Frei und selbstbestimmt wirtschaften

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Deutsches Ehepaar wagt vor 25 Jahren einen Neuanfang in der Südbranau

„Es war 1997, ich war gerade mit meinem Jura-Studium fertig, die Suche nach einem juristischen Job gestaltete sich damals als schwierig, ich war daher auf der Suche nach einer neuen Perspektive. Ich arbeitete dann in einem Weinhandel, der eine Bibliothek hatte, wo ein Weinführer stand. Beim Durchblättern fiel mir ein Satz auf: Der beste Portugieser wachse in Willand”, erinnert sich Susann Hanauer an die Anfänge des „Projekts Ungarn”. 

Im November 1997 besuchte Susann Hanauer mit ihrem Mann Ralf Waßmann das erste Mal Südungarn und traf nach eigenem Bekunden auf offene Leute, die alle deutschsprachig gewesen seien. Auf den Besuch folgte der Erwerb eines Hauses in Dewetsch/Pécsdevecser, in dem das Ehepaar bis heute wohnt. Zum Besitz gehörte noch ein Keller in Willand, der später verkauft worden sei. Der Umzug erfolgte im März 1998, worauf eine Totalsanierung folgte („das Haus war eine Ruine”), vieles sei in Eigenleistung erbracht worden.

In Dewetsch lebten damals nach Erinnerungen von Hanauer 130 Einwohner, bis auf fünf-sechs Familien alle Donauschwaben über 50 und deutschsprachig. Ende der 90er habe man noch den Alten beim Dorftratsch auf Hessisch zuhören können, auch habe es noch regelmäßig Gottesdienste gegeben, als wichtiges regelmäßiges Ereignis im Leben der Dorfbewohner. Nach der Schließung des Dorfladens werde die Bevölkerung heute durch Lieferdienste versorgt. Heute gebe es nur noch zwei Donauschwäbinnen im Ort, viele seien aus Fünfkirchen beispielsweise zugezogen, aber auch aus dem Ausland: So wohnen in Dewetsch vier deutsche Paare, aber auch ein Franzose, was neue Kontaktmöglichkeiten eröffnet und „spannende Erfahrungen ermöglicht” habe. Dabei zeigen sich die Hanauer-Waßmanns als weltoffene Menschen, bereits meine Kontaktaufnahme gestaltete sich unkompliziert.

Auch beim Ehemann Ralf Waßmann habe der Wunsch nach beruflicher Veränderung den Ausschlag gegeben, nach Ungarn umzuziehen: „Ralf, von Geburt Niedersachse aus der Harzregion, hat Getränketechnologie studiert. Motivierend wirkte auf ihn die Sendung „Hobbythek” von Jean Pütz, die bei ihm früh den Wunsch geweckt hat, Obstwein herzustellen – womit er bereits als Teenager angefangen hat. Nach einem Jahrespraktikum auf einem Rheingauer Weingut und dem Studium fing er bei Wild in Heidelberg an, wo man als Weltmarktführer Grundstoffe für alkoholfreie Getränke herstellt. Mein Mann hatte große Pläne und tolle Innovationen, aber nach einem Sparkurs und innerbetrieblichen Problemen entschied er sich für einen Neubeginn als Winzer.” 

Den Grundstein für das Weingut Waßmann bildete nach Angaben Hanauers ein 1000 qm großer Weingarten – das Gut wuchs zwischenzeitlich auf zwei Hektar an. Gegenwärtig bewirtschafte das Paar 1,5 Hektar und baue Blaufränkisch und Cabernet Franc an – mit gelegentlichem Zukauf von Biotrauben. „Wir waren die ersten in der Weinregion, die auf chemischen Pflanzenschutz und Kunstdünger verzichtet haben. Wir arbeiten nur mit natürlichen Stoffen und stellen biodynamische Weine nach der Demeter-Methode á la Rudolf Steiner und Naturweine her. Mittlerweile gibt es einige Biowinzer in der Willander Weinregion”, berichtet Susann Hanauer. „Beim Spritzen verwenden wir Kupfer und Schwefel sowie Kaliumbikarbonat und Teeauszüge”, ergänzt Ehemann Ralf Waßmann, der sich nach Arbeiten am Dach dazugesellt.

Das Weingut komme auf eine Jahresproduktion von 6000-8000 Flaschen und es werde auch nach Übersee exportiert. Corona habe zu einer Krise geführt – gerade im Qualitätssegment – durch die Zwangsschließung von Restaurants. „Früher haben wir viel in Ungarn verkauft, etwa 50 % der Weine – heute maximal 10 %. Der meiste Wein geht nach Amerika, aber auch die Partner in vielen europäischen Ländern und der deutsche Online-Shop sorgten für Umsatz. Ab Hof kostet eine Flasche im Durchschnitt 6500 Forint (16 Euro), im Online-Shop 25 Euro (10.100 Forint). Die Preise konnten wir seit 10 Jahren nicht erhöhen, der Preiskampf ist enorm”, so Waßmann. Dies habe dazu geführt, dass viele Winzer aufgeben mussten, so das Paar.

Auf der anderen Seite hätten sich die Kosten unter anderem durch die Energieverknappung massiv erhöht. Selbst Rosé werde weniger verkauft, der neue Trend sei alkoholfrei. Auch der Klimawandel setze dem Weinbau zu: durch enorm lange Trockenperioden und wolkenbruchartigen Regen, wo viel Wasser unnütz abfließe. Neue Schädlinge stellen die Winzer auch vor Herausforderungen. „Als wir 1998 hier ankamen, herrschte ein kontinentales Klima, -20 Grad im Winter waren keine Seltenheit. Das ist aber lange vorbei”, erzählt Susann Hanauer.

Was die Pläne für die Zukunft angeht? „Wir wollen nicht wachsen, sondern diese kleinbäuerliche Struktur bewahren. Deshalb haben wir keine Subventionen in Anspruch genommen. Wir wollen weiterhin frei leben”, sagen die beiden selbstbewusst.

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