieler des FC Köln und deutscher Nationalspieler. Bei der Fußballweltmeisterschaft in MEXICO vom Sonntag, den 31. Mai, bis zum Sonntag, den 21. Juni 1976, war Hannes aktiv dabei. Deutschland erreichte den 3. Platz.

Unsere Urlaubsziele haben wir immer abwechslungsreich ausgewählt. Am Mittwoch, den 27. Juli 1976, flogen wir nach MENORCA. Während des Fluges unterzog Robert das Rollo am runden Flugzeugfenster durch Auf- und Abschieben einem Dauertest.

Nach Ankunft in unserem Hotel „SURMENORCA” konnte Robert nicht schnell genug ins Wasser kommen. Er wollte sofort „bada“. Er war erst 15 Monate jung. Alexander hat sich im Swimmingpool selbst den Kopfsprung beigebracht und schlotzte gern Superespia-Eis und Robert Dracula-Eis.

In diesem Jahr kam auch Frau Mildred Schreiner von Nashville­Tennessee zu uns nach Neuhausen. Frau Schreiner hat uns im Jahre 1946 CARE-Pakete geschickt und uns bei der Lebensmittelversorgung sehr geholfen. Wir haben sie herzlich aufgenommen und ihr dieSehenswürdigkeiten in unserer Umgebung gezeigt. Sieghilde schreibt über Alexander in ihrem Album: „Dein Papa hat dich immer wieder geküsst und umschlungen. Anscheinend war es dir ein wenig zu viel.“ Vorsichtig hast du dann gesagt: “a bisselenedda“. In diesem Jahr feierten wir auch den 75. Geburtstag von Fingerlin­Großvater, unserem Opa.

Lieber Robert, du bist an Weihnachten schon fast 20 Monate jung. Wir alle haben eine große Freude an dir. Die Meintsertante aus Holland hat öfters zur Sieghilde gesagt: „Pass’auf das Bubele auf, sonst stehlen sie es dir!” Für alles, was gegenwärtig in deiner Umgebung passiert, findest du deine Worte. Wir müssen staunen, wie schön du schon sprechen kannst. „Wo ist mein Auto”? „Ich bin schon da”. „Apfelsaft mit Sprudel”. „Robert macht Krach”.

An Weihnachten packten die Buben jubelnd ihre Geschenke aus: Flugzeug, Schaufelbagger, Spiele usw. Mit Interesse verfolgten die Bäsia Barbara und Bettina und Vetterle Roland vom Bodensee die Bescherung. 1976 war ein glückliches und frohes Jahr Voller Ereignisse und Freude.

1977

Das Jahr fangt ja gut an; schon am 3. Januar.

Herr Jakob Schneider, Verwaltungsdirektor, bedankt sich für meinen Rat, in Schönwald im schönen Schwarzwald ein Appartement in schöner Lage zu kaufen. Allerdings gestalteten sich die Verkaufsverhandlungen zäh, denn Herr Schneider hat in Schönwald das Appartement dreimal besichtigt, dreimal dem Kauf zugestimmt und dreimal wieder abgesagt. Schließlich hat er den Kaufvertrag doch noch unterschrieben und bei einem Kaufpreis von DM 35.000 ein gutes Geschäft gemacht.

Im Februar besuchte ich meinen Chef in seiner neuen Wohnung in Oberstdorf. Sohnemann Alexander durfte auch mit. Herr Ratzel wechselte oft sein Domizil. Woman „in“ war, da musste er auch hin. Sogar bei unserem Privatbesuch konnte es das Verkaufsgenie nicht lassen. Er sagte gleich zu mir: „Mit Ihren Verkaufserfolgen bin ich ja sehr zufrieden, aber Sie selbst haben bei der KURBAU noch nichts gekauft“. Die Unterredung endete, wie sie enden musste: Ich kaufte bei Herrn Ratzel aus dem KURBAU-TENERIFFA-ANGEBOT zwei Studios „COLUMBUS“ in Puerte de la Cruz für nur je DM 6.000 und einen Reihenbungalow in der Urbanisation JARDIN DEL SOL in Tacoronte auf Teneriffa für nur DM 28.000. Erst später hat sich herausgestellt, dass ich die Objekte für den doppelten Preis verkaufen konnte.

