Ein Stück Heimat

US-Amerikaner pflegen donauschwäbische Kultur fern der Heimat der Väter

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Ein Beitrag von Martin Szanyi

Die dreißigköpfige Jugend group der American Aid Society of German Descendants reiste durch Europa. Der 16-tägige Ausflug begann in Frankfurt und setzte sich in Mosbach und Salzburg fort. Man traf sich mit donauschwäbischen Vereinen und zusammen organisierte man Sing- und Tanzaufführungen. Schließlich verbrachte die Gruppe eine Woche in Ungarn, davon drei Tage in Kier/Németkér. Hier traf ich mich mit Robert Lengfelder, dem Leiter des Vereins. Wir setzten uns auf eine Bank neben dem Kierer Kulturhaus und führten ein Gespräch mal auf Deutsch, mal auf Englisch.

 Die Geschichte

„American Aid Society of German Descendants ist zwar nicht der ursprüngliche Name, aber so werden wir genannt“, erzählte mir Robert Lengfelder. Der Verein wurde nach seinen Angaben gegründet, um Menschen aus Europa zu helfen, die während des Krieges vertrieben wurden oder in Hunger- oder Gefangenenlagern waren. Die Lage der Donauschwaben war den Deutschen in Amerika offensichtlich bekannt. Deshalb wurde 1944 ein Club gegründet, um bedürftigen Donauschwaben care packages – also Hilfspakete ‑ zu schicken. Zwischen 1945 und 1947 wurden Lebensmittel, Kleidung und Medizin im Wert von schätzungsweise 130.000 Dollar – heute wären das ungefähr zwei Millionen Dollar oder 701 Millionen Forint – an die Bedürftigen verschickt. In Amerika, vor allem auch in Chicago, lebten viele Menschen, die von Donauschwaben abstammten und vor dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert waren. Die Organisation fand jedoch bald heraus, so Lengfelder, dass es nicht ausreichte, einfach nur Hilfsgüter zu schicken, sondern dass es wichtig war, diese Donauschwaben in die USA zu bringen, aber die damaligen Gesetze ließen das nicht zu. Viele Menschen, unter anderem auch der Gründer Nick Pesch, setzten sich im Kongress der USA dafür ein, dass diese Menschen in die USA auswandern durften und einen Weg nach Amerika fanden. Zunächst erlaubten die Behörden einigen Tausenden den Eintritt ins Land, aber das war immer noch nicht genug. Durch Demonstrationen auf der Straße und durch Petitionen wurde der Prozess fortgesetzt. In einem Zeitraum von 1945 bis 1958 wanderten 120.000 Menschen allein in die Region Chicago ein. Aber es gab auch andere Organisationen in Amerika, die ähnliche Dinge taten. Und so kam die nächste Welle von Donauschwaben; viele von ihnen gingen in den Mittleren Westen. Die Clubs waren Sponsoren für diese Menschen. „Sie halfen ihnen bei der Arbeitssuche zum Beispiel, denn die Flüchtlinge hatten ihr Land nur mit dem verlassen, was sie tragen konnten“, so der Deutschamerikaner. Diese Orte dienten auch als gemeinschaftliche Plattformen, an denen sie andere Menschen kennen lernten und Freunde und Familie wurden.

Die Identität

Die Donauschwaben in Amerika setzten ihre kulturellen Traditionen fort und deshalb kennen und pflegen viele der amerikanischen Organisationen bis heute die Kultur der Donauschwaben, wie das Kochen und Tanzen, so der Vorsitzende der Aid Society. Robert Lengfelder erzählte mir, dass die Organisation den Lebensstil der Donauschwaben bewahre: die Art und Weise, wie ihre Ahnen gelebt haben. Selbst heute noch tanzten sie alle Tänze und sängen die Lieder der Vorfahren. „Die Veranstaltungen wie Heirat werden auch traditionell ausgeführt. Ihre Kultur, ihre Lieder, ihre Tänze und ihre Kochkünste sind also mit ihnen gekommen und das Erbe wurde in den Vereinigten Staaten bewahrt“, berichtete Robert Lengfelder im Gespräch.

