Es ist knapp über 50 Jahre her, dass eine Folge von Sagen, Märchen und überlieferten Erzählungen aus der Branauer (Komitat Branau) Region vom Leben der Bergleute erschien. Die Märchen der Branauer Bergleute wurden von Dr. Karl Vargha und Dr. Béla Rónai gesammelt und im Band “Der schlaue Bergmannsknappe” im Jahr 1973 vom Demokratischen Verband der Deutschen in Ungarn, Budapest herausgegeben. Die Erzählungen basieren auf dem alltäglichen Leben der Bergleute, deren Kampf gegen die Habgier und Sorgen und Freuden im Leben. Die Sagen wurden von Generation zu Generation weitergegeben, weitererzählt, folglich sind die für die nachfolgenden Generationen erhalten geblieben.
Die Leser*innen erhalten hiermit die erste Sage über den Jungen, der eine Kohlengrube fand.
DER JUNGE, DER EINE KOHLENGRUBE FAND
Es war einmal, ich weiß aber nicht wann und wo, jenseits der sieben Länder und diesseits von Suchenicht ein kleines Dorf. In diesem Dorfe lebten vor sehr, sehr langer Zeit, vielleicht in der Zeit des dreizehnten Urgroßvaters meines Urgroßvaters, ein alter Mann und eine alte Frau. Ihre Kinder waren in der Welt verstreut, nur ihr jüngster Sohn war ihnen geblieben.
Einmal erzählte ihm die Mutter von einem Schatz in der Tiefe des Berges, gleich hinter dem Dorfe. Von nun an konnte er keine Ruhe mehr finden und dachte, dass an den Erzählungen der Alten wohl etwas Wahres sein müsse und sich in der Tiefe des Berges irgendein Schatz verberge.
Gerne hätte er ihn gefunden. Er nahm ein Seil auf seine Schulter und forschte tagtäglich zwischen den Felsen. So ging er auch eines Tages wieder von zu Hause weg. Wie er so umherstreifte und umherkroch, stieß er auf eine tiefe Aushöhlung. Er wunderte sich sehr, denn noch niemals hatte er diesen Ort so gesehen. Der Mund blieb ihm offen, als er wahrnahm, daß aus der Spalte ein heller Schein leuchtete. Vorsichtig rutschte er bis zum Rand des Abgrunds und sah hinab. ,,Donnerwetter!” Erschrocken wich er zurück. Aus dem Innern der Spalte glänzte es so hell, dass sich der Junge geblendet abwendete.
„Na, hier ist gewiß alles voller Gold’, dachte er bei sich. „Das schaue ich mir aber doch näher an.”
Er knüpfte das Seil an eine hervorstehende Baumwurzel und ließ sich an ihm vorsichtig hinunter. Unten sah er ein breites, festes Eisentor an der Seite der Spalte. Als er eintrat, befand er sich in einem großen, glänzenden Zimmer. Auf dem Marmorfußboden sprangen zwölf kleine Frösche umher. Wie er näher kommt, sieht er auf dem Kopfe eines Frosches eine goldene Krone.
Er wollte seinen eigenen Augen nicht trauen, er dachte, es kann nicht wahr sein, was er sehe. Er beugte sich also zu dem Frosch hinab und wie er ihn berührte, wunderte er sich erst recht, denn das Fröschlein mit der goldenen Krone verwandelte sich in eine wunderbare Fee.
“Was suchst du hier, mein Junge?” fragte die Fee. ,,Ich suche den Schatz des Berges!” antwortete der Junge. Darauf sagte die Fee:
,„Dann brauchst du gar nicht weiter zu suchen, denn in diesem Berg ist wirklich ein Schatz! Schwarze Diamanten! Diese gehören aber meiner Stiefmutter! Niemandem auf der ganzen Welt gibt sie sie! Auch mich verwandelte sie deshalb in einen Frosch, weil ich mein Erbteil von ihr forderte. Auch die anderen Frösche sind sämtlich verzauberte Feen!'”
“Wer ist deine Stiefmutter?” fragte der Junge.
„Niemand anders”, – antwortete die Fee, ,,als die Hexe der Schlucht! Weh dem, der den Schatz wünscht! Fliehe also, denn wenn sie dich hier findet, hat dein Leben ein Ende! Ich würde dich sehr bedauern! Komme aber morgen Mittag wieder hierher, ich werde auf dich warten! Umarme mich jetzt und eile”
Damit verwandelte sich die Fee wieder in einen Frosch, und der Junge ging sehr traurig davon. Zu Hause fragte man ihn vergeblich, warum er so traurig sei. Aber von da an ging er jeden Mittag zur Feier.
Einmal aber geschah ein großes Unglück.
Wer weiß, wie es geschah, doch eines Mittags sah die Hexe beide und in ihrem Zorn verwandelte sie den Jungen in einen Stein. Vergebens suchten ihn sein Vater und seine Mutter überall, sie fanden ihn nirgends, obwohl sie ihn in der ganzen Gegend wie eine Stecknadel suchten. Aus ihm wäre niemals wieder ein Mensch geworden, wenn nicht die Fee das Geheimnis der Verzauberung erfahren hätte. Einmal, die Alte war nicht zu Hause, erweckte sie den Jungen zum Leben und bat ihn eindringlich:
,,Geh, eile nach Hause! Lass dich nicht mehr in die Umgebung der Spalte blicken, weil dir dann noch größeres Unglück widerfahren könnte!”
Aber der Junge wollte davon nichts hören. Er sagte, er würde die Hexe bestimmt vernichten, wenn er nur so lange lebte. Die Fee entgegnete wiederum:
,„Deine Tapferkeit ist vergeblich, denn meiner Stiefmutter kann keine Waffe schaden. Es gibt nur eine Möglichkeit, sie zu überwinden, aber es fand sich noch keiner, der den Versuch gemacht hätte. In ihrem Schopf befindet sich ein goldenes Haar, darin ist ihre Kraft. Das müsstest du herausziehen, wenn du sie töten wolltest.”
Sie verabredeten, dass der Junge nachts wiederkommen sollte.
Und so geschah es. Als er ankam, schnarchte die Hexe laut. Sie war müde, denn sie hatte sich die ganze Nacht auf dem Blocksberg belustigt, auf ihrem Besen auf- und arbeitend. Bevor sie sich niedergelegt hatte, hatte Sie ihren Kopf zugebunden, weil sie immer um das goldene Haar fürchtete, und auch noch im Schlaf hielt sie das Kopftuch mit beiden
Händen fest. Aber als sie sich im Bett herumwälzte, rutschte das Tuch zur Seite, die Haarlocke, in der das goldene Haar war, kam hervor. Als der kleine Frosch mit der glänzenden Krone das wahrnahm, verwandelte er sich im gleichen Augenblick wieder in eine schöne Fee. Sie lockerte vorsichtig das Haar der Hexe, der Bursche fasste zu und riss mit einem einzigen Ruck das goldene Haar aus. In diesem Augenblick war es mit der bösen Alten aus!
Groß war die Freude, denn die vielen kleinen Frösche verwandelten sich alle in Dienerinnen der wunderbaren Fee. Dann führte der Junge die schöne Feenkönigin zu seinen Eltern und nahm sie zur Frau. Sie wurden reich, denn ihnen gehörte die Kohlengrube.
Zunächst folgt die Erzählung vom Gefangenen des Bergwerksteufels.
