Zu Besuch beim „schwedischen ungarndeutschen“ Künstler Johannes Feldhoffer
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Von Annkristin Teichert
Es war ein sonniger Herbstmorgen, als ich mich auf den Weg nach Werischwar/Pilisvörösvár machte, um den ungarndeutschen Künstler Johannes Feldhoffer zu besuchen. Der in den 1970ern nach Schweden emigrierte Künstler kehrte vor einigen Jahren mit seiner Frau in seinen Heimatort Werischwar zurück. Gespannt auf die Geschichten seines Lebens und die Einblicke in seine Kunst machte ich mich vom Budapester Westbahnhof aus mit dem Zug auf den Weg.
Der Bahnhof von Werischwar begrüßte mich mit einer ruhigen Atmosphäre und der Spaziergang zum Haus von Herrn Feldhoffer war von bunten Blättern gesäumt. Die Straßenschilder zeugten von der einzigartigen Verbindung zweier Kulturen – ungarisch und deutsch – die hier so natürlich nebeneinander existieren.
Angekommen bei Herrn Feldhoffer wurde ich herzlich empfangen. Das Haus im Herzen von Werischwar trug die Spuren seiner Kunst. Im Obergeschoss – seinem kreativen Rückzugsort – durfte ich einen Blick in sein Atelier werfen. Die Wände schmückten beeindruckende Gemälde, Bücherregale voller Kunstliteratur in schwedischer und ungarischer Sprache verliehen dem Raum eine intellektuelle Tiefe.
Herr Feldhoffer führte mich zu den Bildern, die seine Lebensreise und künstlerische Entwicklung repräsentierten. Jedes Gemälde erzählte eine Geschichte von den Jahren in Schweden bis zu seiner Rückkehr nach Werischwar. Dabei erklärte er lebhaft die Motivation hinter seinen Werken und die Einflüsse, die seine Kunst geprägt haben.
Im Mittelpunkt des Raumes stand ein kleiner Tisch, an dem wir Platz nahmen. Auf dem Tisch befanden sich je zwei Wasser- und Weingläser – eine Geste der Gastfreundschaft. Das Interview begann eher wie eine angenehme Unterhaltung, während Herr Feldhoffer mir von seinen Erlebnissen, seiner ungarndeutschen Herkunft und den Herausforderungen und Freuden seines künstlerischen Schaffens erzählte.
Sein Atelier spiegelte nicht nur die Vielfalt seiner Kunst wider, sondern auch die Verbindung zwischen den Kulturen, die sein Leben geprägt haben. In der angeregten Unterhaltung erfuhr ich nicht nur mehr über seine Werke, sondern auch über den Menschen hinter der Kunst. Johannes Feldhoffer ist nicht nur ein Künstler, sondern ein Geschichtenerzähler, der durch seine Werke eine Brücke zwischen den Welten schlägt.
Johannes Feldhoffer, geboren am 7. Januar 1943 in Werischwar, erlebte seine prägenden Jahre in einem kleinen Dorf umgeben von einer malerischen, bergigen Waldlandschaft. Die Liebe zur Natur, die er in seiner Jugend entwickelte, spiegelt sich deutlich in den Bildern wider, die er mir während meines Besuchs in seiner Ausstellung in Werischwar präsentierte.
In der schwäbischen Familie wurde zu Hause ausschließlich Deutsch gesprochen, was dazu führte, dass der junge Feldhoffer vor seiner Einschulung Ungarisch lernen musste. Nach seinem Abschluss an der Grundschule im Jahr 1957 folgte der Ratschlag seines Vaters, der ihn dazu ermutigte, den Beruf des Steinmetzes zu erlernen. Diese Entscheidung führte ihn zur Lehrlingsschule des Staatlichen Steinmetzbetriebs in Budapest, wo er im Jahr 1960 seine Ausbildung mit Auszeichnung abschloss.
Bereits während seiner Ausbildung hatte Feldhoffer die Möglichkeit, an der Renovierung der Matthiaskirche mitzuwirken, und setzte seine Arbeit dort zwei Jahre lang fort. Nachdem er das Steinmetzhandwerk perfekt beherrschte, setzte er sein Studium auf höherem Niveau fort und schrieb sich für einen Steinbildhauerkurs beim volkseigenen Baubetrieb für Bildende Künste ein. Gleichzeitig absolvierte er das Abendgymnasium in Werischwar und erlangte die Reifeprüfung.
Einige der beeindruckendsten Werke von Feldhoffer dürften vielen Leserinnen und Lesern bereits bekannt sein. Seine meisterhaften Steinskulpturen – darunter die Mozart-, die Verdi- und die Wagner-Statue an der Fassade des Budapester Opernhauses – zeugen von seinem handwerklichen Geschick. Nach diesem Erfolg wurde er als Konservator an das Museum der Schönen Künste berufen, wo er von den reichen Sammlungen und dem Fachwissen der Kunsthistoriker profitierte.
Der entscheidende Wendepunkt in Feldhoffers Leben ereignete sich im Jahr 1973. Aufgrund der einzigartigen Gelegenheit, an einer Studienreise teilzunehmen, wählte er Schweden als Ziel. Fasziniert von der Kultur der Wikinger, entschied er sich für einen neuen Lebensabschnitt in diesem skandinavischen Land. Seine Ankunft in Schweden markierte nicht nur den Beginn seiner Integration, sondern auch den Beginn seiner künstlerischen Neuausrichtung.
Nachdem Feldhoffer in Schweden Fuß gefasst hatte, begann er einen spannenden Weg des Selbstentdeckens. Von der Beantragung seines Flüchtlingsstatus bis hin zu einem Job in einem Fotolabor und dem Erlernen der schwedischen Sprache an der Bürgerschule – jeder Schritt trug dazu bei, ihn zu dem vielseitigen Künstler zu formen, der er heute ist.
