Filmemacher Udo Pörschke über Wurzeln, sein Verhältnis zum Ungarndeutschtum und geplante Filmprojekte
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Von Richard Guth
„Der Grundgedanke hinter der Trilogie „Heimatlos”, „Lissi” und „Ein Franke lernt Polka” war folgende: Bislang waren die Themen „Kulturpflege und Vertreibung“ dominant, nun sollte ein Film entstehen, der sich mit dem Thema „Gegenwart und Zukunft der Ungarndeutschen“ beschäftigt. Dabei ging es eigentlich um Anfragen seitens von Ungarndeutschen, die sich jenseits üblicher Themen einen Blick von außen gewünscht haben. Die Dreharbeiten fingen 2017 an und dauerten zwei Jahre lang. Das Ergebnis aus dem Material von 300 Drehminuten ist nicht ein Film, sondern es sind gleich drei. Dafür haben wir zusammen mit den Helfern mehrere tausend Arbeitsstunden investiert”, erzählt Udo Pörschke im Wohnzimmer seines Hauses in der Nähe des oberfränkischen Bamberg.
Der Lehrer, Buchautor und Filmemacher lobt dabei die Bemühungen der Deutschen Nationalitätenselbstverwaltung Bonnhard – allen voran die Bemühungen von Ilona Köhler Koch und Susanne Lohn, die „organisatorisch unheimlich viel geleistet” hätten. Gerade dies wäre von Deutschland aus schwierig zu organisieren gewesen, von den Sprachbarrieren und fehlenden Kontakten ganz zu schweigen. Schwierig habe sich die Finanzierung gestaltet (auch aus Ungarn kam kaum finanzielle Unterstützung): Dank dem Einsatz von Leihmitarbeitern einer Filmhochschule, wo Pörschkes Partner Jorin Gundler arbeitete, und dem Münchner Haus des Deutschen Ostens, das bei der Finanzierung von „Lissi” einsprang, konnte das Projekt umgesetzt werden. Entscheidend („eine wirtschaftliche Rettung”) sei aber ein Auftrag vom Hessischen Rundfunks, dem Arbeitsplatz von Gundler, gewesen: Dieser Sender wünschte sich, so Pörschke, einen Beitrag anlässlich des 75. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges und erwarb dafür die Senderechte. So entstand der Beitrag „Heimatlos”, der in Ungarn öffentlich zwar nie gezeigt worden sei, den aber dennoch viele kennen würden: „Ich erhalte öfters – in erster Linie von älteren Mitbürgern in Nadasch/Mecseknádasd, wo wir mittlerweile ein Haus besitzen – für den Film ein großes Dankeschön mit dem Hinweis, dass „Heimatlos” die Leute mitnehme”, so der 55-Jährige. „Dies zeigt, dass die Vertreibung noch ein präsentes Thema ist”, ergänzt er im Gespräch.
Vertreibung ist im Übrigen Teil der Familiengeschichte von Udo Pörschke: Väterlicherseits stammt der gebürtige Bamberger aus einer ostpreußischen, mütterlicherseits aus einer schlesischen Familie. Gerade zum Großvater mütterlicherseits habe er eine enge Bindung gehabt und somit zur schlesischen Heimat in Schweidnitz, polnisch Świdnica. Dabei habe man in der Familie nie über die Erlebnisse im Zuge der Vertreibung gesprochen, so der Filmemacher – die Erlebnisgeneration habe auch nie wieder Heimatboden betreten. Nicht so wie Pörschke, der neben dem Haus der Familie in Schweidnitz auch das Kriegsgefangenenlager besuchte, wo sein Großvater vier Jahre seines Lebens verbrachte! Durch diese Momente der Erinnerung sei Pörschke, „zur Ruhe gekommen”, denn alleine durch das Hochdeutsche in der Familie habe man ihn spüren lassen, dass er „kein Bamberger” sei. Auch der Mutter sei die Problematik bewusst gewesen: „Wir haben dir große Flügel gegeben, aber keine Wurzeln”, pflegte sie zu sagen, so der Bamberger. Aber auch einen anderen Effekt hatte die Beschäftigung mit der alten Heimat der Familie: Pörschke fand das alte Tagebuch des Großvaters, das in der Zeit der Gefangenschaft entstanden war, drehte einen Film und verfasste einen Amazon-Bestseller dazu – mit dem Titel „Verborgene Zeilen aus der Kriegsgefangenschaft”. Damit tourte Pörschke auch in Ungarn, gewissermaßen in Vorbereitung auf das größere Filmprojekt.
Auch der Wert der Trilogie „Heimatlos”, „Lissi” und „Ein Franke lernt Polka” spiegelt das wieder: Man schätzt den Wert dieser Trilogie auf weit mehr als 100.000 Euro (38,5 Millionen Forint). „Lissi” (in der Titelfigur, eine Ungarndeutsche aus der Tolnau, „erkennen viele ihre Großmütter”) durchlief sogar die Lokalpresse in Bamberg, da dieser Film für das dortige Kurzfilmfestival nominiert worden war. Pörschke und Gundler waren sogar zu Gast in der „Frankenschau” in Nürnberg. Der letzte Film der Trilogie soll als „kritischer Spiegel” dienen, denn darin geht es um die deutsche Gemeinschaft in Ungarn. Dieser Spiegel scheint zu funktionieren: „Der Film gibt mir viel zum Nachdenken”, so zitiert Pörschke den deutschen Abgeordneten Emmerich Ritter. Dabei erhebe Pörschke nicht „den Anspruch ein Bild über die Ungarndeutschen abzugeben”, zumal der Schwerpunkt der Beobachtung auf Südtransdanubien liege. „Es sind meine Erfahrungen – eine Art Roadmovie – nicht allumfassend und somit spricht der Film nicht für alle Ungarndeutschen”, gibt er zu bedenken.
Im Film porträtiert er nach eigenem Bekunden eine Gemeinschaft im Umbruch: Für die Jüngeren sei der Dialekt nicht mehr präsent, was auch das Bewusstsein verändert habe. Den Wurzeln zwar bewusst seien nicht mehr die Bräuche wichtig, sondern das Bewusstsein der Abstammung, wobei die deutsche Sprache als eine Möglichkeit wahrgenommen werde, die Welt zu erkunden. „Ich würde sagen, dass sie nicht mehr Deutsche in Ungarn sind, sondern Ungarn mit deutschen Wurzeln”, so Pörschke. Beim Patschkernähen und in den Gesangsvereinen sieht Pörschke nur noch Alte, wohingegen Tanzen und Musizieren im Kreise der Jugend beliebt seien, identitätsstiftend wirkten und dabei generationenüberspannend seien. Deswegen der Franke (auch die Gemeinde Nadasch habe ja fränkische Wurzeln), der Polka lernt! „Die Trilogie spiegelt sechs Jahre meines Lebens wieder, meine Verbundenheit mit Ungarn. Ich hätte sie nicht gemacht, wenn das für mich nicht wichtig gewesen wäre. Das Ganze war geleitet vom Bedürfnis zu euch zu gehören”, sagt Pörschke sichtlich berührt.
Der Erfolg von „Lissi” verleitet den Filmemacher, diesen neu zu strukturieren – unter einem neuen Namen und verkürzt. Damit will er auf internationalen Filmfestivals mit englischen Untertiteln auftreten und hofft auf einen ähnlichen Erfolg wie in Ungarn. Darüber hinaus plant er einen Kurzfilm (5-7 Minuten) – mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz bearbeitet – über seine Antarktis-Erlebnisse. Denn auch das ist Udo Pörschke – gerade bei der Erkundung fremder Erdteile.