 Der Verein

Der Verein hat auch eine Kindergruppe, die im Alter von zwei bis drei Jahren beginnt. Die Kindergruppe dient dazu, dass die Kinder einander kennen lernen, Spaß haben und Tanzschritte lernen. Die Jugendgruppe, denen Menschen bis 25 Jahre angehören, ist nach Angaben von Lengfelder bereits eine ernstere Veranstaltung: Es ist auch mehr als eine Verbindung, sondern ein Zusammenschluss von Freunden und Familien. Das heißt nicht, dass nur Donauschwaben mitmachen könnten, aber die Mehrheit der Leute im Verein sind nach Lengfelders Angaben Donauschwaben. Und wie sich herausstellt, treffen sich viele dieser jungen Leute mit anderen. Sie heiraten sogar und bekommen Kinder. Es gibt sehr viele Leute in dem Verein, die sich durch den deutschen Verein kennen gelernt haben und dann geheiratet haben. Selbst Robert hat auch auf diese Weise seine Frau kennen gelernt: „Ich bin sogar einer von ihnen geworden, obwohl ich persönlich nicht donauschwäbischer Abstammung bin. Ich trat unserem Club in den frühen 1980er Jahren in Chicago bei und 1988 nahm an einer dieser Touren teil. Und ich lernte meine Frau kennen, die aus dem Akron Donauschwaben Club kam, und wir trafen uns in Mosbach und wir heirateten tatsächlich zwei Jahre später, 1990, und heute ist meine Tochter im Club und tanzt auch mit.“

Die Sprache

Es gibt laut Lengfelder einige deutsche Vereine, die offiziellen Deutschunterricht erteilen, aber in Amerika muss man dafür eine Zertifizierung haben. In diesem Verein würden Wörter und Sätze beigebracht, aber man hat nach Lengfelders Angaben keinen professionellen Deutschlehrer. Deutsch als Muttersprache sei nicht mehr vorhanden bei den jüngeren Leuten. Vor allem die älteren Generationen würden die Sprache noch beherrschen, die jüngere Generation kenne die Worte, aber sie spreche Deutsch nicht mehr aktiv: „Viele von ihnen verstehen, was man auf Deutsch sagt, aber sie haben kein Selbstvertrauen oder keine korrekte Aussprache, um die Worte wiederzugeben. Aber sie hören Deutsch ihr ganzes Leben lang, also verstehen sie es.“

Die Reise durch Europa

Die Reise in Europa wird nach Angaben von Lengfelder von dem Weltdachverband der Donauschwaben mit Hilfe des Landesverbandes in Amerika organisiert. Es gibt mehrere Donauschwaben-Gruppen in den Vereinigten Staaten. Es gibt zwei in Chicago, eine in Detroit, eine in Akron, eine in Cleveland, eine in Cincinnati, eine in New Jersey und eine in Südkalifornien. Und dann gibt es natürlich noch drei Clubs in Kanada. Diese Clubs seien alle eigenständig, aber sie alle würden sich berichten und mit dem Landesverband in Amerika treffen. „Das Ziel ist, dass die Jugendlichen ihr Erbe aus erster Hand erfahren. Es ist in Amerika sehr wichtig, dass die Jugendgruppen nicht nur in den Club gehen und sich die Geschichten ihrer Vorfahren anhören, sondern dass sie an den Ort der Ulmer Schachtel gehen und auch neue Tänze und Menschen kennen lernen. Und alle sind so freundlich zu uns und es ist toll zu sehen, wie sich der Zusammenhalt entwickelt“, fügte Robert zum Schluss noch hinzu.

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Bei der Recherche wurde folgende Quelle herangezogen: https://www.americanaidsocietyofgd.org/history

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