Die Jahre in Stockholm brachten nicht nur die Entwicklung seiner sprachlichen Fähigkeiten, sondern auch einen intensiven Fokus auf die Malerei mit sich. Die Mitgliedschaft in renommierten Künstlervereinigungen und die Anerkennung durch internationale Kunstorganisationen wie der UNESCO im Jahr 1983 unterstrichen seinen künstlerischen Aufstieg. Johannes Feldhoffer hatte seine Wurzeln in Ungarn, aber seine Kunst fand in Schweden eine neue Blüte.
Die außergewöhnliche Karriere von Johannes Feldhoffer nahm eine unerwartete Wendung, als er Teil der Königlichen Garde wurde. Diese historische militärische Einheit – gegründet im Jahr 1521 – hat die anspruchsvolle Aufgabe, die königliche Familie zu schützen. Der Zutritt zur Garde erfolgt durch persönliche Empfehlung der Mitglieder und nur diese können Personen vorschlagen, die sich für eine Bewerbung interessieren. Die Kandidaten durchlaufen eine einjährige Probezeit gefolgt von der Möglichkeit eines Vertrags – allerdings nur für schwedische Staatsbürger. Johannes Feldhoffer absolvierte seine Ausbildung zum Unteroffizier und erweiterte später seine Qualifikationen als Offizier und Leutnant. Nach zehn Jahren aktiven Dienstes wurde er aufgrund einer Hörschädigung entlassen und erhielt die Veteranenmedaille in blauem Emaille und Gold, eine Auszeichnung, die normalerweise erst nach dreißig Dienstjahren verliehen wird. Dennoch wurde ihm diese Ehre aufgrund seiner außergewöhnlichen Verdienste zuteil.
Nach diesem beeindruckenden Kapitel in Schweden kehrte Johannes Feldhoffer gemeinsam mit seiner Frau Ann-Charlotte nach Ungarn zurück. Im Jahr 2010 begannen sie sich nach einem wärmeren Klima zu sehnen und erwogen ernsthaft, sich in Ungarn niederzulassen. Obwohl Johannes bereits seit den 1990er Jahren gelegentlich nach Ungarn gereist war, zog es das Paar zunächst nach Süddeutschland, bevor sie sich intensiver mit dem Gedanken an eine Rückkehr nach Ungarn beschäftigten. Die Liebe zu Budapest und seiner pulsierenden kulturellen Szene – geprägt von Konzerten, Ausstellungen und Festivals – führte dazu, dass sie 2015 den endgültigen Schritt wagten.
Der Umzug nach Werischwar, einem malerischen Ort in Ungarn, war nicht ohne Herausforderungen. Nach 42 Jahren im Ausland war das heutige Ungarn für Johannes eine fremde Welt geworden. Das Ehepaar Feldhoffer jedoch nahm die Herausforderung an und lernte mit Begeisterung über die Menschen und sozialen Beziehungen das öffentliche Leben und die Kultur ihres Heimatlandes kennen. Johannes wurde schnell Teil des kulturellen Lebens in seinem einstigen Heimatort und 2016 wurde eine Einzelausstellung seiner Werke im örtlichen Haus der Künste organisiert.
Seine Kunst schmückt nun die Wände öffentlicher Gebäude in Werischwar – wie das Rathaus und die Stadtbibliothek – wohin er großzügig einige seiner Gemälde gestiftet hat. Die Rückkehr von Johannes Feldhoffer nach Ungarn markiert nicht nur einen künstlerischen Neuanfang, sondern auch eine tiefe Verbindung zu den Wurzeln seiner ungarndeutschen Herkunft.
Tief verwurzelt in Johannes Feldhoffers Leben ist seine deutsche Abstammung, die von Kindheit an seinen Alltag prägte. Zu Hause wurde ausschließlich deutsch bzw. donaubairisch gesprochen und er wuchs auf als Ungarndeutscher – nicht als „Ungar”. Diese kulturelle Verbindung zu den Schwaben war immer ein wesentlicher Bestandteil seiner Identität.
Über mehr als vier Jahrzehnte in Schweden passte sich Feldhoffer den kulturellen Eigenheiten an, integrierte sich in die Gesellschaft und lebte das schwedische Leben. Dennoch betont er, dass er nie zu 100% assimiliert war, denn ein Teil seines Herzens bleibt stets schwäbisch. Auf die Frage nach seiner Identität antwortet er stolz: ein schwedischer Ungarndeutscher.
Obwohl die deutsche Sprache im Laufe der Jahre in Schweden vielleicht weniger präsent wurde, bleibt sie für Johannes Feldhoffer immer noch in seinem Herzen. Die Wurzeln seiner Herkunft und seine Kindheit tragen dazu bei, dass das „Deutschsein” für ihn eine unvergessliche Prägung ist. Die deutsche Kultur, die Sprache und die Bräuche sind Teil seines Erbes, das er in seinem künstlerischen Schaffen und in seinem täglichen Leben weiterträgt.
Die Rückkehr nach Ungarn war nicht nur eine physische Heimkehr, sondern auch eine Reise zu den kulturellen Wurzeln seiner Vergangenheit. Werischwar, ein Ort, der für ihn nicht nur eine neue Heimat ist, sondern auch ein Ort, an dem die Vielfalt seiner Identität gedeiht. Johannes Feldhoffers Lebensgeschichte ist eine faszinierende Reise durch Kulturen und Generationen, ein lebendiges Zeugnis seiner unverwechselbaren Identität als schwedischer Ungarndeutscher.