Am Freitag, den 1. Juli 1977, flog ich mit einer Interessentin mit der Lufthansa nach Teneriffa. Alexander war dabei. Die Aussicht auf den Felsen von Gibraltar war imposant. Von Freitag auf Samstag übernachteten wir im Grandhotel MENSEY in Santa Cruz und von Samstag auf Sonntag im Hotel San Antonio in Puerto de la Cruz; Abendessen im Restaurant Papagayos bei Herrn Radile. Beim Heimflug erfolgte eine Zwischenlandung in Zürich. Dort trafen wir die Schauspielerin Senta Berger mit ihrem kleinen Sohn auf dem Arm. Die Wartezeit verstrich für Alexander wie im Flug mit „Fix und Foxi” lesen. Uns gefiel es im Hotel San Antonio so gut, dass wir gleich unseren Jahresurlaub dort buchten. Am Abflugstag, Freitag, den 15. Juli, war ich noch fleißig. Ich fuhr nach Gaggenau und verkaufte an Herrn Lämmerhirt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, eine schöne und große Ferienwohnung in Überlingen am Bodensee. Da staunten mein Chef Herr Ratzel und die ganze KURBAU einschließlich der beiden Vorstande Dr. Schmidt und Dr. Glässing über mein Engagement.

Im palmenumsäumten Hotel San Antonio mit Flamingo-Teich wohnten wir im Bungalow Nr. 10. Da gab es ein kleines und ein großes Schlafzimmer. Sieghilde und die beiden Buben belegten gleich das große. Mich verfrachtete man ins kleine. Im Rahmen der „Ausbürgerung“ erfand Alexander für mich den Urlaubsnamen „Lord Snowdon” in Anspielung auf den Gatten von Prinzessin Margret von England und dessen „Ausbootung“ zu jener Zeit.

Unser Urlaubsdomizil in Halbhöhenlage bot uns alles, was man nur von einem idealen Urlaub erwarten konnte. Das Frühstück brachte· man uns aufs Zimmer. Ringsum lauter Natur! Im angenehm temperierten Swimmingpool plantschten unsere Wasserratten. Das Mittag- und Abendessen schmeckte uns gourmetverdächtig. Ein Riesenhund durchstreifte unsere Liegestuhlreihen routiniert wie ein „Guten Tag-Sage-Onkel” einer Maîtfre de plaîsir-companie. Und dann passierte etwas Lustiges: Unser kleiner Robert gefiel dem Hotelhund so gut, dass er ihm vor lauter Liebe mit seiner großen Schnauze sein Höschen auszog. Alle amüsierten sich.

Die Sommer- und Herbsttage erfreuten uns in Feld, Wiese und Wald. An Weihnachten gab’s viele Geschenke und da ging ein Spielzeug kaputt. Dazu bemerkte knitzer Klein-Robert: „Der Papa setzt seine Brille auf und dann macht er’s wieder.“ Die Bestätigung seiner wichtigen Aussage erfolgte durch mehrmaliges Kopfnicken.

1978

Unser Sohn Alexander durfte am Sonntag, den 2. April 1978, seine Hl. Kommunion im Filderdom St. Petrus und Paulus zu Neuhausen/F. von unserem Pfarrer ADAM empfangen. Alle mit Rang und Namen waren dabei: die Familien-Kongregationen Riedl-Neuhausen, Riedl-Bodensee sowie Fingerlin-Neuhausen und Stromeyer-Kirchheim. Im Römerkastell zu Köngen gestalteten wir ein feierlich-fröhliches Fest. Die Germanen und die Römer ließen grüßen.

Der traditionelle Kommunionsausflug mit Herrn Pfarrer ADAM führte uns zur „Altweibermühle“ nach Tripsdrill. Die Damen kamen alle zehn Jahre verjüngt zurück.

Ende Teil 4

Im Trubel der Geschichte (Teil 4)

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