Von Ibolya Lengyel-Rauh
Frühling 1944 – Der Zweite Weltkrieg tobte in ganz Europa und er rückte immer näher an Pari (im Komitat Tolnau) heran. Viele Männer waren bereits ins Heer einberufen worden, aber nicht mein Uropa (Johannes Eckert). Im April 1944 war er gerade einmal 16 Jahre alt, und im Heer wurden Jungen erst ab 17 Jahren rekrutiert. Das war sein Glück. Doch nicht so glücklich war mein Ururopa (der Vater meiner Uroma, Andreas Páczelt). Zwar war er bisher von der Zwangsrekrutierung verschont geblieben, doch dieses Mal nicht. Mit 38 Jahren und als Holzdrechsler erfüllte er die Einberufungskriterien und musste gehen. Zurück blieben nur meine Uroma (Theresia Páczelt), ihre Mutter (Theresia Zei) und die „Großmutter” (Rosalia Steiner). Die Frauen bewältigten die Feldarbeit und kümmerten sich um den Weinberg, während sie um ihre Geliebten beteten.
Damals hatten Frauen die Möglichkeit, die Soldaten in den Kasernen oder an ihren Einsatzorten zu besuchen. Mein Ururopa (Andreas Páczelt) und seine Einheit hielten sich in der Nähe von Somogyszob auf, also fuhr seine Frau (Theresia Zei) mit dem Zug von Pari dorthin. Die SS-Soldaten führten dort Wehrübungen durch. Doch die sowjetische Front rückte immer näher, und das Heer musste weiter nach Westen ziehen, um die deutschen Posten zu verteidigen. Meine Ururgroßeltern nahmen mit schweren Herzens Abschied voneinander. Es war November 1944. Der Zugverkehr zwischen Somogyszob und Dombóvár wurde aufgrund der sowjetischen Kriegshandlungen in Transdanubien eingestellt, sodass meine Ururoma, Lissy Zei, in Somogyszob blieb. Eine nette kinderlose Familie nahm sie bei sich auf und versicherte ihr, dass sie bleiben durfte, bis der Zugverkehr wiederhergestellt war. Sie kümmerte sich täglich um die Kühe und half auf dem Hof aus. Von November 1944 bis April 1945 blieb sie dort. Ihre verbliebene Familie (ihre Tochter und ihre Mutter) war jeden Tag besorgt. Sie verschwand spurlos, und keine Nachrichten kamen von ihr. Sogar eine Trauermesse wurde für die Eltern meiner Uroma (Lissy Zei und Andreas Páczelt) abgehalten.
Währenddessen kamen die Russen nach Pari und verschleppten alle arbeitsfähigen Männer und Frauen zwischen 17 und 45 Jahren. Frauen mit Kindern unter 7 Jahren wurden nicht mitgenommen. Mein Uropa (Johannes Eckert) entkam dieser Zwangsverschleppung der Dorfbewohner – ein Glücksfall! Obwohl er 17 Jahre alt war, benötigte sein Vater ihn auf dem Bauernhof, und irgendwie gelang es ihm, mit den Soldaten zu verhandeln, sodass sein Sohn nicht in die Sowjetunion verschleppt wurde. Angeblich soll der Vater den Soldaten eine Schweineschlacht gehalten haben, um sein Sohn bei sich halten zu können.
Nicht nur mein Uropa – der damals noch nicht mit meiner Uroma (Theresia Páczelt) verheiratet war – wurde von der Zwangsarbeit verschont, sondern auch die Schwester meiner Ururoma. Sie hatte eine elfjährige Tochter, die angeblich bitterlich auf der Veranda ihres Elternhauses weinte, als ihre Mutter zur Zwangsarbeit abgeführt wurde. Ein sowjetischer Soldat soll dies bemerkt haben und nach Befragung des Grundes ihres Geschreis die Mutter freigelassen haben.
Aber zurück zu meiner engen Familiengeschichte. Meine Ururoma (Theresia Zei) war immer noch in Somogyszob, was ihr Glück war, da sie sonst auch zur Malenkij-Robot-Verschleppung gezwungen worden wäre. Doch sie wartete immer noch auf die Nachricht, wann sie endlich nach Hause zurückkehren dürfte. Ihr Mann (Andreas Páczelt) war an der Front, und es gab keine Nachrichten von ihm. Nach monatelangem Aufenthalt in Somogyszob verkündete das Familienoberhaupt im April 1945 meiner Ururoma, dass die Züge zwischen Somogyszob und Dombóvár wieder verkehren. Lissy Zei war überglücklich, endlich nach Hause zurückkehren zu können. Sie nahm den ersten Zug nach Dombóvár, aber dort stellte sie leider fest, dass der Zugverkehr zwischen Dombóvár und Lepsény immer noch nicht wieder aufgenommen worden war. Glücklicherweise war jedoch die Zugverbindung zwischen Dombóvár und Budapest wiederhergestellt worden, sodass sie nach Kurd fahren konnte, wo sie schließlich Verwandte hatte, bei denen sie übernachten konnte. Sie kam in Kurd an, suchte die Verwandten auf und verbrachte die Nacht dort. Am nächsten Morgen brach sie früh auf, um die 18 Kilometer lange Strecke zwischen Kurd und Pari über Jowantzi/Gyulaj zu Fuß zurückzulegen. Sie erreichte Pari über den Wald und betrat das Försterhaus im Parier Wald. Die Försterfamilie konnte ihren Augen nicht trauen. „Lissy, du lebst? Alle dachten, dass du gestorben bist.” Die Försterfrau lief schnell ins Dorf und verkündete überall, dass Lissy Zei lebt und zurückgekehrt war. Meine Uroma (Theresia Páczelt) und die Großmutter (Rosalia Steiner) waren auf dem Weinberg und schnitten Rebstöcke. Sie konnten die erfreuliche Nachricht kaum fassen. Aber so war es! Glück im Unglück.
Auch mein Uropa war glücklich im Unglück. Er wurde in der Nähe von Graz am Knie verletzt und war kampfunfähig. Er lag an der Straße und rief um Hilfe, doch die sich zurückziehenden Truppen bemerkten ihn nicht. Mit letzter Kraft kroch er auf die Straße und lag dort, bereit, von den abziehenden Truppen überfahren zu werden. Doch das geschah nicht! Ein Auto hielt an, und er wurde ins Krankenhaus nach Graz gebracht. Dort blieb er monatelang, bis er sich erholt hatte. Als er entlassen wurde, endete der Krieg, und er wurde in das Gefangenenlager in Gyulamajor bei Komorn/Komárno gebracht. Er war ein Holzdrechsler und hatte einen Gehstock, den er wahrscheinlich nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus erworben hatte, da an ihm die Stationen seiner Gefangenschaft abzulesen waren. Von Gyulamajor wurde er nach Alsópaty (heute Rábapaty) verlegt. Das war seine letzte Station als Soldat, bevor er nach Pari zurückkehrte. Am 14. September 1945 kam er abgemagert mit dem Zug an. Am nächsten Tag fiel er jedoch ins Bett und verlor das Bewusstsein. Er lebte zwar, aber war nicht ansprechbar. Er hatte eine Hirnhautentzündung (Fejtífusz). Jeden Tag kam der Arzt und verabschiedete sich mit den Worten: „Wenn er morgen noch lebt, komme ich wieder.” Und er lebte! Eines Tages wurde die Familie auf seine Stimme aufmerksam. Ein Freund sprach in der Familie über den Krieg, und mein Ururopa wurde aufmerksam und fügte hinzu, dass er diese Stadt kenne. Von nun an wurde er von Tag zu Tag gesünder und genas schnell.
Meine Uroma (Theresia Páczelt) wuchs heran und lernte Johannes Eckert, meinen Uropa, kennen, der vom Krieg und von der Verschleppung verschont geblieben war. Im Januar 1947 feierten sie ihre Hochzeit. Am 27. Mai 1947 kam meine Oma (Theresia Eckert) auf die Welt. Als meine Oma nur eine Woche alt war, kam der Befehl, Haus und Hof innerhalb weniger Stunden zu verlassen. Die Familie fand Unterschlupf im Nachbarhaus, und mein Ururopa (Andreas Páczelt) machte sich auf den Weg nach Tamási, um dort eine Unterkunft für seine fünfköpfige Familie (auf dem Bild) zu finden. Er war ein angesehener Mann im Dorf, und viele kannten ihn durch seinen Beruf als Holzdrechsler, der damals von großer Bedeutung war. Er fertigte Spinnräder, Zapfen für Weinfässer und vieles mehr an. Seine Arbeit war unverzichtbar für die Gemeinschaft, und das wussten alle. Gerüchten zufolge lautete der Befehl: „Andreas Páczelt soll sein Vermögen und sein Haus hinterlassen, aber er darf nicht nach Deutschland vertrieben werden.” Meine Familie zog nach Tamási, und mein Ururopa eröffnete dort seine Holzdrechslerwerkstatt. Zusammen mit seinem Schwiegersohn, Johannes Eckert, verdienten sie dort das tägliche Brot, in der Hoffnung, eines Tages das Familienhaus in Pari zurückkaufen zu können. Dies erlebte er leider nicht, da er 1950 unerwartet starb. Doch seine Familie kehrte 1960 nach Pari zurück. Meine Oma, die inzwischen herangewachsen war, lernte meinen Opa (Johannes Rauh) kennen, und sie heirateten bald darauf. Sie bekamen Kinder (meine Mutter und Tante). War das nicht Glück im Unglück? Wie meine Oma sagt: „Der liebe Gott hat uns immer geholfen.”